Berlin. Am Donnerstagmorgen um Viertel nach neun standen die Fahnder vor dem Bundesfinanzministerium in Berlin. Ein weiteres Ermittlerteam war zeitgleich rund sechs Kilometer entfernt im Bundesjustizministerium im Einsatz. Insgesamt durchsuchten vier Beamte und sechs Mitarbeiter der Staatsanwaltschaft Osnabrück und der Zentralen Kriminalinspektion Osnabrück die Räume.
Grund für die Razzien: Eine Spezialeinheit des Zolls, die dem Bundesfinanzministerium unterstellt ist, soll der Polizei Hinweise auf Geldwäsche vorenthalten haben. Als Erstes hatte der „Spiegel“ über die Razzien berichtet. Im Visier haben die Fahnder dabei die sogenannte Financial Intelligence Unit (FIU). Diese war im Sommer 2017 auf Betreiben des damaligen Bundesfinanzministers Wolfgang Schäuble (CDU) ans Finanzministerium angedockt worden, nachdem sie zuvor beim Bundeskriminalamt angesiedelt war, um besser Jagd auf Geldwäscher machen zu können. Doch ausgerechnet die FIU soll einen Verdachtsfall nicht ordnungsgemäß an die Strafverfolgungsbehörden weitergeleitet haben.
Konkret geht es wohl um die Verdachtsmeldung einer Bank an die FIU im Juni 2018 über Geldflüsse nach Afrika im Umfang von rund 1,7 Millionen Euro. Zielland war nach Informationen dieser Redaktion unter anderem Nigeria; das Geld soll durch eine Vielzahl von Überweisungen transferiert worden sein. Die Bank vermutete, dass die Zahlungen für den Waffen- und Drogenhandel sowie Terroraktivitäten bestimmt waren. Weil die FIU diese Informationen angeblich nicht rechtzeitig weitergab, konnten die Zahlungen anscheinend nicht mehr gestoppt werden.
„Das Bundesministerium der Finanzen unterstützt die Behörden selbstverständlich voll und ganz“, teilte das Ministerium mit. Der zugrundeliegende Verdacht richte sich „ausdrücklich nicht gegen Beschäftigte“ des Ministeriums. Auch eine Sprecherin des Bundesjustizministeriums von Christine Lambrecht (SPD) erklärte, ihr Haus kooperiere „im vollsten Umfang“ mit den Ermittlern. Sie wies ebenfalls darauf hin, dass sich der Verdacht nicht gegen Beschäftigte ihres Ministeriums richte.
Aus dem Bundesjustizministerium hieß es, es handele sich um einen „bemerkenswerten Vorgang“. Es sei „völlig unverständlich und unverhältnismäßig“, dass die Staatsanwaltschaft Osnabrück „öffentlichkeitswirksam eine Durchsuchung durchgeführt“ habe. Man hätte die gewünschten Unterlagen „selbstverständlich auf schriftliche Anforderung“ herausgegeben. Eine solche Anforderung habe es nie gegeben.
Die Generalzolldirektion wollte sich unter Verweis auf die laufenden Ermittlungen nicht äußern. Seit 2020 ermittelt die Staatsanwaltschaft Osnabrück in dieser Angelegenheit. Bereits im Juli 2020 gab es eine Durchsuchung in der Kölner FIU-Zentrale. Dabei sicherten die Ermittler mehr als 100 000 E-Mails – darunter auch jede Menge Schriftverkehr zwischen den Geldwäschejägern der FIU und den beiden von den Razzien betroffenen Bundesministerien.
Die Durchsuchungen am Donnerstag hätten zum Ziel gehabt, „den Straftatverdacht und insbesondere individuelle Verantwortlichkeiten weiter aufzuklären“, teilte die Staatsanwaltschaft Osnabrück mit. Zudem gehe man der Frage nach, weshalb die Zahl der Verdachtsmeldungen seit der Übernahme der Geldwäschekontrolle durch die FIU drastisch zurückgegangen sei. Eigentlich sollte die Razzia schon vor Tagen stattfinden, doch wegen des Bahnstreiks konnten die Fahnder nicht anreisen.
In SPD-Kreisen sorgt für Irritationen, dass der Leiter der im aktuellen Fall zuständigen Staatsanwaltschaft Osnabrück, Bernard Südbeck, ein aktives Mitglied der CDU ist (er war unter anderem Ratsherr in Cloppenburg).
Die Opposition fordert unterdessen Aufklärung. „Der Verdacht Strafvereitelung im Amt ist ein sehr schwerwiegender Vorgang, gerade wenn es mutmaßlich um Terrorfinanzierung geht“, sagte die innenpolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, Irene Mihalic. Scholz müsse zu diesen Vorgängen in seinem Haus umfassend Stellung beziehen und erklären, wie er an der Aufklärung mitwirken wolle. „Schließlich geht es um die Integrität der Geldwäschebekämpfung und der dafür zuständigen Strukturen in unserem Land.“
Die FDP verlangt eine Reform der Geldwäschebekämpfung. „Die Durchsuchungen zeigten die großen Defizite in diesem Bereich“, sagte FDP-Generalsekretär Volker Wissing: „Die Probleme bei Personal, Ausstattung, aber auch der teilweise fehlenden Fachkompetenz in diesem Bereich sind seit Langem bekannt und sie zeigen leider auch die geringe Bedeutung, die sowohl die CDU als auch die SPD der Bekämpfung von Geldwäsche beimessen.“ Nötig seien „moderne, mit angemessener Informationstechnik ausgestattete Institutionen“.
Die Auswertung der Durchsuchungen vom Donnerstag kann nach Angaben der Staatsanwaltschaft Wochen dauern.
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