Medizin - Volle Wartezimmer in Krankenhäusern belasten ärztliche Versorgung / Vorsitzender der Kassenärztlichen Bundesvereinigung schlägt Gebühr vor

Soll der Notaufnahmen-Besuch Geld kosten?

Von 
Martin Geiger und Hasan-Hüseyin Kadioglu
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Zurzeit ist eine Gebühr für die Notaufnahme im Gespräch. © dpa

Kliniken kritisieren, dass Patienten in die Ambulanzen kommen, die kein Notfall sind und vom Hausarzt behandelt werden könnten. Der Vorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Andreas Gassen, bringt eine Gebühr ins Spiel. Einer seiner Kollegen schlägt 50 Euro vor. Was spricht dafür, was dagegen?

Pro 

Von unserem Redaktionsmitglied Martin Geiger

Halt, stopp, nein, ganz ruhig: Es geht nicht darum, dass jeder Patient in der Notaufnahme 50 Euro zahlen muss. Es geht darum, dass die Menschen eine Gebühr bezahlen sollen, die unnötig in die Notaufnahme kommen; die also die Feuerwehr anrufen, obwohl es gar nicht brennt, sondern ein Falschparker ihre Einfahrt versperrt; die die Polizei alarmieren, nicht weil sie überfallen worden sind, sondern weil der Hund der Nachbarin schon wieder im Vorgarten sein Geschäft verrichtet hat; also um die Menschen, die das Gesundheitssystem ausnutzen und es damit belasten – auf Kosten derer, die wirklich mit schwerwiegenden gesundheitlichen Problemen Hilfe in einer Klinik suchen.

Und leider gibt es heutzutage ziemlich viele solcher Schlaumeier. Wenn Ärzte und ihre Vertreter davon sprechen, dass 90 Prozent aller „Notfälle“ keine sind, dass sie oftmals Husten und Heiserkeit behandeln, dann ist es Zeit zum Eingreifen. Auch wenn dabei natürlich der Grundsatz gelten muss: im Zweifel für den Patienten, also gegen die Gebühr. Eine abschreckende Wirkung würde die „Strafzahlung“ dennoch entfalten. Weil sie all jene abhalten könnte, die nur in die Klinik kommen, weil sie sich nicht an Sprechzeiten halten wollen oder hoffen, sich so nervige Warterei zu ersparen.

Ein anderes Problem darf die Diskussion aber nicht verdecken: Viel zu oft wissen die Menschen schlicht nicht, wohin sie bei Beschwerden außerhalb der Sprechzeiten gehen sollen. Das System ist zu kompliziert, weshalb sich viele „im Notfall“ ans Krankenhaus wenden. Hier müssen die niedergelassenen Ärzte und ihre Vertreter dringend aufklären, statt sich zu beschweren.

Kontra

Von unserem Redaktionsmitglied Hasan-Hüseyin Kadioglu

Welch Schnapsidee! Wie stellt man sich das vor? Soll jemand, der wegen großer Schmerzen in die Notaufnahme gekommen ist, erst einmal zur Kasse gebeten werden, bevor ihm die Gnade eines Arztbesuchs erwiesen wird? Das ist doch absurd.

Zur Begründung heißt es, dass der Großteil der Patienten in einer Notaufnahme nicht dorthin gehöre. Eine Gebühr soll also verhindern, dass sich Menschen mit weniger ernsten Beschwerden in die Notaufnahme begeben.

Anstatt aber an den Symptomen herumzudoktern, sollte die Politik das medizinische System an sich verbessern. Patienten gehen nicht ins Krankenhaus, weil es dort gemütlicher als beim Hausarzt ist. Im Gegenteil, man trifft dort auf volle Wartezimmer mit ungeduldigen Patienten und oft gehetzten Behandlungen – wegen einer Petitesse tut sich das keiner freiwillig an. Es ist Usus, dass Patienten in den Kliniken nach Dringlichkeit behandelt werden. Je weniger lebensbedrohlich der Zustand bei der Anmeldung an der Notaufnahme erscheint, desto länger muss man warten.

Das eigentliche Problem ist aber, dass viele Patienten Schwierigkeiten haben, ihre Beschwerden der richtigen Adresse zuzuordnen. Ab wann gehe ich in die Notaufnahme oder rufe gar einen Krankenwagen? Und wozu gibt es den Bereitschaftsdienst? Nicht jeder blickt da durch. Jetzt soll der Arzt eine Strafgebühr verhängen, wenn er die Beschwerden eines Patienten als „nicht ernst“ einstuft. Ist das wirklich notwendig? Nein, was viel dringender ist, sind mündige Patienten. Dafür muss es leicht verfügbare Informationen – übrigens auch in Fremdsprachen – über das Gesundheitswesen geben

Redaktion Reporter für das Ressort "Mannheim".

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