Kriminalität - DNA-Spur von Uwe Böhnhardt könnte durch Verunreinigung an den Fundort von Peggys Leiche gelangt sein

Zwei Fälle, ein Meterstab

Von 
Christine Keilholz
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Polizeibeamte suchen am 4. Juli die Gegend zwischen Rodacherbrunn (Thüringen) und Nordhalben (Bayern) ab.

© bild. dpa

Dresden. Thüringens Innenminister Holger Poppenhäger (SPD) hielt sich gestern zurück. Dem ihm unterstellten Landeskriminalamt in Erfurt könnte eine gravierende Ermittlungspanne unterlaufen sein. Man könnte auch sagen: zwei. Noch dazu in zwei besonders dramatischen Fällen. Denn wie es jetzt aussieht, hat der mutmaßliche NSU-Terrorist Uwe Böhnhardt doch nichts mit dem Tod der 2001 verschwundenen Peggy zu tun.

Anhaltspunkte dafür lieferte das Bundeskriminalamt. Die gemeinsame DNA-Spur, die in beiden Fällen auftauchte, geht demnach wohl auf eine Verunreinigung zurück. Die Staatsanwaltschaft Bayreuth teilte am Nachmittag auch mit, wo die Panne passiert sei: Bei den Tatortermittlungen der Thüringer Polizei. In beiden Fällen habe die thüringische Polizei offenbar ein und denselben Meterstab zur Tatortvermessung verwendet. Medienberichten zufolge hat eine nachträgliche genaue Überprüfung der Tatortsituationen neue Erkenntnisse ergeben.

Dieselben Polizisten im Einsatz

Es waren demnach in beiden Fällen dieselben Thüringer Polizisten im Einsatz. Sie untersuchten im November 2011 in Eisenach das Wohnmobil, in dem die Leichen der NSU-Verdächtigen Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos gefunden wurden. Sie untersuchten ebenfalls das Kinderskelett, das ein Pilzsammler im Juli 2016 in einem Waldstück im Saale-Orla-Kreis fand. Das Skelett wurde nur wenig später als das der kleinen Peggy identifiziert, nach der die Polizei seit 15 Jahren suchte.

In beiden Fällen hatte die Tatortgruppe denselben Meterstab dabei. Dieser Stab, so berichtete Spiegel Online am Donnerstag, sei sofort aufgefallen, als das Bundeskriminalamt nach Verbindungen in den beiden Fällen suchte. Er ist auf Fotos deutlich zu sehen - und offenbar ein sehr markantes Teil.

Damit löst sich der neue Ermittlungsansatz in beiden Fällen höchstwahrscheinlich in Luft auf. Denn es war schon eine Sensation, als vor zwei Wochen bekannt wurde, dass sich Uwe Böhnhardts DNA am Fundort von Peggys Leiche gefunden habe. Die Ermittler im Fall Peggy hatten die Spuren an einem Stoffstück in die Datenbank eingegeben - und einen Treffer gefunden.

Thüringens Innenminister Poppenhäger sagt bislang nur, dass die Sonderkommission (Soko) in Jena ein "elementares Interesse" an den Ergebnissen der laufenden Untersuchungen habe. Die Soko befasst sich mit ungeklärten Kindstötungen. Die Staatsanwaltschaft Bayreuth will nun eine weitere Stelle beauftragen, alle Spuren nochmals zu untersuchen. Die Ermittler wollen den genauen Weg der Beweismittel, deren Sicherung und Bearbeitung in Thüringen und Bayern lückenlos überprüfen. Der leitende Bayreuther Oberstaatsanwalt Herbert Potzel pocht derweil darauf, er sei bei der gemeinsamen Spur von Anfang an skeptisch gewesen. Weitere zeitaufwendige Ermittlungen stehen bevor.

Durch den markanten Meterstab fließen die Fäden zweier höchst mysteriöser Fälle zusammen. Der Fall Peggy war schon mehrere Male innerhalb von 15 Jahren abgeschlossen worden. Dann tauchten in diesem Sommer die Knochen auf.

Das Mädchen, das jetzt 26 Jahre alt wäre, verschwand im Mai 2001 auf dem Heimweg von der Schule. Gegen zwei Verdächtige wurde über die Jahre wegen Mordes ermittelt. Der eine, ein geistig zurückgebliebener Gastwirtssohn, wurde 2004 verurteilt, später aber rehabilitiert.

Mysteriöser Selbstmord

Mysteriös sind auch die genauen Umstände des Auffliegens des NSU - obwohl seit Jahren in München der Prozess gegen Beate Zschäpe läuft, und obwohl mehrere Landesbehörden und Untersuchungsausschüsse an der Sache arbeiten. Am 4. November 2011 jagte die mutmaßliche NSU-Terroristin ihr Wohnhaus in Zwickau in die Luft. Am selben Tag fand die Eisenacher Polizei die Leichen von Böhnhardt und Mundlos im Wohnmobil. Über die Ermittlungsarbeit vor Ort gibt es immer noch etliche Unklarheiten.

Die Panne mit dem Wattestäbchen

  • Im NSU-Komplex haben sich die Ermittler vor einigen Jahren bereits eine Blamage mit DNA geleistet.
  • Inzwischen wird der Mord an der Polizistin Michèle Kiesewetter am 25. April 2007 in Heilbronn der Terrorgruppe zugerechnet, die sich selbst "Nationalsozialistischer Untergrund" nannte und zu der Böhnhardt gehört haben soll.
  • Davor aber hatten die Ermittler fast zwei Jahre lang eine "Frau ohne Gesicht" gejagt - auf Basis der DNA-Spur einer Unbekannten.
  • Diese Gen-Spuren am Dienstwagen der Polizistin fanden sie bei mehr als 35 Straftaten, zum Beispiel bei Morden oder Einbrüchen in Gartenhäuser.
  • Im März 2009 räumte das Landeskriminalamt Baden-Württemberg ein: Die Spuren waren durch die Mitarbeiterin einer Verpackungsfirma auf die Wattestäbchen gelangt, die die Polizei bei ihrer Arbeit mit Spuren benutzte. (dpa)

Korrespondent

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