Dortmund. Der Kater bereitete Borussia Dortmund und seiner großen Fan-Gemeinde dann doch ein bisschen länger Kopfschmerzen als nur einen Tag. Nie in den vergangenen zehn Jahren war die Chance, Dauermeister Bayern München die Schale und die Show zu stehlen, größer als in der vergangenen Saison. Doch als der rote Teppich ausgelegt und die Musik bestellt war, wurden die Beine bleischwer. So schwer, dass der letzte Schritt im Heimspiel gegen Mainz 05 durch ein 2:2 zum Schrittchen verkümmerte und die Meistertrophäe in der Verpackung blieb.
Hat der Sommer genügt, um den Frust vom Mai zu verdrängen?
Die Antwort liegt wieder mal auf dem Platz. Hinzufallen ist keine Kunst, wieder aufzustehen mitunter schon. Der BVB hat seit dem letzten Meisterjahr 2012 einige Enttäuschungen hinnehmen müssen oder durch augenfällige Passivität aktiv beschleunigt. Es war ein Auf und Ab auf hohem Niveau - aber abgesehen vom Pokalsieg 2017 unter dem in Ungnade gefallenen Thomas Tuchel ohne nachhaltigen Erfolg. Der letzte Fehltritt war der schmerzhafteste. Es braucht einen perfekten Start, um ihn zu verdrängen. Vergessen wird man ihn nicht.
Hinterlässt Jude Bellingham eine zu große Lücke?
Gut möglich. Der vor Selbstbewusstsein strotzende Brite lud sich trotz seines jungen Alters große Gewichte auf die Schultern. Ein Ausnahmefußballer. Die Fans des BVB können sich glücklich schätzen, Zeuge der grandiosen Entwicklung dieses Spielers gewesen zu sein. Auch Raphael Guerreiro hat Dortmund verlassen und sucht nun beim FC Bayern seinen Platz. Der Portugiese war sieben Jahre im Revier, das letzte war sein bestes.
Wie will der BVB die verloren gegangene Qualität auffangen?
Felix Nmecha ist für die Bellingham-Position vorgesehen. Der 22-Jährige kam aus Wolfsburg und sorgte schon vor dem ersten Ballkontakt für einigen Wirbel. Zwei von ihm geteilte und rasch wieder gelöschte Posts in den sozialen Medien wurden von Fans als homophob und queerfeindlich kritisiert. Die Dortmunder Verantwortlichen beschwichtigten alsbald. „Das ist ein ganz normaler Junge“, ließ Vereinschef Hans-Joachim Watzke wissen. Restlos ausgeräumt sind die Zweifel aber nicht. Nmecha bleibt unter Beobachtung und somit ein Risikotransfer.
Was ist von den weiteren Neuzugängen zu erwarten?
Sehr früh war sich der BVB mit Ramy Bensebaini einig. Er kam ablösefrei von Borussia Mönchengladbach. Beim BVB soll der gern offensiv denkende 28-Jährige die linke Seite bespielen. Mit der Verpflichtung von Marcel Sabitzer legte Dortmund dann noch einmal Qualität nach. Terzic lobte den umtriebigen Mittelfeldspieler nach Abschluss der USA-Reise in hohen Tönen.
Brauchte es frische Impulse durch einen neuen Kapitän?
Fakt ist, dass künftig Emre Can als Leader und anstelle von Marco Reus vorangeht. Reus trug die Binde eine halbe Dekade, wirkte als Kapitän aber oft blass und mitunter überfordert. Sein nach eigenen Worten selbstbestimmter Rücktritt könnte sich als Win-win-Schritt erweisen: Der sensible Spieler muss sich nicht mehr unbequemen Fragen stellen und die Mannschaft hat einen Kapitän, der wieder als emotionaler Wegweiser für die gemeinsamen Ziele brennt.
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/sport_artikel,-sport-borussia-dortmund-nimmt-wieder-anlauf-doch-der-kater-bleibt-_arid,2113868.html