Berlin. Nächster Halt Lutherstadt Wittenberg. Ich schreibe diese letzte unserer Kolumnen zur Fußball-EM 2024 namens „Trinkpause“ in einem überfüllten ICE auf dem Weg zum Finale nach Berlin. Pessimisten würden sagen: Die EM endet so, wie sie begonnen hat. Mit einem maladen deutschen Zugsystem, das den Ansturm der Fans aus Europa kaum verkraften konnte.
Aber wahrscheinlich ist das auch eine wieder sehr spezielle deutsche Sichtweise. Erst mal das Negative suchen, das eigene Land schlechtreden. Es gibt sogar Parteien an den Rändern des politischen Spektrums, die daraus ihr Geschäftsmodell gemacht haben.
Ein kostenloses Konjunkturprogramm der EU
Der Investitionsstau bei der Infrastruktur ist ein Fakt, Deutschlands Image als zuverlässiger Streber in Europa hat gelitten. Aber Tausende Fußball-Fans, die bei uns einen Teil ihres Sommers verbracht haben, berichten vor allem Gutes über ihre Zeit in Germany. Von freundlichen, hilfsbereiten Menschen und einer gastfreundlichen Atmosphäre in einem Land, das in Zeiten des internationalen Rechtsrucks zum Glück weiter mit Freiheit und Toleranz punktet. Es ist eine Binse, aber Deutschland bleibt - bei allen existierenden Problemen - grundsätzlich ein Ort mit vielen Vorzügen, an dem man sehr gut leben kann. Anders als es in der gefühlten Weltuntergangsstimmung hierzulande manchmal wirkt. Und anders als es Populisten und Extremisten suggerieren.
Die EM hat außerdem gezeigt, dass der europäische Gedanke lebt. Es war eine große, friedliche internationale Fußball-Party, bei der Italiener mit Albanern, Deutsche mit Schotten und irgendwie alle miteinander feierten. Ein kostenloses Konjunkturprogramm für die EU. Den Spaltern und Hetzern, die nicht nur bei uns zu bedauerlicher Größe aufgestiegen sind, wird das überhaupt nicht gefallen haben.
Das Wetter verhindert ein zweites Sommermärchen
Die Feinde der Freiheit können mit Zusammenhalt und dem Blick auf das Einende zurückgedrängt werden. Ganz in dem Sinn, wie es Bundestrainer Julian Nagelsmann in seinem großartigen Appell nach dem Ausscheiden der DFB-Elf im Viertelfinale gegen Spanien gesagt hat.
Wenn das die großen Erkenntnisse dieser EM sein sollten, wäre das viel wichtiger als der verpasste Titelgewinn der DFB-Elf. Auch wenn es nicht nur wegen des weithin vermurksten Wetters kein zweites „Sommermärchen“ gegeben hat, wäre es doch schön, wenn wir ein wenig vom Spirit dieser Wochen auch in den Alltag hinüberretten könnten. Ein freundliches Lächeln an stressigen Tagen, das Gemeinsame in den Vordergrund rücken.
Ich hoffe, unsere EM-Kolumne „Trinkpause“ hat Ihnen gefallen und hoffentlich erhellende, lustige oder nachdenkliche Momente beschert. Bis zum nächsten Mal, auf Wiederlesen!
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