Politbarometer

Soll Sahra Wagenknecht BSW in Ostdeutschland mitregieren?

Die Mehrheit der Deutschen befürwortet Bündnisse der CDU mit der neuen Partei, damit die AfD in Sachsen, Thüringen und Brandenburg nicht an die Macht kommen kann. Das aktuelle Politbarometer der Mannheimer Forschungsgruppe Wahlen

Von 
Walter Serif
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Politiker unternehmen gerne rhetorische Ausflüge in die Fußballwelt. So auch Kanzler Olaf Scholz (SPD) am Mittwoch bei seiner Regierungserklärung im Parlament. Vor der Europameisterschaft hätten ja - so der Fußball-Experte - viele Zweifel an der deutschen Elf gehabt, dann habe das Team aber allen Bedenkenträgern bewiesen, dass mit ihr zu rechnen sei.

Leider ist die Scholzsche Analogie nicht stimmig. Bundestrainer Julian Nagelsmann hat in der Tat mit seinen unbequemen Entscheidungen eine Mannschaft geformt, die seinen Matchplan umsetzt. Bei Bundeskanzler Olaf Scholz gibt es aber weder unbequeme Entscheidungen noch einen Matchplan, mit dem das Ampel-Team den politischen Gegner bezwingen könnte. Deshalb schneiden die Koalitionsregierung und ihr Kanzler auch im aktuellen Politbarometer der Mannheimer Forschungsgruppe Wahlen sehr schlecht ab. Zwei Drittel der Befragten sind unzufrieden.

Mehrheit befürwortet Gespräche der CDU mit dem BSW

„Dass sich an diesem für die Koalition desaströsen Befund etwas ändert, ist unwahrscheinlich. Das mangelnde Zutrauen der Wählerinen und Wähler in die Bundesregierung ist fast schon zementiert. Die schwierigen Verhandlungen über den Bundeshaushalt dürften auch nicht gerade für positive Schlagzeilen sorgen“, sagt Matthias Jung von der Forschungsgruppe. Und dann stehen in diesem Jahr ja auch noch drei Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg an. „Es ist kaum zu erwarten, dass da Ergebnisse herauskommen, von denen die Ampel bundespolitisch zehren kann. Das ist die logische Folge des Erstarkens der AfD“, sagt Jung.

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Walter Serif
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Damit stellt sich natürlich auch die Frage, wie es die CDU mit Sahra Wagenknechts BSW hält. Wenn die Christdemokraten verhindern wollen, dass die AfD an die Regierung kommt, müsste sie mit dem BSW kooperieren, möglicherweise sogar koalieren. „Den Versuch des CDU-Bundesvorsitzenden Friedrich Merz wie schon bei der AfD auch eine Brandmauer zum BSW einzuziehen, haben die Parteiverbände im Osten ja abgeblockt“, sagt Jung. Er kann sich vorstellen, dass sich bei der CDU der Pragmatismus durchsetzt. „Am Schluss stellt sich ja immer auch die Machtfrage“, so der Mannheimer Wahlforscher.

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Eine Zusammenarbeit mit dem BSW dürfte der CDU nach seiner Ansicht leichter fallen, weil Wagenknechts Partei nicht so links wie die Linke und nicht so rechts wie die AfD ist. Auch die Befragten haben da keine Bauchschmerzen. 72 Prozent sehen in der AfD eine Gefahr für die Demokratie. Deshalb würde es die Mehrheit (53 Prozent) begrüßen, wenn die CDU nach den Landtagswahlen Gespräche mit dem BSW über Regierungsbildungen aufnehmen würde. Bei den Ostdeutschen sind es sogar 63 Prozent. In der Anhängerschaft der Union ist das Meinungsbild allerdings gespalten. 48 Prozent fänden Gespräche gut, 46 Prozent lehnen sie ab. Im BSW-Lager gibt es dagegen mit 95 Prozent so gut wie keinen Widerspruch.

Die Deutschen lehnen Sozialkürzungen ab

Zurück zur Bundespolitik. Genau die Hälfte der Befragten glaubt nicht, dass sich die Regierungskoalition aus SPD, Grünen und FDP in den nächsten Wochen in den Haushaltsverhandlungen einigen kann. Gleichwohl erwarten zwei Drittel der Deutschen, dass die Regierung hält. Warum zeigt der Blick auf die aktuelle Umfrage: Wenn schon am Sonntag Bundestagswahl wäre, käme das Ampel-Trio zusammen auf lächerliche 31 Prozent - das schafft die Union allein. Außerdem würde die FDP dann auch noch wie schon 2013 aus dem Bundestag fliegen. Die Befragten glauben also an ein Schrecken ohne Ende statt an Neuwahlen.

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Die Koalitionäre fechten ihren Streit um den Haushalt auch deshalb mit harten Bandagen aus, weil die FDP an der Schuldenbremse festhält und deshalb die Haushaltslöcher mit Kürzungen im Sozialbereich stopfen will. Das lehnt aber die SPD ab. Beide Parteien können sich mit ihren jeweiligen Positionen auf das Meinungsbild in der Bevölkerung berufen. 56 Prozent lehnen eine Lockerung der Schuldenbremse ab, 49 Prozent sehen in den Folgekosten des russischen Angriffskriegs keine außergewöhnliche Notsituation, die ja ein Aussetzen der Schuldenbremse erlauben würde. 71 Prozent der Deutschen wollen auch keine Kürzungen im Sozialetat. Wer dem Volk also aufs Maul schaut, kommt auch zu keiner Einigung.

Beim Thema Flüchtlinge dreht sich allmählich der Wind

Nicht nur die Messerattacke in Mannheim hat zu Diskussionen darüber geführt, ob Deutschland die geltenden Regelungen in der Flüchtlingspolitik verschärfen soll. Das Meinungsbild ist hier völlig klar. 70 Prozent würden das befürworten. Aber auch die mehr als eine Million Flüchtlinge aus der Ukraine, die seit Beginn des russischen Angriffskrieg nach Deutschland gekommen sind, können nicht mehr auf die uneingeschränkte Solidarität der Deutschen zählen. Mittlerweile meinen 42 Prozent der Bundesbürger, dass für die Kriegsflüchtlinge zu viel getan wird, darunter 39 Prozent im Westen aber 56 Prozent im Osten sowie besonders viele Anhänger der AfD (84) und des BSW (67). Bei der Frage, ob die Ukraine in den nächsten Jahren Mitglied in der Europäischen Union werden soll, ist das Votum der Bevölkerung nicht eindeutig, nachdem jetzt die Beitrittsverhandlungen der EU-Kommission mit Brüssel mit Kiew offiziell gestartet sind. 48 Prozent wollen, dass die Ukraine in die EU aufgenommen wird, 42 Prozent lehnen dies dagegen aktuell ab.

Redaktion Reporter für Politik und Wirtschaft

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