Ukraine-Krieg

Wie sich die Welt neu sortiert

Die Münchner Sicherheitskonferenz zeigt, dass der Westen zusammenrückt. Aber die globalen Spannungen nehmen zu

Von 
Michael Backfisch
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Frankreichs Präsident Emmanuel Macron schwenkte in der Debatte zur Beendigung des Ukraine-Kriegs etwas aus. © Sven Hoppe/dpa

München. Der Ukraine-Krieg hat bei der Münchner Sicherheitskonferenz alle anderen Themen überlagert. Durch den Krieg sortiert sich die Welt neu. An fünf Themen lässt sich das ablesen:

Der Westen ist geschlossen wie nie

Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine hat den Westen zusammengeschweißt. Konsens ist: Würde Kremlchef Wladimir Putin die Ukraine ganz oder teilweise erobern, wären auch andere Länder in Gefahr. Amerikaner und Europäer haben die militärische Unterstützung für die Ukraine hochgefahren. Die internationale Panzerkoalition kommt jedoch nur schleppend voran.

Die Lieferung von Kampfjets an die Ukraine steht nicht auf der Tagesordnung, obwohl Kiew das dringend wünscht. Auffällig auch: Die USA suchen den Schulterschluss mit Europa. US-Vizepräsidentin Kamala Harris verteilte angesichts der gemeinsamen Unterstützung der Ukraine Streicheleinheiten an die Europäer: „Die USA sind stolz, Ihr Partner in diesem noblen Streben zu sein.“ Ganz anders war dies noch bei der Münchner Sicherheitskonferenz 2019. Damals beschwor US-Vizepräsident Mike Pence das Trump-Motto „America First“ und las den Europäern in einer finsteren Rede die Leviten.

Macron nimmt eine Sonderrolle ein

Durch viele Reden zog sich wie ein roter Faden: „Die Ukraine muss gewinnen.“ Frankreichs Präsident Emmanuel Macron machte da eine Ausnahme. Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine könne nur durch Verhandlungen ein Ende finden, betonte er. „Ich will die Niederlage Russlands in der Ukraine und ich will, dass die Ukraine ihre Position verteidigen kann. Aber ich bin überzeugt, dass das letztlich nicht militärisch abgeschlossen wird“, sagte Macron französischen Medien. „Keine der zwei Seiten kann vollständig siegen.“ Macron fährt zweigleisig. Er will zwar verhindern, dass Russland die Ukraine erobert. Aber sein Satz, dass keine der beiden Seiten „vollständig siegen“ könne, impliziert: Die Regierung in Kiew müsse Gebiete abtreten. Ein Widerspruch zur ukrainischen Führung, die die Wiederherstellung des gesamten Staatsterritorium fordert – einschließlich der Krim.

Deutschland nicht mehr Bremser

Während die USA und Großbritannien mit der Entsendung schwerer Waffen nach Kiew vorpreschten, hielt sich die Bundesregierung zurück. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte das Etikett des Zauderers – sogar aus der Ampelkoalition hagelte es Kritik. Der Januar 2023 war für Scholz der wahre Moment der „Zeitenwende“. Die Ankündigung, Marder-Schützenpanzer und Leopard-Kampfpanzer in die Ukraine zu verschicken, brachte ihm international Anerkennung ein. Selbst der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba lobte: „Deutschland ist über sich selbst hinausgewachsen.“

Kalter Krieg von USA und China

Nach der Ballon-Affäre Anfang Februar schlugen die diplomatischen Wellen bereits hoch. In München lieferten sich die Vertreter Amerikas und Chinas nun einen Krieg der Worte. Am Sonnabendabend trafen sich US-Außenminister Antony Blinken und Chinas ranghöchster Außenpolitiker Wang Yi zu einem Gespräch. Die Unterredung sei „sehr direkt und offen“ gewesen, hieß es von US-Seite. Mit anderen Worten: Es flogen die Fetzen. Zudem habe Blinken gedroht, dass eine chinesische Unterstützung Russlands im Angriffskrieg gegen die Ukraine „Konsequenzen“ haben werde.

Chinas staatliche Nachrichtenagentur Xinhua meldete nach dem Treffen, Wang habe „Chinas harte Haltung in dem sogenannten Luftschiffvorfall klargemacht“. Zuvor hatte Wang den USA in einer Rede eine „hysterische und absurde“ Reaktion in der Ballon-Affäre vorgeworfen.

Die Tonlage in München war auf beiden Seiten scharf bis konfrontativ. China will in den kommenden Tagen ein „Friedenspapier“ vorlegen, das zur Beendigung des Ukraine-Kriegs auffordern soll. Der Aufruf zum Dialog zwischen der Ukraine und Russland dürfte eher die Position Moskaus stützen, wonach Kiew Zugeständnisse machen soll.

Weitere Spannungen drohen im Taiwan-Konflikt. Peking pocht auf sein Recht, die demokratische Inselrepublik „notfalls“ gewaltsam mit Festlandchina zu vereinigen. US-Präsident Joe Biden hat für diesen Fall eine militärische Intervention seines Landes angedroht.

Kampf um den „globalen Süden“

In München war der Westen praktisch unter sich. Vertreter Russlands und des Irans waren nicht eingeladen. In verschiedenen Reden klang an: Das Narrativ des Westens im Ukraine-Krieg – Kampf der Freiheit gegen Diktatur – ziehe in vielen Teilen der Welt nicht. Für etliche Länder in Lateinamerika, Afrika und Asien geht es weniger um die Aufrechterhaltung der internationalen Ordnung. Sie leiden unter hohen Energie- und Lebensmittelpreisen infolge des Krieges. Das Motto des „globalen Südens“: Der Krieg sollte möglichst schnell beendet werden. Der Westen hat seine Erzählung zu lange als Selbstläufer wahrgenommen. Er muss künftig verstärkt um die Länder des Südens werben und ihnen wirtschaftliche und politische Angebote machen. China ist in diesen Ländern seit vielen Jahren aktiv – und hat einen Vorsprung.

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