Weltwirtschaft

Diese deutschen Branchen trifft es besonders

Die Welt steht mit den US-Zöllen an der Schwelle zu einem Handelskrieg. Hunderttausende Jobs bei uns könnten verloren gehen

Von 
Beate Kranz
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Die USA sind für den Maschinenbau der größte Markt. © dpa

Berlin. Donald Trump hat mit seinen Zöllen eine neue Ära im Welthandel eingeleitet. Für den US-Präsidenten ist es der „Day of Liberation“ (Befreiungstag). Der Rest der Welt steht dagegen vor massiven Handelsschranken, deren Folgen noch nicht absehbar sind. Für Importe aus EU-Staaten wird künftig ein Zoll von 20 Prozent fällig, für Importautos aus allen Ländern sogar 25 Prozent. Für deutsche Unternehmen haben die Auflagen schwerwiegende Konsequenzen für ihre Exporte und Wettbewerbsfähigkeit.

Denn der Erfolg der deutschen Wirtschaft fußt maßgeblich auf dem Außenhandel. Die USA waren 2024 für Deutschland erstmals seit 2015 wieder mit 252,8 Milliarden Euro der wichtigste Handelspartner vor China. Deutschland exportierte in die USA für 161,4 Milliarden Euro Waren, und importierte Produkte aus den USA für 91,4 Milliarden Euro. Diese Branchen sind von den Zöllen besonders betroffen:

Autoindustrie und Zulieferer

Mit den Zöllen auf Autos trifft Trump den wichtigsten Industriezweig Deutschlands: die Autohersteller und ihre Zulieferer. Ab sofort gelten auf Autoimporte in die USA Strafzölle von zusätzlich 25 Prozent. Dies gilt auch für Autoteile. Bislang lag der Einfuhrzoll in die USA bei 2,5 Prozent. Umgekehrt verlangen die EU-Staaten 10 Prozent auf US-Autoimporte.

Die höheren Einfuhrzölle treffen vor allem die amerikanischen Verbraucher. Experten schätzen, dass Import-Autos im Schnitt um 5.000 bis 10.000 US-Dollar teurer werden, im Luxusbereich sogar um 50.000 Dollar und mehr. Die höheren Preise dürften viele US-Kunden abschrecken, der deutsche Fahrzeugabsatz sinken. 2024 ging fast jedes achte deutsche Exportauto in die USA – insgesamt 450.000. Aus den USA wurden 136.000 Autos nach Deutschland exportiert – die meisten davon waren europäische Fahrzeuge, die in einer Fabrik in den USA produziert wurden.

Die großen Autobauer Mercedes, VW, BMW haben längst eigene Werke in den USA, wo sie 2024 rund 900.000 Autos für die ganze Welt produzierten, so der Verband der Deutschen Autoindustrie (VDA).

Auch wichtige Zulieferer wie Continental, Bosch, Mahle, Schaeffler oder ZF haben Standorte in den USA mit 138.000 Mitarbeitern. Besonders hart wird es für Porsche. Das Unternehmen hat kein eigenes Werk in den USA, verkauft dort aber fast jeden dritten seiner Neuwagen. Selbst deutsche Autobauer in den USA können die neuen Zölle nicht umgehen. Denn sie müssen künftig auch für ihre importierten Autoteile hohe Zölle bezahlen.

Die Zölle markieren einen fundamentalen handelspolitischen Einschnitt, sagt Hildegard Müller, Präsidentin des Verbands der Automobilindustrie (VDA). „Wenn die Zölle langfristig bleiben, werden deutsche Autobauer ihre Produktion weiter in die USA verlagern. Damit fallen weitere Arbeitsplätze in Deutschland weg“, so der Direktor des CAR – Center Automotive Research, Ferdinand Dudenhöffer. Heute arbeiteten noch rund 780.000 Menschen in der deutschen Automobilindustrie, bald könnten es schon nur noch 500.000 sein.

Maschinenbau

Im Maschinenbau arbeiten in Deutschland rund 1,02 Millionen Beschäftigte in mehr als 5000 Betrieben, darunter viele Mittelständler. Produziert werden technische Komponenten für die Fertigung bis hin zu kompletten Industrieanlagen. „Rund 60 Prozent unserer Mitglieder haben in einer Umfrage bestätigt, dass sie sehr stark oder stark von den US-Strafzöllen betroffen sind. Die genauen Auswirkungen auf den Maschinen- und Anlagenbau sind derzeit nicht abschätzbar“, sagt der Präsident vom Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA), Bertram Kawlath.

