Das Wichtigste in Kürze
- Die SPD und Olaf Scholz stagnieren laut Umfrage der Mannheimer Forschungsgruppe Wahlen.
- Friedrich Merz liegt bei den Kanzlerpräferenzen vor Scholz und Habeck.
- Eine Koalition aus CDU/CSU und SPD wird von den Deutschen bevorzugt.
Mannheim. Geschichte wiederholt sich nicht. Diese bittere Erkenntnis zeichnet sich für die Sozialdemokraten eine Woche vor der Bundestagswahl ab. Vor drei Jahren lag Olaf Scholz als Kanzlerkandidat mit seiner SPD weit hinten, startete aber eine atemberaubende Aufholjagd. Am Ende belegte die Scholz-Partei bei der Bundestagswahl sogar knapp vor der Union den ersten Platz. Der Hanseat zog unverhofft ins Kanzleramt ein. Dieser glorreiche Sieg hat bei dem ohnehin nicht an mangelndem Selbstbewusstsein leidenden Regierungschef aber eine Art von Hybris ausgelöst. Dass er das Kunststück wiederholen würde - daran lässt Olaf Scholz allen Widrigkeiten zum Trotz keine Zweifel. Scholz verströmt die Gewissheit, dass er es wieder packen kann. Sein Auftreten erinnert an 1998, als Helmut Kohl bis zum letzten Tag sicher war, dass er das Steuer noch herumreißen könnte.
Der Kanzler kann keine Aufbruchstimmung erzeugen
Kohl wollte damals nicht einsehen, dass Wolfgang Schäuble vielleicht mehr Chancen gehabt hätte und Scholz konnte jetzt seine Sozialdemokraten davon überzeugen, dass es überhaupt kein Problem ist, wenn man auf den populärsten Politiker Deutschlands als Zugpferd verzichtet. Natürlich weiß niemand, wie Verteidigungsminister Boris Pistorius sich als Kanzlerkandidat geschlagen hätte, aber schlimmer hätte es wohl auch nicht laufen können.
Dass Scholz bisher das Ruder nicht herumreißen konnte, verblüfft Andrea Wolf von der Mannheimer Forschungsgruppe Wahlen jedenfalls nicht. „2021 gab es drei Kanzlerkandidaten, die Angela Merkel beerben wollten. Scholz war für viele offensichtlich das geringere Übel, weil Annalena Baerbock nicht überzeugen konnte und Armin Laschet im eigenen Lager kaputtgemacht wurde. In den Wahlkampf musste Olaf Scholz mit der Hypothek einer gescheiterten Ampel-Koalition gehen und konnte keine Aufbruchstimmung erzeugen“, sagt Wolf. Als Kanzler, so die Wahlforscherin, musste sich der Hanseat ständig den Vorwurf gefallen lassen, dass er seine Richtlinienkompetenz zu selten eingesetzt und die Menschen nicht mitgenommen habe.
Aber auch als Kanzlerkandidat gibt der Amtsinhaber keine gute Figur ab. Vor die Wahl gestellt, wen sie am liebsten als Kanzler hätten, landet Scholz mit 17 Prozent abgeschlagen auf dem dritten Platz, nur knapp vor Alice Weidel (AfD/14 Prozent). Mit einem recht großen Vorsprung liegt Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz vorn. Er kommt auf 33 Prozent, Robert Habeck landet als Zweiter bei 24 Prozent. Interessant ist, dass Merz beim Sachverstand mit 27 Prozent recht klar vor Scholz (21) und Habeck (14) liegt - letzterer übrigens nur hauchdünn vor Weidel (13). Habeck führt dagegen bei den Profileigenschaften Sympathie (38) und Glaubwürdigkeit (25) vor der Konkurrenz. Merz (12/17), Scholz (12/14) und Weidel (14/14) können ihm da nicht das Wasser reichen.
Wenn aus der K-Frage mit vier Kandidaten ein Duell zwischen Olaf Scholz und Friedrich Merz wird, verliert der Unionskanzlerkandidat seinen Vorteil und liegt mit 46 Prozent nur noch knapp vor dem Kanzler (45). Größer ist der Vorteil für Merz mit 51 Prozent beim Zweikampf mit Habeck (40).
„Weitaus wichtiger als die Person im höchsten Regierungsamt ist für die Deutschen aber die nächste Koalition“, sagt die Wahlforscherin. 79 Prozent der Befragten sehen das so. „Auch in den früheren Bundestagswahlen war den Bürgerinnen und Bürgern die Koalition bedeutsamer, die personelle Komponente hatte aber deutlich mehr Gewicht als jetzt“, erklärt Wolf. Warum ist das so? „Das liegt an der damals sehr großen Zugkraft Angela Merkels und einer im Vergleich zu heute sehr viel höheren Bedeutung des Kandidatenfaktors speziell im Unionslager.“
Die Deutschen wünschen sich Schwarz-Rot
Mit Schwarz-Rot als Regierungsbündnis könnten sich die Befragten eher anfreunden, als mit Schwarz-Grün. 60 Prozent favorisieren eine Koalition aus CDU/CSU und SPD. Weniger als ein Drittel wünscht sich ein Bündnis der Union mit den Grünen. Drei Viertel der Deutschen glauben, dass die Union eher die Sozialdemokraten ins Boot holen würde, wenn die CDU/CSU die freie Auswahl hätte.
Ob es allerdings für ein Zweierbündnis langen wird, steht noch gar nicht fest. Wenn sich an der Grundtendenz seit dem Bruch der Ampel-Koalition wenig geändert hat, bleibt es am Wahnsonntag deshalb extrem spannend. Denn die Linke, die praktisch schon politisch tot war, hat ein formidables Comeback hingelegt und könnte jetzt sogar ohne die angepeilten drei Direktmandate erneut in den Bundestag einziehen. Eng wird es dagegen für die FDP und das BSW. Sollte es neben der Linke einer der zwei Parteien doch schaffen, wäre die Mehrheit für Schwarz-Rot futsch, und es müsste ein dritter Partner her.
AfD ist gegenwärtig doppelt so stark wie 2021
Wie viel Bewegung noch drin ist, lässt sich aber kaum abschätzen. Bisher sind die Lager ziemlich starr, daran hat sich auch nach dem TV-Duell zwischen Olaf Scholz und Friedrich Merz wenig geändert. Ob die AfD aus dem jüngsten Anschlag in München zusätzliches Kapital schlagen kann, muss sich noch zeigen. Sollte sich die Umfrage der Forschungsgruppe am Wahltag bestätigen, würde die rechtsextreme Partei mit 20 Prozent doppelt so stark wie vor drei Jahren abschneiden. Die Union kreidet dies der Ampel an, allerdings stellt sich auch die Frage, inwieweit das auch mit ihr nach Hause gehen würde. Sein Versprechen, die AfD zu halbieren, hat Friedrich Merz jedenfalls nicht eingehalten. Ebenso wenig wie sein Versprechen, mit der Weidel-Partei keine gemeinsame Sache bei Abstimmungen im Bundestag zu machen.
Kalt lässt die Bundestagswahl die Deutschen jedenfalls nicht, es spricht vieles für eine hohe Wahlbeteiligung. „87 Prozent der Wahlberechtigten, und damit deutlich mehr als in vergleichbaren Zeitfenstern vor vergangenen Abstimmungen, interessieren sich stark oder sehr stark für die Bundestagswahl“, sagt Wolf.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Friedrich Merz macht einen großen strategischen Fehler