Mannheim. Frau Brantner, Sie wollen am Wochenende Ricarda Lang als Grünen-Parteichefin nachfolgen. Was macht Sie so sicher, dass Sie den Job besser können?
Franziska Branter: Es geht hier doch nicht darum, ob ich besser arbeite als Ricarda Lang. Ricarda Lang und Omid Nouripour haben einen Neustart für die Partei möglich gemacht. Und Sie wollen jetzt bestimmt wissen, ob ich in dieses Amt hineinpasse . . .
. . . genau . . .
Brantner: . . . Sie kennen mich ja schon seit vielen Jahren und wissen, dass ich nah bei den Leuten vor Ort und auch eine Schafferin bin, die die Hindernisse für die Menschen aus dem Weg räumt und liefert. Da muss man hart verhandeln und auch sagen: So lösen wir jetzt das Problem. Ich habe einen klaren Kompass und laufe nicht jeden Tag nach dem Motto mal hü, mal hott durchs Land.
Sie agieren als Parlamentarische Staatssekretärin im Wirtschaftsministerium eher im Hintergrund. Als Parteichefin werden Sie im Rampenlicht stehen. Ricarda Lang wurde im Netz verspottet, angepöbelt und auch angefeindet. Macht Ihnen das nicht Angst?
Brantner: Angst habe ich keine, denn das passiert mir schon jetzt ständig und es wird bestimmt nicht besser. Deshalb werde ich mich natürlich nicht einschüchtern lassen. Die Angriffe vor allem gegen Frauen im Netz zeigen aber, wie wichtig es für unsere Gesellschaft ist, dass wir wieder ein friedliches Zusammenleben organisieren können. Das liegt mir sehr am Herzen. Man muss doch anständig und respektvoll miteinander umgehen können. Wir müssen wieder miteinander sprechen, wie wir das schon als Kinder gelernt haben.
Klar leben wir in verrückten Zeiten, die einen zur Verzweiflung bringen können, aber in diesem Land steckt so viel.
Was ist denn jetzt die Hauptaufgabe der Grünen?
Brantner: Weiter daran arbeiten, dieses Land voranzubringen: Klar leben wir in verrückten Zeiten, die einen zur Verzweiflung bringen können, aber in diesem Land steckt so viel, und wenn wir Hürden für gute Ideen und Innovationen abbauen, das Land schneller digitalisieren und das Leben bezahlbar machen, dann schaffen wir es auch wieder an die Spitze.
Klingt das nicht ein bisschen nach dem Pfeifen im dunklen Keller?
Brantner: Nein, überhaupt nicht. Deutschland ist ein wohlhabendes Land, reich an klugen Köpfen, innovativen Unternehmen, Menschen, die anpacken und füreinander einstehen. Wir können es schaffen, dass die Züge pünktlich fahren, die Mieten bezahlbar sind, die Kita offen und die Schule sauber und gut ausgestattet ist. Dafür müssen wir mehr investieren und beschleunigen und dazu müssen alle in Deutschland ihren Beitrag leisten. Voraussetzung für all das ist natürlich unsere Sicherheit.
Das wissen wir ja alle, seit Putin 2022 die Ukraine überfallen hat.
Brantner: Das stimmt, ich habe Ihnen auch schon vor Jahren Interviews gegeben, in denen ich deutlich gemacht habe, dass wir Europäer für unsere eigene Sicherheit sorgen müssen. Das hat damals keinen so wirklich interessiert. Wenn wir es in Europa jetzt nicht begreifen, dass wir da mehr gemeinsam machen müssen, dann frage ich mich: Was muss denn sonst noch passieren.
Wollen Sie, dass Deutschland Schutz unter Frankreichs Atomschirm sucht?
Brantner: Meine Reaktion auf eine solche Debatte wäre natürlich eine andere: wenn dann braucht es nicht nur eine Antwort für Deutschland, sondern auch zum Beispiel die Polen brauchen den Schutz wie die anderen Europäer.
Europa muss zwar den Dialog mit Trump suchen, aber auch widerstandsfähiger als in der Vergangenheit sein.
Die Zeiten sind auch deswegen so herausfordernd, weil Donald Trump die Wahl gewonnen hat. Anders als bei Trumps Sieg 2016 sind die Reaktionen der politischen Entscheidungsträger diesmal diplomatischer ausgefallen. Auch Olaf Scholz hat kein böses Wort über Trump fallen lassen. Finden Sie das gut?
Brantner: Ich bin immer dafür, dass man die Dinge so benennt, wie sie sind, ohne jemanden zu brüskieren. Klar ist aber, dass Donald Trump für unsere europäische Sicherheit ein Risiko ist. Da muss man den Tatsachen in die Augen schauen und kann sich die Lage nicht schön reden. Angst ist bei diesen Gesprächen allerdings ein schlechter Ratgeber. Ich bin sehr froh, dass wir auf europäischer Ebene noch ein Gesetz auf den Weg gebracht haben, das uns handlungsfähiger macht, wenn Trump wieder mit Sanktionen kommt.
Aha.
