Eine Kette von Fehlern war es, die den Tod des Terrorverdächtigen Dschaber al-Bakr in der Justizvollzugsanstalt Leipzig-Meusdorf nicht verhindert hat. Eine Kette von Fehlern, die man nicht mehr einfach Pech nennen kann. Offenbar war Sachsens großes U-Haft-Gefängnis mit der Aufgabe, den Staatsgefangener Nummer eins zu bewachen, überfordert.
"Wo Menschen arbeiten, passieren halt Fehler", sagte ein netter, freundlicher, überforderter Gefängnisleiter gestern in die Kameras. Ein kläglicher Versuch, das Unerklärliche zu erklären. Ja, Fehler passieren. Aber diese Fehlerserie war eine zu viel auf dem Konto der sächsischen Sicherheitsbehörden. Wahrscheinlich wird der freundliche Gefängnisleiter dafür gehen müssen. Wenn das mal reicht.
Ohne personelle Konsequenzen wird Sachsen nicht aus dieser fatalen Geschichte herauskommen. Der zuständige Justizminister und der Regierungschef haben schon unmissverständlich klargemacht, wo sie den Fehler sehen: Im Gefängnis, und nur dort.
Die Öffentlichkeit ist nicht mehr bereit, Fehler in sächsischen Sicherheitsbehörden zu tolerieren. Sachsens Polizei steht seit Monaten im Fokus. Nicht immer zurecht. Dass der Zugriff auf den Terrorverdächtigen in Leipzig wegen eines Warnschusses missglückte, ist als Rücksicht auf die Nachbarn im Wohnviertel durchaus erklärbar.
Dennoch: Die Ermittlungen zu den beiden Dresdner Bombenanschlägen vor zwei Wochen kommen nicht voran. Als in Clausnitz, Freital und Heidenau Flüchtlinge von aufgebrachten Anwohnern und zusammengetrommelten Neonazis bedrängt wurden, war zu wenig Polizei da. Die Ermittlungen gegen die rechtsextreme "Gruppe Freital" ließen Sachsens Staatsanwälte so lange schleifen, bis der Generalbundesanwalt übernahm.
Hängen bleibt ein Eindruck von Unfähigkeit. Es steht schlecht um das Sicherheitsgefühl der Sachsen. Nicht erst, seitdem die CDU-geführte Staatsregierung vor fünf Jahren massive Einsparungen bei der Polizei ankündigte. Das Gefühl der Menschen, nicht mehr sicher zu sein, hievte 2014 die AfD in den Landtag und ermöglichte den Aufstieg der selbst ernannten Abendlandretter der Pegida. Es inspirierte wohl auch den einen oder anderen hartgesottenen Ausländerfeind, Brandsätze in Flüchtlingsheime zu werfen.
Hinzu kommt die unter Linken populäre Ansicht, die Polizei mache gemeinsame Sache mit Rechtsextremen. Als Anfang 2015 ein eritreischer Flüchtling in Dresden erstochen wurde, trieben binnen kurzer Zeit die Verdächtigungen gegen die Polizei im Netz bizarre Blüten - noch bevor irgendetwas über den Fall bekannt war. Ermittlungsfehler waren damals keine im Spiel, wohl aber Kommunikationsfehler. Die Polizei hatte den Tod des Mannes viel zu spät bekanntgegeben.
Doch alles, was getan wird, um das Vertrauen wieder zurückzugewinnen, geht nach hinten los. Die generalstabsmäßig abgesicherte Einheitsfeier von Dresden blieb dank guter Vorbereitung frei von Gefährdungen. Das Bild bestimmten dann aber die hilflosen Polizisten, die Politiker vor einer wütenden Pegidisten-Meute abschirmen mussten.
Im Fall Al-Bakrs war es wohl eine Gefängnis-Psychologin, die den entscheidenden Fehler machte. Sie ließ sich von einem gefasst und ruhig auftretenden jungen Mann täuschen - und kam zu dem unerklärlichen Schluss, dass ein mutmaßlicher Selbstmordattentäter keinen Selbstmord begehen würde. Das klingt einfach zu grotesk, um es für möglich zu halten. Aber es ist passiert. Ausgerechnet im Freistaat Sachsen.
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