Städtetag - Der Leipziger Oberbürgermeister Burkhard Jung über das Gelingen der Einheit – und wo es Schwierigkeiten gibt

Längst auf Augenhöhe

Von 
Peter W. Ragge
Lesedauer: 
Burkhard Jung (SPD), Oberbürgermeister der Stadt Leipzig und neuer Präsident des Städtetages. © Caroline Seidel

Er selbst ist das beste Beispiel: Burkhard Jung (Bild), seit 2006 Oberbürgermeister von Leipzig, führt seit 2019 als Präsident den Deutschen Städtetag. Damit vertritt er rund 3400 Städte und Gemeinden mit fast 53 Millionen Einwohnern. Dass ihr oberster Repräsentant mal aus einer ostdeutschen Kommune kommt, hätte man sich vor 30 Jahren nicht träumen lassen.

Inzwischen sei man aber „absolut auf Augenhöhe“, versichert ausdrücklich der Westfale, der seit 1991 im Osten lebt.

Starke Polarisierung

Hat also die Einheit dort, wo die politische Basisarbeit geleistet wird, funktioniert? Jung gibt darauf eine sehr differenzierte Antwort.

Seine Sprecherrolle für alle Städte sei „absolut akzeptiert, wir haben da ein sehr gutes Miteinander“. Bei der Frage der Altschulden der Kommunen etwa hätte sich der Städtetag „mit großer Einmütigkeit“ hinter die Forderung gestellt, dass Bund und Länder helfen müssen, „obwohl wir im Osten das Problem nicht haben.“

Auch die Verwaltungen funktionierten längst so gut wie im Westen „Absolut, ja“, bekräftigt der Oberbürgermeister. Da sie ab dem Jahr 1990 völlig neu aufgebaut werden mussten, seien sie sogar „sehr effizient und schlank“ und folgten neuesten Standards. Und überall hätten sich „wunderschöne Städte entwickelt, mit schmucken Rathäusern, schönen Marktplätzen und vielen Altstadtensembles, die wirklich Freude machen“. Die vor 30 Jahren spürbare Tristesse sei verschwunden, versichert Sozialdemokrat Jung. „Auf den zweiten Blick“ indes macht er Einschränkungen. Es gebe weiter „sehr große Unterschiede in der Wirtschaftskraft“, weil etwa kein einziger Dax-Konzern in einer ostdeutschen Stadt ansässig sei. Bei Löhnen und Arbeitszeiten bleibe eine Ungleichbehandlung. Dazu komme eine „starke politische Polarisierung, stärker als im Westen“, bedauert Jung: „Es haben immer noch viele Menschen das Gefühl, nicht mitgenommen worden zu sein, obwohl wir auf unglaubliche Erfolge stolz sein können – aber sie fühlen sich abgehängt“, meint der Oberbürgermeister. Das führe dazu, dass „emotional, im persönlich-psychologischen Bereich“ die Einheit teilweise weniger vollzogen sei als in Politik und Verwaltung.

Andererseits wollte er damit keinem Ost-West-Gegensatz das Wort reden, so der Städtetagspräsident. „Es gibt ja auch zwischen Nord und Süd emotionale Unterschiede, ein Hamburger fühlt deutlich anders als ein Bayer, und diese Unterschiede akzeptiert man ja auch“, so Burkhard Jung.

Redaktion Chefreporter

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen