Mannheim. Der Parlamentarische Staatssekretär im Bildungsministerium, Jens Brandenburg (FDP), lehnt auch den neuen Vorschlag über eine Impfpflicht ab 50 ab. Am Donnerstag stimmt der Bundestag über die Entwürfe ab.
Herr Brandenburg, tragen Sie in Innenräumen weiter freiwillig eine Maske oder nehmen Sie sich die Freiheit, keine zu tragen?
Jens Brandenburg: In schlecht belüfteten Innenräumen mit vielen Menschen auf engem Raum werde ich weiterhin eine Maske tragen.
In meinem Umfeld stecken sich immer mehr Menschen mit Corona an, und deren Symptome sind nicht immer harmlos. Dennoch sind seit Sonntag die meisten Corona-Regeln gefallen, weil Ihre Partei das so haben will. Ist das nicht fahrlässig?
Brandenburg: Nein. Wir gehen jetzt in Deutschland den Weg, den die meisten EU-Partnerstaaten längst eingeschlagen haben: also in Richtung mehr Normalität.
Das heißt mehr Durchseuchung?
Brandenburg: Nein, wir alle müssen aber mehr Eigenverantwortung im Alltag übernehmen. Strikte Vorgaben des Staates sind nicht mehr nötig, weil trotz hoher Inzidenzen der Anteil schwerer Verläufe recht niedrig ist. Das Gesundheitssystem ist stabil. Uns ist aber wichtig, dass die vulnerablen Gruppen in den Alten- und Pflegeheimen zusätzlich geschützt werden. Der Staat lässt also nicht alles einfach laufen. Klar ist: Verbote müssen verhältnismäßig sein. Deshalb haben wir die meisten Maßnahmen nicht mehr verlängert. Außerdem kann sich jeder selbst impfen lassen. Dem Selbstschutz der Menschen kommt also eine hohe Bedeutung zu.
Jens Brandenburg
- Der FDP-Politiker Jens Brandenburg wurde am 8. März 1986 in Simmerath (Nordeifel) geboren.
- Brandenburg studierte an der Universität Mannheim Politikwissenschaft und Volkswirtschaftslehre. Nach der Promotion war er für eine internationale Unternehmensberatung tätig.
- Brandenburg sitzt seit 2017 im Bundestag (Wahlkreis Rhein-Neckar).
- Er wohnt mit seinem Lebenspartner in Walldorf.
Sie wissen aber schon, dass nur knapp 59 Prozent in Deutschland geboostert sind?
Brandenburg: Ich werbe dafür, dass sich mehr Bürgerinnen und Bürger impfen lassen. Jede Impfung hilft.
Warum lehnen Sie eine Impfpflicht ab 18 Jahren ab?
Brandenburg: Weil das in meinen Augen unverhältnismäßig wäre. Die Verläufe bei sehr jungen Erwachsenen sind nicht nur bei der aktuellen Omikron-Variante sehr milde. Die Erfahrungen in Österreich . . .
. . . dort wurde die allgemeine Impfpflicht wieder kassiert . . .
Brandenburg: . . . zeigen, dass die Impfpflicht nicht der Heilige Gral ist, der alle Probleme löst. Es gibt nicht nur rechtliche Bedenken. Es stellt sich auch die Frage, wie der Staat eine Impfpflicht überhaupt umsetzen kann. Ich sehe jedenfalls keine Chancen für eine allgemeine Impfpflicht ab 18 im Bundestag. Ob sich eine Zwischenlösung durchsetzen wird, ist schwer zu sagen.
Ihr Kollege Andrew Ullmann schlägt die Vorbereitung einer möglichen Impfpflicht ab 50 vor. Jetzt will die Ampel, weil sie keine Mehrheit im Parlament hat, offensichtlich auf diesen Vorschlag eingehen, sie hat ihren Antrag abgeändert. Was halten Sie davon?
Brandenburg: Das ist kein Ampelvorschlag, die Fraktionsbindung ist ja aufgehoben. Das neue Kompromissangebot einer sofortigen Impfpflicht ab 50, das übrigens auch Andrew Ullmann ablehnt, halte ich für überzogen. Auch einige Virologen raten inzwischen davon ab. Ausbauen sollten wir die Beratungsangebote, um noch Unentschlossene zu erreichen.
Das höre ich jetzt schon seit einem Jahr, dass man die Impfmuffel mit Argumenten überzeugen kann. Glauben Sie das wirklich?
Brandenburg: Ein kleiner Teil der Ungeimpften ist erreichbar. Aber es gibt natürlich auch viele Menschen, die sich massiv gegen eine Impfung wehren. Ich glaube nicht, dass man einen aufgebrachten Corona-Leugner mit einem Bußgeld dazu überreden kann, sich impfen zu lassen.
Ist es Ihnen wirklich wohl dabei, dass die Maskenpflicht auch an den Schulen entfallen ist?
Brandenburg: Die Schulen waren in der Pandemie kein besonderen Infektionsherde.
Ich kenne aber viele Eltern, die sich angesteckt haben.
Brandenburg: Das mag sein. Mit regelmäßigen Corona-Tests an den Schulen ist es aber gelungen, Infektionsketten früh zu durchbrechen. Das belegen zahlreiche Studien.
Begrüßen Sie es, dass die Quarantänepflicht ab 1. Mai nur noch freiwillig sein soll? Darauf haben sich ja die Gesundheitsminister geeinigt?
Brandenburg: Das ist ein weiterer Schritt Richtung Normalität. Wichtig ist mir, dass vulnerable Gruppen weiter geschützt sind. Für Beschäftigte in Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen gilt die Pflicht weiterhin.
Sehen Sie da keine Risiken?
Brandenburg: An die dringende Empfehlung, sich fünf Tage zu isolieren, werden sich die meisten halten. Aber sie können dann doch einmal eine Runde im Freien drehen. Die Gesundheitsämter kamen schon bisher nicht mit der Kontrolle hinterher. Es ist gut, wenn sich die Behörden stärker um den Schutz der Vulnerablen kümmern können.
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