Brantner: Ende 2023 ist das neue EU-Instrument zum Schutz vor wirtschaftlichen Zwangsmaßnahmen durch Drittländer in Kraft getreten. Das klingt ein wenig sperrig, aber da ist Musik drin. Wir haben damit eine Basis, wie wir Europäer auf Sanktionen etwa von Trump reagieren könnten. Wir müssten dann nicht aus Angst bitten und betteln, die EU könnte ihm dann sagen: Wenn du das wirklich machst, werden wir entsprechend reagieren. Europa muss zwar den Dialog mit Trump suchen, aber auch widerstandsfähiger als in der Vergangenheit sein.
Robert Habeck hat bewiesen, dass er Probleme angehen, Krisen meistern und aus Fehlern lernen kann.
Die Grünen werden ja mit Robert Habeck in den Wahlkampf ziehen. Ist das wirklich so clever? Der Wirtschaftsminister ist bei den Wählerinnen und Wählern wegen seines Heizungsgesetzes nicht gerade besonders beliebt.
Brantner: Robert Habeck hat bewiesen, dass er Probleme angehen, Krisen meistern und aus Fehlern lernen kann. Das finde ich in diesen Zeiten sehr wichtig. Habeck hat durch seinen harten Einsatz die Inflation bekämpft. Sie erinnern sich: Die Energiepreise waren der größte Treiber. Habeck hat durch seinen Einsatz für schnelle LNG-Terminals die Versorgung Deutschlands mit bezahlbarem Gas sichergestellt. Ich bin da mit Blick auf die Neuwahl zuversichtlich.
Wenn der Bundespräsident zustimmt, wird am 23. Februar 2025 gewählt. Haben Sie ein Problem mit dem Wahltermin?
Brantner: Nein, ich bin froh, dass das Hickhack über den Termin zwischen zwei Egos vorbei ist. Das hat mich in den vergangenen Tagen irritiert, weil das Verhalten von Olaf Scholz und Friedrich Merz angesichts der Herausforderung, vor der wir jetzt alle stehen, unangemessen war. Auch fand ich es nicht richtig, die Bundeswahlleiterin so anzugreifen. Man sollte als Demokraten nicht die eigenen Institutionen schlecht reden.
Franziska Brantner steigt bei den Grünen auf
- Normalerweise agiert Franziska Brantner (45) eher im Hintergrund. Aber am Mittwoch konnte jeder die Parlamentarische Wirtschaftsstaatssekretärin im TV während der Regierungserklärung des Bundeskanzlers auf der Regierungsbank sehen – Minister Robert Habeck musste wegen einer Flugzeugpanne passen.
- Die Bundestagsabgeordnete aus Heidelberg kandidiert am Wochenende beim Grünen-Parteitag in Wiesbaden für den Vorsitz. Brantner gilt als enge Vertraute von Habeck, der ja als Kanzlerkandidat für die Grünen in den Bundestagswahlkampf ziehen will. Derzeit liegen die Grünen in den Umfragen bei zwölf Prozent. was
Glauben Sie, dass sich die Minderheitsregierung aus SPD und Grünen noch über einige Gesetze bis zur Auflösung des Bundestags einigen wird?
Brantner: Es geht im Bundestag um demokratische Mehrheiten für Entscheidungen, die unserem Land helfen, zum Beispiel steuerliche Entlastungen für die Bürgerinnen und Bürger und die Unternehmen, weiter der Ukraine helfen, oder die Finanzierung des Deutschlandtickets. Wir wollen auch dafür sorgen, dass das Bundesverfassungsgericht nicht von antidemokratischen Kräften ausgehebelt werden kann, das ist übrigens bereits mit der Union geeint. Auch für die Themen Wasserstoff und neue Gaskraftwerke gibt es Gesetzesvorhaben, deren Durchsetzung auch im Interesse der CDU und CSU sein müsste.
Noch ein Wort zu Christian Lindner. Ist der entlassene Finanzminister der Alleinschuldige für das Ampel-Aus?
Brantner: Also, den Gefallen tue ich ihm jetzt nicht. Aber dass an dem Tag, an dem Trump die US-Wahl haushoch gewinnt und klar ist, dass wir Europäer vor einer Bewährungsprobe stehen, Christian Lindner nicht über seinen ideologischen Schatten springen kann, zeugt durchaus von mangelndem Verantwortungswillen. Aber klar ist auch: Die letzten Jahre waren nicht einfach und Klartext des Kanzlers wäre vielleicht auch früher hilfreich gewesen.
Die Union gibt sich schon siegesgewiss. Und CSU-Chef Markus Söder erzählt überall, mit wem die Union nicht koalieren will: Nicht mit den Grünen, nicht mit der FDP und nur mit der SPD, wenn Olaf Scholz nicht mehr an Bord ist.
Brantner: Wenn man Söders Worte ernst nehmen könnte, hieße dies, dass die Union am Ende bei Sahra Wagenknecht und Hubert Aiwanger landet. Es ist doch die große Aufgabe aller Demokraten, miteinander im Gespräch zu bleiben. Da kann man nicht wie ein bockiges Kind sagen: Mit dem spiele ich aber nicht. Man sollte aus den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen lernen, die gezeigt haben, dass es nirgendwo hinführt, wenn demokratische Kräfte wie die Bündnisgrünen verteufelt werden.
Gegenwärtig liegen die Grünen im Politbarometer der Forschungsgruppe Wahlen nur bei zwölf Prozent. Wo wollen Sie denn bei der Neuwahl landen?
Brantner: Bei einem möglichst starken Ergebnis.
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