USA - Einblicke in Hillary Clintons Kampagne / Viele Amerikaner können sich nur schwer eine Frau als Präsidentin vorstellen

Wahlkampf auf Sitzkissen

Von 
Andrea Römmele
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Die Mannheimer Politologin Andrea Römmele in der New Yorker Wahlkampfzentrale - die Botschaft lautet: "Wir sind Hillary für Amerika . . . Freiwillige".

© Römmele

Washington. Die vergangene Woche habe ich in der Wahlkampfzentrale von Hillary Clinton (Demokraten) verbracht. Es ist wenig verwunderlich, dass die Campaign Headquarters - also die Wahlkampfzentrale - in New York sind: Der Big Apple ist (mittlerweile) die Heimatstadt der Clintons und auch die Stadt, die Hillary Clinton zur Senatorin gewählt hat. Allerdings überrascht, dass die Wahlkampfzentrale nicht im urbanen, schicken Manhattan, sondern im jungen, dynamischen und aufstrebenden Stadtteil Brooklyn liegt - auf Mannheimer Verhältnisse heruntergebrochen: nicht in der Oststadt, sondern im Jungbusch.

Schreibtische werden überschätzt

In einem unauffälligen Bürogebäude hat das Clinton-Team ein Stockwerk gemietet: Im elften Stock am Cadman Plaza tummeln sich 300 Kampagnenmacher in einem einzigen Großraumbüro. Die Atmosphäre: dynamisch, freundlich - und lässig. Der ganze Rahmen erinnert eher an ein Start-up im Sillicon Valley. Durchschnittsalter der Mitarbeiter: 25. Neben kleinen Schreibtischen liegen überall auf dem Boden verteilt große Sitzkissen, auf denen zwei bis drei Mitarbeiter "fläzen" können. Mein erstes Fazit: Schreibtische werden überschätzt.

Das Augenmerk der Kampagne liegt momentan sowohl auf dem Herausforderer in der eigenen Partei, Bernie Sanders, als auch auf dem lauten, populistischen, mittlerweile kaum mehr aufzuhaltenden Kandidaten der Republikaner, Donald Trump. Hillary Clinton hofft, am kommenden Dienstag die nächste Vorwahl in Wisconsin für sich zu entscheiden, doch das Rennen ist offen.

Frischer Wind mit 74 Jahren

Sollte Sanders hier wirklich gewinnen, hat er das Momentum auf seiner Seite, und Clinton wird in ihren Attacken ihm gegenüber härter auftreten müssen. Das vermeidet sie gerade - denn letzten Endes möchte sie ja auch die Sanders-Wähler für sich gewinnen. Und das sind vor allem die sogenannten Millennials: hier findet Sanders seine große Unterstützung, hier kommt Clinton gar nicht an. Das ist die Generation, die Politik nur aus Soundbites kennt, kurzen Sätzen, 140 Zeichen auf Twitter, einem kurzen Kommentar auf Facebook - das ist die Art der Kommunikation. Und hier überzeugt Sanders mit seiner "Revolution" deutlich mehr als Clinton mit ihren inhaltlich aufgeladenen Ausführungen. Außerdem strafen viele Wähler das "Establishment" ab, wollen frischen Wind - genau das bietet Sanders. Auch im Alter von 74 Jahren! Ein besonders faszinierender Aspekt der Kampagne ist die Organisation der Freiwilligen. Jeden Tag kommen zwischen 60 und 100 New Yorker für ein bis zwei Stunden in die Zentrale, um bei registrierten Demokraten anzurufen und diese von Hillary Clinton zu überzeugen. Momentan werden die Demokraten in Wisconsin durchtelefoniert - ich selbst habe auch einige dieser Telefonate geführt.

Diese Gespräche waren interessant und sehr lehrreich. Viele haben eine gewisse Zurückhaltung gegenüber der Kandidatin - "Wir können ihr nicht trauen", hört man hier und da.

USA nicht immer vor Deutschland

Auch ihre persönlichen Krisen und Affären werden ihr vorgehalten. Und manche haben nach wie vor Schwierigkeiten, sich eine Frau als Präsidentin vorzustellen. Barbara aus Wisconsin, mit der ich länger telefonierte, sagte mir: "Weißt du, Politik ist Männersache." Rachel, eine andere engagierte Dame, meinte am Telefon: "Sie tritt einfach zu hart auf."

Da lobe ich mir doch good old Germany und Angela! Die USA sind uns nicht in allem voraus.

Andrea Römmele

Unsere Autorin Andrea Römmele (49), Mannheimerin, Politikprofessorin und Direktorin an der Hertie School of Governance in Berlin, erlebt das Ringen um den Einzug ins Weiße Haus hautnah in den USA mit: Sie unterstützt die Demokratin Hillary Clinton und deren Wahlkampfteam.

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