Fußball

Fußballer und ihre fatalen Fehlpässe in Social Media

Wichtig ist auf’m Platz - das gilt noch immer, wenn es um die Bewertung eines Fußballspielers geht. Inzwischen schauen Scouts aber auch auf digitale Beiträge - und das aus gutem Grund, wie aktuelle Beispiele zeigen

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Florian Pfitzner mit th/jaz
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Auch um Benedict Hollerbach gab es Wirbel © dpa

Bielefeld. Die Zeile holt einen sofort in den Text. Borussia Dortmund habe für 30 Millionen Euro „Riesenärger“ eingekauft, titelte die Onlineredaktion des Nachrichtensenders ntv nach dem Transfer von Felix Nmecha. Der deutsche Fußball-Nationalspieler wechselte in diesem Sommer vom VfL Wolfsburg zu Borussia Dortmund. Nmechas bisheriger Trainer Niko Kovac traut ihm zu, ein Weltklasse-Fußballer zu werden. Einige Fans der Borussia aber - und nicht nur die - haben sich gegen die Verpflichtung aufgelehnt.

Der Fall Nmecha

Nmecha ist ein evangelikaler Christ, streng gläubig und in seinen Sichtweisen radikal, wie es scheint. Im Internet teilte er ein Video des selbsternannten „theokratischen Faschisten“ Matt Walsh, der regelmäßig seine Menschenfeindlichkeit zur Schau stellt. Nmecha war noch gar nicht in Dortmund angekommen, da geriet der BVB schon in Erklärungsnot. Auch weil Initiativen wie „Ballspiel vereint!“ Kritik geäußert hatten - gerade angesichts des Grundwertekodex, nach dem sich die Borussia richtet.

Dortmunds Felix Nmecha jubelt nach seinem Treffer zum 3:1. © dpa

Furore in den Foren hat jüngst auch Benedict Hollerbach erregt. Er soll auf Instagram frauenfeindliche Inhalte geliked haben und politisch fragwürdigen Leuten folgen. Union Berlin hat ihn trotzdem aus Wiesbaden nach Köpenick geholt. „Die gezeigten Leistungen waren Grund genug, ihn unter Vertrag zu nehmen“, hieß es in der Hauptstadt.

„Entscheidend ist auf’m Platz“, sagte einst auch Alfred „Adi“ Preißler, der legendäre Stürmer von Borussia Dortmund. So einfach und so eindeutig wird das noch immer gesehen. Fragt man Fußballvereine aber, ob die Netzaktivitäten eines möglichen Neuzugangs in die Bewertung einfließen, wird häufig entgegnet: mehr denn je.

SV Waldhof hat ein Auge drauf

„Die sportliche Qualifikation und Persönlichkeit des Spielers sind und bleiben natürlich die wichtigsten Faktoren“, erklärt Fortuna Düsseldorf auf Anfrage. „Dabei sehen wir es als unsere Pflicht an, auch einen Eindruck über die Aktivitäten eines potenziellen Neuzugangs in den sozialen Netzwerken zu gewinnen.“

Düsseldorf gehört zu den Fußballclubs, die offen mit dem Thema umgehen. „Sollten in sozialen Netzwerken extreme Auffälligkeiten zu erkennen sein, die eindeutig mit dem Wertekanon des Vereins kollidieren, kann das eine Verpflichtung auch verhindern“, sagt der Pressesprecher. „Einen solchen Fall hat es bisher aber noch nicht gegeben.“

Grundsätzlich steht natürlich das Geschehen auf dem Rasen im Fokus. Ein kurzer Check der Kanäle vor einer Verpflichtung kann aber natürlich nicht schaden.
SV Waldhof

Drittligist SV Waldhof teilte auf Anfrage mit, dass der Verein „vor der Verpflichtung, aber auch danach natürlich ein Auge auf die Social-Media-Aktivitäten der Spieler“ habe. Dabei gehe es darum, auch beratend zur Seite zu stehen, um so Spielern helfen zu können. „Grundsätzlich steht natürlich das Geschehen auf dem Rasen im Fokus. Ein kurzer Check der Kanäle vor einer Verpflichtung kann aber natürlich nicht schaden.“

Auch die TSG Hoffenheim verschafft sich vor einem Transfer ein „möglichst komplettes Bild des potenziellen Neuzugangs“, wie es auf Anfrage heißt. „Dazu gehört natürlich auch der genaue Blick auf die Social-Media-Aktivitäten des Spielers“, erklärt Pressesprecher Jörg Bock, der jedoch versichert, dass bestimmte Kommentare oder Likes bislang noch keinem Hoffenheimer Transfer im Wege standen. Zwischen Spielern, Berater und Club gebe es bei der TSG zudem einen „permanenten Austausch, sodass wir einen recht genauen Blick auf die Profile unserer Profis haben“, so Bock.

