Berlin. Im vergangenen Jahr trat Taylor Swift in der Gelsenkirchener „Arena AufSchalke“ auf. Wer der Sängerin aus dem US-Bundesstaat Pennsylvania zujubeln und einen Stehplatz ergattern wollte, brauchte nicht nur Glück und Geduld. Man musste auch sehr viel Geld ausgeben. Die teuersten Stehplätze kosteten 240 Euro.
Wer weder Geduld noch Glück hatte, musste noch mehr Geld bezahlen, denn auf dem sogenannten Ticket-Zweitmarkt sind mitunter schwarze Schafe unterwegs, die die Leidenschaft der Fans gnadenlos ausnutzen. Der Zweitmarkt hat zwei Facetten: Die eine sind die Fans, die beispielsweise erkranken und ihre Karte privat weiterverkaufen wollen. Die andere sind gewerblich auftretende Käufer, die Tickets vom Veranstalter erwerben und mit Aufschlag weiterverkaufen. Oft beträgt der aber ein Vielfaches des ursprünglichen Preises.
In den Koalitionsverhandlungen waren sich Union und SPD bei diesem Thema schnell einig
Das stört auch die künftige schwarz-rote Koalition. Allen voran Johannes Fechner. Der SPD-Rechtsexperte, der in der vergangenen Legislaturperiode parlamentarischer Geschäftsführer und Justiziar der SPD-Fraktion gewesen ist, hat in den Koalitionsverhandlungen besonders Druck bei diesem Thema aufgebaut. „Sport- und Musikfans dürfen nicht länger abgezockt werden!“, sagte Fechner dieser Redaktion. Es sei ein Ding der Unmöglichkeit, dass Events schnell ausverkauft sind und online Tickets für horrende Preise angeboten werden.
Fechner ist überzeugt: Sport- und Musikevents müssen für alle Fans bezahlbar sein. Das sieht auch die Union so. Der CDU-Abgeordnete Günter Krings sagt: „Der bestehende Missbrauch durch anonyme, gewerblich agierende Anbieter, die Eintrittskarten mit teils extremen Preisaufschlägen weiterverkaufen, stellt ein ernsthaftes Problem dar.“ In den Koalitionsverhandlungen waren sich Union und SPD bei diesem Thema schnell einig.
Aufschlag von bis zu 1600 Prozent auf den Originalpreis
Dem Geschäftsführer des Veranstalterverbandes BDKV, Johannes Everke, zufolge werden auf dem Ticket-Zweitmarkt jährlich weltweit rund zwölf Milliarden Euro umgesetzt. Die schwarzen Schafe der Branche schlagen ihm zufolge teilweise bis zu 1600 Prozent auf den Originalpreis auf. Und er sieht noch ein weiteres Problem: Ticketbetrug.
Rund 30 Prozent der Fans sind Everke zufolge bereits damit in Berührung gekommen. Ticketbetrug heiße schlimmstenfalls, „dass man viel Geld für ein Ticket ausgegeben hat, aber am Einlass nicht hineinkommt, weil sich das Ticket als Fälschung erweist oder mehrfach verkauft wurde“. Das Vertrauen der Fans ginge folglich verloren, sie seien frustriert. Als Verband freue man sich deshalb, dass die Koalition nun etwas in Sachen Ticket-Zweitmarkt tun wolle.
Aber wie stellen es sich Fechner, Krings und die Koalition vor, da einen Riegel vorzuschieben? Im Koalitionsvertrag haben sich Union und SPD auf Preisobergrenzen, Transparenzverpflichtungen über Preis und Verkäufer sowie das Meldesystem als Maßnahmen geeinigt. Unionsmitglied Krings ergänzt, dass „Sanktionen bei sittenwidrigem Weiterverkauf oberhalb gewisser Preisobergrenzen“ möglich seien.
Diese Ansätze schützen die Fans aber nicht vor enorm hohen Ticketpreisen, die nicht die Weiterkäufer, sondern mitunter die Event-Veranstalter selbst verlangen. Das hängt auch mit einer umstrittenen Praktik zusammen: dynamische Preisgestaltung. Bedeutet: Je stärker ein Event nachgefragt wird, umso teurer wird das Ticket. Und so kommen teils exorbitante Preise zusammen, die auch Fechner missfallen. Hier solle zusätzlich geprüft werden, inwieweit man schon beim Ticketverkauf durch den Veranstalter die Preise begrenzen kann, ohne in Konflikt mit der Vertragsfreiheit zu geraten.
Der Veranstalterverband freut sich
Eine Idee hat Fechner bereits: „Wenn Städte Eigentümer von Veranstaltungshallen sind, sollten sie mit dem Pächter vereinbaren, dass in diesen Konzerthallen keine Konzerte mit dynamischer Preisgestaltung stattfinden dürfen.“ Fraglich allerdings, ob zum einen solche Events in städtischen Hallen stattfinden und zum anderen Veranstalter sich dann nicht andere Spielstätten suchen würden.
Der Veranstalterverband freut sich über die Maßnahmenpläne der Koalition. Ganz so euphorisch ist der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) hingegen nicht. Onlinekäufe von Tickets auf dem Zweitmarkt seien immer wieder Gründe für Verbraucherbeschwerden, sagt Felix Methmann, Leiter Team Recht und Handel im vzbv. „Es ist daher richtig, dass sich die künftige Bundesregierung in dem Bereich für mehr Verbraucherschutz einsetzen will.“
Man müsse zwischen privatem und gewerblichem Zweitmarkt unterscheiden. Die Möglichkeit zum privaten Weiterverkauf müsse aufrechterhalten werden. Die Verbraucherschützer bedauern zugleich, dass nicht über ein Verbot des gewerbsmäßigen Ticket-Zweitmarktes nachgedacht wird. Dies sei jedoch nicht nur rechtlich schwierig, sondern auch praktisch, ist sich CDU-Mann Krings sicher. Er hat dabei internationale Anbieter im Blick. Die Bedenken der Verbraucherzentrale nehme man aber ernst.
Auch die Künstler hätten ein Interesse daran, dass Ordnung und Fairness in den Ticket-Zweitmarkt kommen, sagt Veranstalter-Vertreter Everke. So gehe zum Beispiel der britische Musikstar Ed Sheeran energisch voran, „indem er den Ticketverkauf stark kontrollieren lässt“. Letztendlich, und da ist sich Everke sicher, „ziehen überzogene Preise auf dem Zweitmarkt den Fans das Geld aus der Tasche, und davon profitiert nur der Schwarzhändler“.
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/politik_artikel,-politik-teure-zweitmarkt-tickets-sport-und-musikfans-duerfen-nicht-abgezockt-werden-_arid,2301378.html