Anti-Terror-Razzia

Ein Adliger plant den Umsturz

Als zentrale Figur unter den Festgenommenen gilt Heinrich XIII. Prinz Reuß

Von 
Christian Unger und Theresa Martus
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Bei einer Razzia gegen sogenannte „Reichsbürger“ führen Polizisten in Frankfurt Heinrich XIII. Prinz Reuß ab. © Boris Roessler/dpa

Berlin. Als Tausende Polizisten am frühen Mittwoch Wohnungen, Lagerräume und Büros durchsuchen, ist auch eine ungewöhnliche Immobilie dabei: Das kleine Jagdschloss Waidmannsheil im Örtchen Saaldorf in Thüringen, Landsitz der fürstlichen Reußen-Familie. Die Ermittler gehen seit Monaten gegen eine mutmaßlich rechtsterroristische Gruppe vor. Sie soll einen Umsturz in Deutschland geplant haben. Im Visier der Sicherheitsbehörden: Heinrich XIII. Prinz Reuß, ein Adliger. Es ist eine der größten Anti-Terror-Razzien in der Geschichte der Bundesrepublik, ein Einsatz gegen die Szene der sogenannten rechtsextremen Reichsbürger und Verschwörungsideologen – die Spuren führen auch in die Bundeswehr und zu einer AfD-Politikerin. Fragen und Antworten:

Was ist bei der Razzia passiert?

Am Mittwochmorgen rücken rund 3000 Polizistinnen und Polizisten aus, durchsuchen Wohnungen und Bürogebäude in diversen Bundesländern, auch in Berlin, in Brandenburg, in Nordrhein-Westfalen, sogar in Österreich und Italien, auch das Thüringer Schloss ist Teil der Razzia. Schwer bewaffnete Spezialkräfte der GSG9 sind dabei. 25 Personen nimmt die Polizei fest, darunter auch den Adligen Heinrich XIII. Prinz Reuß, sowie eine ehemalige AfD-Abgeordnete. Weitere 27 Personen gehören zum Kreis der Beschuldigten. Auch ein ranghoher früherer Bundeswehr-Soldat ist unter den Tatverdächtigen. Bis zum Mittag dauern die Durchsuchungen teilweise an. Seit Monaten beschatten Nachrichtendienste Teile der Gruppe. Zuletzt sollen Mitglieder immer wieder darauf gedrängt haben, loszuschlagen. Auch aus diesem Grund sind die Sicherheitsbehörden eingeschritten. Ob bei der Razzia auch Waffen gefunden wurden, und wie konkret etwa ein Angriff auf den Bundestag bevorstand, ist bisher nicht bekannt.

Was ist der Vorwurf der Ermittler?

Der Vorwurf des Generalbundesanwalts wiegt schwer. Der Verdacht: Gründung, Mitgliedschaft und Unterstützung einer rechtsterroristischen Vereinigung. Das mutmaßliche Ziel, das seit gut einem Jahr bestehen soll: ein gewaltsamer Umsturz in Deutschland. Auch vor politischen Morden soll die Gruppe laut Bundesanwalt nicht zurückgeschreckt haben. Nach der „Revolution“ sollte ein neues Regime in Berlin installiert werden, eine „Übergangsregierung“, gestützt durch Teile der Polizei und der Bundeswehr. Von denen glaubten die Beschuldigten offenbar, dass sie sich mit den gewaltsamen Umsturzplänen zumindest teilweise solidarisieren würden. An der Spitze des neu zu gründenden „Rates“ sollte demnach er stehen: Heinrich XIII. Prinz Reuß. Im Kampf gegen den bestehenden Staat wollte das Netzwerk laut Ermittler „Heimatschutzkompanien“ einsetzen – Teil eines „militärischen Arms“, der die mutmaßlichen Terroristen helfen sollte.

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Welche Ideologie verfolgt die mutmaßliche Terrorgruppe?

Die Mitglieder der Gruppe folgen einem „Konglomerat aus Verschwörungsmythen“, schreiben die Ermittler in einer Pressemitteilung. Im Fokus sei die Ideologie der „Reichsbürger“ sowie die „QAnon“-Ideologie. Die mutmaßlichen Rechtsterroristen seien „der festen Überzeugung, dass Deutschland derzeit von Angehörigen eines sogenannten ‚Deep State‘ regiert wird“. Die Mitglieder hätten eine „Befreiung“ Deutschlands geplant – und offenbar ein neues Regime in Berlin installieren wollen, „eines technisch überlegenen Geheimbundes von Regierungen, Nachrichtendiensten und Militärs verschiedener Staaten“, so die Staatsanwälte. In der rechtsextremen Szene spielen diese Verschwörungsideologien eine zentrale Rolle in der Propaganda gegen den Staat, gegen Minderheiten und Andersdenkende.

Welche Rolle spielen Polizisten, Soldaten und Juristen?

Unter den Beschuldigten sind mehrere ehemalige sowie ein aktiver Soldat der Bundeswehr, der im Stab des KSK eingesetzt gewesen sein soll, dem Kommando Spezialkräfte. Einige von ihnen sollen sich laut Staatsanwaltschaft im sogenannten „militärischen Arm“ der Gruppe organisiert haben, an dessen Spitze der frühere Fallschirmjäger-Kommandeur Rüdiger von P. gestanden haben soll. Ziel der Gruppe war es offenbar auch: neue Mitglieder von Bundeswehr und Polizei anzuwerben. Fälle von Rechtsextremismus in der Bundeswehr sind dabei nicht neu. Immer wieder steht das KSK im Fokus.

Warum ist ein Adliger im Visier der Ermittler?

Heinrich XIII. Prinz Reuß fällt seit einiger Zeit mit verschwörungsideologischer Propaganda auf. Er zeigt Nähe zur sogenannten Reichsbürger-Szene, er bewegt sich auf Events der Szene. Nun ist er unter den Beschuldigten und wurde am Morgen in Frankfurt festgenommen und sitzt neben weiteren Beschuldigten in Untersuchungshaft. Der Adelige soll laut Ermittlungen die zentrale Figur in dem mutmaßlichen rechtsterroristischen Netzwerk gewesen sein. Nach dem offenbar geplanten gewaltsamen Umsturz der Regierung in Berlin sollte Heinrich XIII. Kopf eines neu gegründeten „Rates“ sein. „Er gilt innerhalb der Vereinigung als zukünftiges Staatsoberhaupt“, schreibt der Generalbundesanwalt.

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