Das Wichtigste in Kürze
* Die Mehrheit der Deutschen vertraut Friedrich Merz als potenziellem Kanzler. * Merz plant bis Ostern eine schwarz-rote Regierung zu bilden. * Die Deutschen befürworten höhere Verteidigungsausgaben wegen internationaler Unsicherheit.
Mannheim. Wenn am Sonntag schon wieder Bundestagswahl wäre, würde sich kaum etwas bewegen, wie die aktuelle Umfrage der Mannheimer Forschungsgruppe Wahlen zeigt. Dabei schlagen sich doch normalerweise Erfolge oder Misserfolge in Umfragen nach Wahlen in der Regel schon nieder. Warum ist das jetzt nicht der Fall? „Bei der Bundestagswahl vor zwei Wochen hat es ja keine großen Überraschungen gegeben, das Ergebnis hat mehr oder weniger den Erwartungen der Deutschen entsprochen“, sagt Andrea Wolf von der Forschungsgruppe. Eine Einschränkung macht sie allerdings: „Die Linke hat sich im Vergleich zur 23. Februar von 8,8 auf zehn Prozent verbessert. Zuletzt war sie vor fünf Jahren so stark.“ In der Umfrage-Grafik stehen diesmal übrigens keine Vergleichswerte. „Das ist nach jeder Bundestagswahl so. Dann geht es praktisch von vorn los“, erklärt Wolf.
Schlechtes Abschneiden der Sozialdemokraten
Weil es Olaf Scholz (SPD) anders als vor drei Jahren nicht gelungen ist, eine Aufholjagd hinzulegen, muss er wohl schon bald die Koffer packen und Friedrich Merz (CDU) das Kanzleramt überlassen. Übrigens sehen 33 Prozent aller Befragten und 41 Prozent der SPD-Anhänger die Schuld für das miese Bundestagsergebnis vor allem bei Scholz. 51 Prozent meinen, dass dies an ihm und dem SPD-Programm gleichermaßen gelegen hat.
Interessant ist, dass die Deutschen auch nach dem Wahlsieg des Sauerländers Merz gespalten sind: 44 Prozent finden es gut, wenn er Kanzler wird, die Hälfte sieht das anders. Auch hier zeigt sich die Lagerbildung: Bei den Anhängerinnen und Anhängern der Union und der FDP fällt die Rückendeckung für Merz mit 92 beziehungsweise 57 Prozent bedeutend stärker aus. „Trotz dieses gespaltenen Votums bekommt Merz von der Mehrheit der Deutschen einen Vertrauensvorschuss“, sagt Wolf. 53 Prozent aller Befragten sind der Meinung, dass er seine Arbeit eher gut machen wird. Übrigens sehen das auch 54 Prozent im SPD-Lager so.
Nach dem Erfolg am 23. Februar haben sich übrigens auch Merz‘ Popularitätswerte verbessert. Auf der Skala von plus fünf bis minus fünf landet er mit 0,1 sogar im Plusbereich und teilt sich den dritten Platz mit Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne). An der Spitze liegt wie schon seit gefühlt ewigen Zeiten Verteidigungsminister Boris Pistorius - den die SPD als Kanzlerkandidat verschmähte - mit einem Spitzenwert von 2,2. Auf dem zweiten Rang bleibt NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU). Wüst und auch Christian Lindner (FDP) gehören nicht mehr zu den zehn wichtigsten Politikern und fallen im nächsten Politbarometer aus den Top Ten. SPD-Fraktions- und Parteichef Lars Klingbeil (SPD) und das politische Urgestein Gregor Gysi (Linke) tauchen dann wieder in der Rangliste auf.
64 Prozent der Befragten sind mit dem Ausgang der Bundestagswahl unzufrieden - das sind deutlich mehr als 2021 (46), aber ähnlich viele wie 2017 (66). Dennoch hätten 88 Prozent genauso gewählt, wenn sie schon vorher gewusst hätten, wie die Bundestagswahl ausgeht.
Vielleicht liegt es auch daran, dass es nach der Bundestagswahl nur eine einzige realistische Koalitionsoption gibt: Nach 39 Prozent vor drei Wochen finden es aktuell 59 Prozent gut, wenn es zu einer schwarz-roten Bundesregierung kommt. „Dass 90 Prozent der Deutschen glauben, dass da nichts mehr schiefgeht, spricht Bände. Interessant ist auch, dass 77 Prozent der Befragten den Zeitplan von Friedrich Merz für realistisch halten, der ja bis Ostern die Regierung bilden will“, sagt Wolf.
Friedrich Merz hat sein Wort gebrochen
Vor der Bundestagswahl hat Merz eine massiv höhere Staatsverschuldung praktisch ausgeschlossen. „Er hat da sein Wort gebrochen“, sagt Wolf, die sich nicht vorstellen kann, dass die SPD in einer Bundesregierung alles abnickt. Dass die Sozialdemokraten gut verhandeln können, haben sie in den Sondierungsgesprächen Anfang der Woche bewiesen. Das geplante Sondervermögen in Höhe von 500 Milliarden Euro für die Infrastruktur und einen höheren Verschuldungsspielraum für Länder und Kommunen trägt eindeutig die Handschrift der SPD.
Gar keine Begrenzung soll es mehr für die Verteidigungsausgaben geben. Alle Kosten, die höher als ein Prozent des Bruttoinlandsprodukts liegen, sollen nach einer Reform der Schuldenbremse mit Krediten bezahlt werden. 76 Prozent der Befragten finden das gut. „Nach dem Eklat im Weißen Haus weiß ja inzwischen jeder, was die Stunde für Europa geschlagen hat. Da wurden ja von US-Präsident Donald Trump jahrzehntealte Gewissheiten über Bord geworfen. Die Deutschen verstehen deshalb, dass man viel Geld in die Bundeswehr stecken muss“, sagt Wolf.
Angst vor Angriff auf weiteres Land in Europa gestiegen
Die Gründe dafür liegen auf der Hand: Gut drei Jahre nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine machen sich 72 Prozent der Deutschen Sorgen, dass der Krieg sich auf weitere Ländern in Europa ausweiten könnte. Nur noch 55 Prozent glauben, dass die Partnerschaft zwischen Europa und den USA unter Trump halten wird. 40 Prozent sehen das anders. Noch krasser ist das Ergebnis bei der Frage, ob die USA weiter die militärische Sicherheit Europas garantieren, sollte Russlands Präsident Wladimir Putin ein Nato-Mitglied angreifen. 74 Prozent sind da skeptisch.
Daraus ziehen die Deutschen einen logischen Schluss: Zumindest die Hälfte der Wahlberechtigten fordert, dass die Europäer in der Sicherheitspolitik eine eigene militärische Organisation aufbauen sollen. 84 Prozent favorisieren gemeinsame europäische Streitkräfte. Unabhängig davon wollen 48 Prozent die militärische Unterstützung der Ukraine durch die europäischen Staaten ausbauen.
Zum Abschluss hat die Forschungsgruppe auch danach gefragt, ob die Bürgerinnen und Bürger nach mehreren Angriffen und Attacke wie zuletzt in dieser Woche in Mannheim belebte Plätze in den Innenstädten meiden wollen.70 Prozent wollen das nicht tun.
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