„Immer größere Rolle“

Ähnlich wie die TSG verpflichtet auch der 1. FC Köln keinen Spieler, ohne ihn persönlich kennengelernt zu haben. „Da die Social-Media-Kanäle der Spieler eine immer größere Rolle einnehmen, gibt der FC für seine Spieler einen Handlungskodex entsprechend der Wertevorstellung des FC vor und steht ihnen beratend zur Seite“, erläutert der Vereinssprecher. „Eine vollumfängliche Prüfung vorab gibt es nicht, was nicht heißt, dass die Social-Media-Aktivitäten bei Verpflichtungen vollständig vernachlässigt werden.“

Selbstverständlich achten wir bei der Auswahl der Spieler auch auf ein intaktes Werteverständnis und darauf, wie sich Spieler auf Social Media verhalten.
Eintracht Frankfurt

Der FC Schalke 04 bezeichnet die Bewertung der Netzaktivitäten eines Spielers als festen Bestandteil des Scoutings. „Uns ist bewusst, dass alle Vertreter des Vereins eine Vorbildfunktion haben“, sagt Schalkes Kommunikationsdirektor. Die Frankfurter Eintracht, häufig gelobt für ihr gesellschaftliches Engagement, lässt wissen: „Selbstverständlich achten wir bei der Auswahl der Spieler auch auf ein intaktes Werteverständnis und darauf, wie sich Spieler auf Social Media verhalten.“

Kontroverse Diskussionen

Als das Interesse des BVB an Nmecha durchgesickert war, berichtete der „Spiegel“, dass nicht nur Fans, sondern auch Sponsoren Zweifel an einer Verpflichtung geäußert haben sollen. Der Präsident von Borussia Dortmund, Reinhold Lunow, bis dahin medial kaum aufgetaucht, erklärte auf Twitter, dass die Verpflichtung „zu kontroversen Diskussionen geführt“ habe, weil Nmecha „Inhalte geteilt hatte, die durchaus als homophob oder queerfeindlich interpretiert werden können“.

Werden können? Aus Sicht einiger Fans hatte Nmecha Beiträge geteilt, die zweifellos als homophob und queerfeindlich interpretiert werden müssen.

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Ohne auf diesen oder einen anderen konkreten Fall eingehen zu wollen, versucht Borussia Mönchengladbach, derlei Stress von sich fernzuhalten. „Das Sichten eines Spielers geschieht möglichst vollumfassend“, sagt der Pressesprecher. In einen Scoutingbericht fließen demnach neben der fußballerischen Qualität „auch Dinge ein, die darüber hinausgehen: Wie präsentiert sich der Spieler als Persönlichkeit auf dem Platz? Und wie neben dem Platz?“ An erster Stelle zählten hier die Erfahrungen aus persönlichen Gesprächen. „Borussia nutzt aber darüber hinaus selbstverständlich die über den Spieler im Netz veröffentlichten Texte, seit einigen Jahren aber auch die Präsenz des Spielers in den sozialen Medien.“

Bewusstsein entwickeln

Arminia Bielefeld hat dies genauso im Blick. „Ohne interne Kriterien nach außen tragen zu wollen: Wir als Arminia Bielefeld und natürlich auch unsere Spieler sind uns bei öffentlichen Äußerungen unserer Verantwortung bewusst“, sagt Sport-Geschäftsführer Michael Mutzel. „Dazu gehört auch ein Bewusstsein für gesellschaftliche Statements, Aktivitäten oder Likes in sozialen Medien. Durch unsere Medienabteilung werden sie dabei begleitet und beraten.“

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Der SC Paderborn möchte in dieser Frage nicht ins Detail gehen. „Grundsätzlich orientieren wir uns bei der Verpflichtung von Spielern für unseren Profikader in erster Linie an den fußballerischen Qualitäten“, teilt der Pressesprecher mit. Fragt man ihn nach den Vereinswerten, entgegnet er: „Unser Wertekodex ist in unserem Leitbild verankert, das uns bei allen Aktivitäten des Vereins leitet.“

Sportliche Qualität hat Priorität

Der VfL Bochum äußert sich zur Hintergrundrecherche seiner Scouts nur grob. „Der VfL verpflichtet Spieler, die zum Verein passen, wobei die sportlichen Qualitäten selbstverständlich höchste Priorität haben.“ Der VfL, das hebt der Pressesprecher hervor, „war der erste Profifußballverein in Deutschland, der sich ein Leitbild gegeben hat, worin die Ziele und Werte des Clubs festgehalten sind“.

Über die Grundwerte von Borussia Dortmund wurde dem Anschein nach lange genug gestritten. Zur Saisoneröffnung gewann der BVB 3:1 gegen Ajax Amsterdam, Nmecha schoss zwei Tore. „Vom Trainer gelobt, von den Fans gefeiert“, meldete der Sportinformationsdienst.

Pfiffe und Plakate des Protests hatte es im Stadion von den 80 500 Zuschauern nicht gegeben. „Mir scheint“, twitterte ein BVB-Fan aus dem Sauerland, „dass die Verlautbarungen von vielen BVB-Fanorganisationen hinsichtlich #Nmecha nicht unbedingt repräsentativ für die gesamte Anhängerschaft sind.“

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