Die Unternehmen exportierten 2024 Maschinen und Anlagen im Wert von 27,4 Milliarden Euro in die USA – gut 13 Prozent der gesamten deutschen Branchenausfuhren. Die USA sind für den Maschinen- und Anlagenbau der größte Exportmarkt und Investitionsstandort außerhalb der EU. Aktuell herrscht große Unsicherheit, was die Zölle für die laufenden Verträge und die Produkte, die gerade noch per Schiff Richtung USA unterwegs sind, bedeutet. Wer zahlt den Zoll für ankommende Waren, die Lieferanten oder die Kunden? Hierauf gibt es auch im Verband bislang keine Antwort.

Pharmaindustrie

Die Medikamentenhersteller haben von Trump, der selbst Aspirin einnimmt, eine Schonfrist bekommen. So werden „Pharmaceuticals“ – also Medikamente – von den pauschalen Zöllen ausgenommen, wie der Verband forschender Arzneimittelhersteller (VFA) in einer Fußnote des Zollerlasses entdeckt hat. Medizinprodukte wie Herzschrittmacher würden dagegen mit Zöllen belegt. Es sei aber nicht ausgeschlossen, dass Zölle auf Pharmazeutika in einer weiteren Runde kommen könnten, sagte VFA-Chefvolkswirt Claus Michelsen.

Die USA sind für die rund 670 deutschen Pharmaunternehmen der größte Absatzmarkt im Ausland. Ob Bayer, Boehringer Ingelheim oder kleine Hersteller – ein Viertel ihrer Exporte gehen in die Vereinigten Staaten für 26,3 Milliarden Euro. „Für die pharmazeutische Industrie wären die Auswirkungen von US-Zöllen gravierend. Die USA sind neben der Europäischen Union ein sehr wichtiger Markt für uns“, sagt der Vorsitzende des Bundesverbands Pharmazeutische Industrie (BPI), Oliver Kirst. Für die Pharmaindustrie sind Zölle bislang kein Thema. Weltweit liegen sie im Durchschnitt bei null bis zwei Prozent.

Der Apothekenverband befürchtet, dass sich US-Zölle auch auf die Medikamentenversorgung in Deutschland negativ auswirken könnten. „Für die deutsche und europäische Pharmaindustrie sind die USA ein wichtiger Absatzmarkt. Wenn der durch erhöhte Zölle behindert wird, kann das dazu führen, dass die Produktion in Deutschland durch mangelnde Wirtschaftlichkeit eingeschränkt wird“, sagte der Präsident der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA), Thomas Preis, dieser Redaktion.

Chemieindustrie

Die Chemieindustrie lieferte 2024 Erzeugnisse im Wert von 10,2 Milliarden Euro in die Vereinigten Staaten, ein Anteil von fast 8 Prozent von allen deutschen Exporten. Die USA sind damit der wichtigste Handelspartner außerhalb der EU, nach den Niederlanden und Frankreich. Die deutsche Chemie ist laut Verband der Chemischen Industrie (VCI) bereits stark in den USA vertreten. Deutsche Firmen haben laut Bundesbank in den USA 128 Tochterunternehmen mit 53.000 Beschäftigten, die dort einen Umsatz von 65 Milliarden Euro erwirtschaften. Der tatsächliche Wert dürfte aber darüber liegen.

Der Verband der Chemischen Industrie (VCI) bedauert die Entscheidung der US-Regierung, sagte VCI-Hauptgeschäftsführer Wolfgang Große Entrup. „Jetzt gilt es für alle Beteiligten, einen kühlen Kopf zu bewahren. Eine Eskalationsspirale würde den Schaden nur vergrößern.“ Der Vorsitzende der Chemiegewerkschaft IG BCE, Michael Vassiliadis, ist überzeugt: „Diese handelspolitische Geisterfahrt wird weltweit massive Schäden anrichten – und am Ende die USA selbst hart treffen.“ Die Konsequenz müsse heißen: „Europa muss gezielt Lücken in seinen industriellen Wertschöpfungsketten schließen und massiv in die Wachstumsbranchen der Zukunft investieren.“

Das Volkswagen-Stammwerk in Wolfsburg: Auf Autobauer wie VW kommen schwere Zeiten zu. pA/dpa © picture alliance/dpa
Mit niedrigen Steuern lockt Trump Firmen in die USA. pA © picture alliance / Rupert Oberhäuser
Medikamente sind von den pauschalen Zöllen ausgenommen. dpa © picture alliance/dpa

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