Berlin. Selbst als geschäftsführende Bundeskanzlerin bleibt Angela Merkel im Modus der Krisenmanagerin. Es geht derzeit kaum anders. Die Pandemie schlägt wieder voll durch, mit täglich neuen Rekord-Werten und einer eindringlichen Warnung des Robert-Koch-Instituts (RKI) vor bis zu 400 neuen Covid-Toten täglich. Zugleich trifft das Virus auf ein Land mit unklarer politischer Führung: Merkel und ihr Kabinett sind nur noch auf Abruf im Amt. Die Ampel-Partner SPD, Grüne und FDP sind hingegen noch nicht an der Regierung, sitzen aber mit am Tisch.
Zudem sehen jene Länder, in denen die Union regiert, derzeit die Gelegenheit gekommen, den Ampel-Partnern im Bund das Leben schwerzumachen – zuletzt besonders Hendrik Wüst (CDU), Ministerpräsident in Nordrhein-Westfalen. Er hatte mit einer Blockade des neuen Infektionsschutzgesetzes der Ampel im Bundesrat gedroht – weil die Maßnahmen zu schwach seien. Dazu wird es jetzt wohl nicht kommen: Olaf Scholz (SPD) sagte als vermutlich nächster Kanzler den unionsgeführten Ländern zu, dass die neuen Regeln bei der nächsten Bund-Länder-Runde am 9. Dezember überprüft und geändert werden könnten.
In dieser unübersichtlichen politischen Gemengelage haben sich Bund und Länder am Donnerstag bei ihren Krisen-Beratungen auf Maßnahmen geeinigt, um nicht die Kontrolle über die Pandemie zu verlieren. „Bei der jetzigen Dynamik laufen wir in eine sehr, sehr schwierige Situation hinein“, sagte Merkel nach den Gesprächen. Scholz betonte, es sei „wichtig, dass wir uns jetzt unterhaken und gemeinsam handeln“. Zentrale Punkte der Bund-Länder-Beschlüsse sind eine Impfpflicht für das Personal in Kliniken und Pflegeeinrichtungen, Einschränkungen für Ungeimpfte im öffentlichen Raum ab einer bestimmten Krankenhausbelegung sowie mehr Tempo beim Impfen.
Booster und Impfpflicht
Bund und Länder wollen das Impftempo erhöhen – bei den Erstimpfungen, vor allem aber auch bei den Booster-Impfungen für alle Menschen, deren Impfung zwischen fünf und sechs Monaten zurückliegt. „Das sind noch 27 Millionen bis zum Jahresende“, sagte Merkel. Um das zu schaffen, würden auch Technisches Hilfswerk und Katastrophenschutz eingebunden. Es sollen zunächst alle über 60-Jährigen gezielt angeschrieben werden.
Intensiv diskutiert wurde auch über eine Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen zum Schutz besonders gefährdeter Menschen: Die unionsgeführten Länder brachten die Forderung nach einer Pflicht für Angehörige von Heil- und Pflegeberufen und alle Mitarbeiter in Krankenhäusern, Alten- und Pflegeheimen sowie Behinderteneinrichtungen ins Spiel. Die SPD-Länder stimmten zu, der Bund werde sich jetzt um eine Regelung bemühen, so Merkel.
2G, 2Gplus und 3G
Ungeimpften drohen bundesweit strenge Regeln: So sollen nur noch Geimpfte oder Genesene (2G) Zutritt etwa zu Freizeit-, Kultur- und Sportveranstaltungen, Gastronomie sowie zu körpernahen Dienstleistungen und Beherbergungen haben. Die Maßnahmen sollen dann greifen – falls nicht bereits geschehen –, wenn die landesweite Hospitalisierungsrate den Schwellenwert 3 überschreitet. Das ist die Zahl der in Kliniken aufgenommenen Corona-Patienten je 100 000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen. Wird der Schwellenwert an fünf Tagen in Folge unterschritten, kann laut der Vorlage von den 2G-Regelungen wieder abgesehen werden. Die Einhaltung der Zugangsregelungen werde „konsequent und noch intensiver als bisher kontrolliert“. Die Länder würden deshalb den Bußgeldrahmen ausschöpfen, die Kontrolldichte erhöhen und Verstöße entschieden sanktionieren. Ausnahmen von der 2G-Regel sind für Kinder und Jugendliche unter 18 möglich.
Wenn die für das jeweilige Land ausgewiesene Hospitalisierungsrate den Schwellenwert 6 überschreitet, soll die sogenannte 2Gplus-Regel gelten. An Orten mit besonders hohem Infektionsrisiko – etwa Diskotheken, Clubs oder Bars – sollen Geimpfte und Genesene demnach zusätzlich einen aktuellen Corona-Test vorzeigen müssen.
Spätestens bei Überschreiten des Schwellenwerts von 9 sollen die Länder von weitergehenden Beschränkungen Gebrauch machen. Nach einem entsprechenden Landtagsbeschluss sollen auch härtere Maßnahmen wie Kontaktbeschränkungen oder Einschränkungen und Verbote von Veranstaltungen verhängen können. Das RKI veröffentlicht den Hospitalisierungsindex in seinen täglichen Corona-Berichten. Laut der Ausgabe vom Donnerstag liegt der Wert bundesweitaktuell bei 5,30.
Am Arbeitsplatz und im öffentlichen Personenverkehr soll zudem 3G gelten.
Pflegebonus in Aussicht
Sämtliche Beschäftigte und Besucher in Heimen müssen täglich eine aktuelle Testbescheinigung vorweisen. Bund und Länder wollen zudem erneut einen Pflegebonus zahlen, um den besonderen Einsatz des Personals in der aktuellen Pandemielage zu würdigen. Die Summe ist noch offen. Der Sozialverband VdK forderte die Ausweitung des neuen Corona-Pflegebonus‘ auch auf die häusliche Pflege. Jene, die ihre Angehörigen zu Hause pflegen, seien schon in den vorangegangenen Corona-Wellen immer vergessen worden und würden es gerade wieder, wie VdK-Präsidentin Verena Bentele dieser Redaktion sagte.
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/politik_artikel,-politik-laender-wollen-eine-impfpflicht-_arid,1881062.html