EU-Parlament

Neue Schutzvorschriften: Europas Wälder sollen es richten

Bäume, Wiesen und Moore dienen als natürliche Kohlenstoffsenken und helfen dem Klimaschutz. Die EU will, dass das so bleibt und hat neue Vorschriften beschlossen, die Böden und Bäume als CO2-Speicher stärker schützen sollen

Von 
Katrin Pribyl
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Europas Wälder entziehen der Atmosphäre viel Kohlendioxid. © dpa

Straßburg. Wie schafft es Europa, CO2-Emissionen aus der Atmosphäre zu binden und damit den Klimawandel einzuschränken? Der Fokus des EU-Parlaments richtet sich insbesondere auf die Wälder Europas. Immerhin bedecken sie mehr als ein Drittel der Flächen in der Union, Bäume entziehen der Atmosphäre klimaschädliches Kohlendioxid und lagern es in den Stämmen und im Boden. Die Forste, Wiesen und Moore sollen es also richten als natürliche Kohlenstoffsenken. Am Dienstag stimmte eine überwältigende Mehrheit des EU-Parlaments für neue Vorschriften.

Mit Hilfe natürlicher Speicher wie Böden und Bäumen sollen bis zum Jahr 2030 mindestens 310 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent gebunden werden. Das ist deutlich mehr als jene 215 Millionen Tonnen, die zurzeit erreicht werden. Auch für Deutschland würde der Anteil angehoben. So müssten die Böden in der Bundesrepublik in den nächsten sieben Jahren rund 31 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent aufnehmen, das entspricht zehn Prozent der Gesamtreduktion und sechs Millionen Tonnen mehr, als sich die alte Bundesregierung einst vornahm.

Da der Einfluss von einzelnen Treibhausgasen wie Kohlendioxid, Methan oder Lachgas auf das Klima variiert, wird als Maßeinheit zur Vereinheitlichung der Klimawirkung das CO2-Äquivalent genutzt. Die in der LULUCF-Verordnung – die Abkürzung steht für „Land Use, Land Use Change and Forestry“ (,,Landnutzung, Landnutzungsänderungen und Forstwirtschaft“) – festgeschriebenen Ziele gelten als wichtiger Beitrag dazu, dass die EU bis 2050 klimaneutral wird.

Ursprünglich hatte die Kommission in ihrem Klimapaket „Fit for 55“ angekündigt, die Emissionen der Union bis 2030 um 55 Prozent im Vergleich zu 1990 senken zu wollen. Mit den neuen Vorgaben wird der Plan de facto auf 57 Prozent erhöht.

Das Ziel übererfüllt

„Die EU übererfüllt ihr Klimaziel“, lobte der CDU-Europaparlamentarier Peter Liese. ,,Unser Ziel ist es, eine Balance bei der aktiven Nutzung von Wäldern zu schaffen“, meinte der EU-Abgeordnete Norbert Lins (CDU). Als „Weckruf“ bezeichnete die EU-Abgeordnete Anna Deparnay-Grunenberg (Grüne) die Verordnung. „Sie zwingt die Mitgliedstaaten, endlich ihre Wälder zu retten.“ Doch die Ziele seien nur erreichbar, „wenn Europa seine Forstwirtschaften konsequent auf den Klimaschutz umstellt“, sagte die Forstwissenschaftlerin.

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Tatsächlich sah die Lage in den vergangenen Jahren weniger gut aus. So ist die Senkenfunktion in der EU zwischen 2013 und 2019 um ein Fünftel zurückgegangen. Insbesondere Naturkatastrophen wie schwere Dürren oder Brände, aber auch Abholzung und der Borkenkäfer haben dazu beigetragen, dass der Wald zunehmend weniger Treibhausgase bindet. Kritikern zufolge kommen die Folgen der Brüsseler Politik beim Thema Biomasse hinzu. So rechnet die Union das Waldholz im Rahmen der EU-Richtlinie über erneuerbare Energien als kohlenstofffreien Brennstoff an, weil es nachwächst. Das heißt, es gibt Milliarden Euro an Subventionen dafür, dass Holz aus Europas Wäldern in Verbrennungsöfen landet, etwa von Heizkraftwerken. Das dürfte sich auch in naher Zukunft nicht ändern.

Gegen Plantagenwirtschaft

Beobachter warnen davor, dass der wichtige Verbündete im Kampf gegen die Klimakrise zu einer Quelle wird. „Wenn wir so weitermachen, werden in noch mehr Ländern die Wälder sogar zu CO2-Emittenten, wie es bereits in Estland geschehen ist“, sagte die Grünen-Politikerin Deparnay-Grunenberg. So gleiche in weiten Teilen der baltischen Staaten, Skandinaviens und Frankreichs Forstwirtschaft zunehmend einer Plantagenwirtschaft. Es sei „verheerend“, dass dort alle 70 bis 80 Jahre alles abrasiert werde.

„Nach so einem Kahlschlag ist nicht nur der Wald weg, sondern auch der Boden tot, samt allem, was drin lebte“, warnte Deparnay-Grunenberg. Die EU-Abgeordnete betonte, dass man „eine nachhaltigere, klimaangepasste und naturnahe Form von Bewirtschaftung“ erreichen müsse.

Korrespondent

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