Corona

Infizierte dürfen in immer mehr Ländern zur Arbeit

Während Europa von einer Sommer-Welle überrollt wird, hebt ein Land nach dem anderen die Isolationspflicht trotz Ausbreitung des Coronavirus auf

Von 
Stefan Schocher
Lesedauer: 
Passanten in Paris. Die französische Regierung schafft die Quarantäne für Infizierte ab. © Kamil Zihnioglu/AP/dpa

Immer mehr Länder in Europa beenden die Isolationspflicht für Corona-Infizierte. England schaffte sie schon im Februar ab. Auch in Norwegen, in Dänemark, in der Schweiz und in Spanien dürfen positiv Getestete schon länger wieder unter Menschen.

Während Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) an der Isolationspflicht in Deutschland festhält, öffnen ab Montag nun auch Österreich und Frankreich für Infizierte wieder alle Türen. Was sich ändert, was nicht - und welche Erfahrung Spanien mit der Abschaffung der Isolationspflicht gemacht hat: ein Überblick.

Österreich

Mehr zum Thema

Pandemie

Sollte die Isolationspflicht für Infizierte entfallen?

Veröffentlicht
Von
Julia Emmrich
Mehr erfahren

Die Sieben-Tage-Inzidenz liegt bei um die 800, die Zahlen sinken langsam wieder - oder auch nicht. So genau lässt sich das nicht sagen, es wird kaum noch getestet. Zwei Jahre hat die österreichische Regierung mit vielen Regelungen und Vorschriften alles versucht, um das Coronavirus einzudämmen, sogar die Impfpflicht wurde eingeführt. Und jetzt? Maskenpflicht gilt nur noch in Krankenhäusern und Gesundheitseinrichtungen sowie in Wien im öffentlichen Verkehr; auch die Impfpflicht wurde abgeschafft, ohne dass sie je umgesetzt worden war. Und jetzt wird zum 1. August auch die Isolationspflicht für Infizierte aufgehoben.

Positiv getestet ins Büro? Kein Problem. Doch Österreich wäre nicht Österreich, wenn nun alles einfach und durchschaubar wäre. Denn ab dem 1. August gelten „Verkehrsbeschränkungen“. Danach darf eine infizierte Person zwar in ein Wirtshaus - darf dort aber nicht konsumieren und muss einen Mund-Nasen-Schutz tragen. Infiziert darf man auch ins Schwimmbad - dort aber kein Eis schlecken. Das Betreten von Krankenhäusern ist untersagt. Außer man arbeitet dort. Infiziertes Klinikpersonal muss bei der Arbeit eine FFP2-Maske tragen.

Wer positiv getestet ist, wird ab August nur noch dann krankgeschrieben, wenn er Symptome hat. Wer keine Symptome hat, muss arbeiten gehen, am Arbeitsort aber eine Maske tragen. So also auch beispielsweise ein Kellner, der dann gesunde Gäste bedient. Bleibt nur eine letzte Barriere: Die wissentliche Gefährdung anderer durch eine übertragbare Krankheit bleibt ein Strafdelikt.

Frankreich

Die französische Nationalversammlung hat ein Gesetz verabschiedet, das ab dem 1. August alle der Corona-Pandemie geschuldeten Einschränkungen abschafft. Allein die Möglichkeit, im Bedarfsfall wieder obligatorische Corona-Tests an den Landesgrenzen zu verfügen, bleibt bestehen. Tatsache ist, dass in Frankreich die meisten Einschränkungen längst einkassiert wurden. Das gilt selbst für die Maskenpflicht in den öffentlichen Verkehrsmitteln, auch wenn die Regierung den Bürgern das Maskentragen empfiehlt. Übrig geblieben war allein die Isolationspflicht im Infektionsfall, die nun ebenfalls außer Kraft gesetzt wird.

Links des Rheins scheint man entschlossen, Corona einfach zu ignorieren, obwohl das Virus weiter zirkuliert und die Inzidenz bei knapp unter 600 liegt. Auch dass täglich immer noch rund 100 Menschen mit oder an Corona sterben und die Gesamtbilanz mit über 151 000 Toten erschreckend hoch ist, ändert wenig an dieser Haltung. Das hat viel mit der hohen Impfquote zu tun, die bei 80 Prozent liegt, sowie damit, dass die Krankenhäuser nicht überlastet sind.

Dass selbst die die Virologen im Land Zuversicht verbreiten und von einer entspannten Lage an der Virusfront sprechen, ohne freilich eine weitere Welle im Herbst auszuschließen, ist nicht der Hauptgrund für die Lockerheit der Regierung. Ebenso wenig spielen wirtschaftliche Überlegungen eine entscheidende Rolle.

Vielmehr trugen die Abgeordneten dem Umstand Rechnung, dass die Geduld der Franzosen erschöpft ist und die Bereitschaft, noch Einschränkungen zu akzeptieren, bei den jüngeren Generationen gegen null tendiert.

Spanien

Schon Anfang April hat Spanien die Isolationspflicht für Corona-Infizierte aufgehoben. Die von Virologen befürchtete große Ansteckungswelle blieb zunächst aus. Die Pandemie im spanischen Königreich wird vom Gesundheitsministerium nur noch als eine Art Erkältung oder Grippe angesehen. Mit der Folge, dass nicht nur die Isolationspflicht, sondern auch die Massentests und die statistische Erfassung der Infektionen abgeschafft wurden.

Damit hat der sozialdemokratische Regierungschef Pedro Sánchez vor allem auf den wachsenden öffentlichen Druck reagiert. Viele Epidemiologen sehen den Kurswechsel jedoch mit gemischten Gefühlen. Sie sprechen von einer „Banalisierung“ der Pandemie.

Doch Spaniens Regierung vertraut darauf, dass 86 Prozent der Bevölkerung den doppelten Impfschutz erhalten haben - mehr als in den meisten anderen EU-Ländern. Allerdings hat der entspannte Corona-Kurs die Lust auf eine Auffrischungsimpfung gebremst: Bei der dritten Impfung machten bisher nur 54 Prozent der Spanier mit. Doch die Belegung der Krankenhäuser deutet darauf hin, dass die Pandemie noch nicht überwunden ist: Derzeit sind acht Prozent der Betten mit Covid-19-Patienten belegt.

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen