Der Höhenflug der AfD hält an. „Das ist keine große Überraschung, es geht für sie ja schon seit Monaten nur in eine Richtung, nämlich nach oben“, sagt Matthias Jung von der Mannheimer Forschungsgruppe Wahlen mit Blick auf das aktuelle Politbarometer. 18 Prozent, wenn am Sonntag wieder Bundestagswahl wäre - das ist ein neuer Rekord für die Rechtspartei, die sich damit in der Parteienlandschaft auf Platz drei schiebt. Sie liegt vor den Grünen und nur knapp hinter der SPD, die immerhin mit Olaf Scholz den Kanzler stellt. Rund zwei Drittel der Deutschen erwarten übrigens, dass die Stärke der AfD länger anhalten wird. Und 75 Prozent glauben, dass sie vor allem „als Denkzettel für die anderen Parteien“ gewählt wird.
Sind mehr als 20 Prozent drin?
„Bei einer Protestpartei können sich die Umfragewerte natürlich schnell in beide Richtungen ändern“, sagt Jung. Kann er es sich vorstellen, dass die AfD sogar die 20-Prozent-Marke knackt? „Meine Vorstellungskraft reicht dafür schon aus.“ Obwohl die politischen Forderungen der AfD als Wahlmotive nur von untergeordneter Bedeutung sind, spielt es ihr schon in die Karten, dass das Thema Flüchtlinge den Deutschen wieder stärker unter den Nägeln brennt. Inzwischen meinen 52 Prozent, dass die Bundesrepublik die vielen Flüchtlinge aus Krisengebieten nicht mehr verkraften kann. Zwei Drittel der Wählerinnen und Wähler fordern deshalb mehr Bundeshilfen für die Kommunen.
Gleichwohl fällt der AfD ihr Erfolg praktisch in den Schoß, sagt Jung. Warum? „Der Frust und die Unzufriedenheit der Deutschen über die Bundesregierung wird immer größer“, sagt Jung. Für die Ampel ist es besonders bitter, denn schon seit einer gefühlten Ewigkeit hat sie keine Mehrheit im Politbarometer. In der Umfrage verliert die SPD einen Zähler und kommt nur noch auf 19 Prozent. Die Grünen können mit 18 Prozent genauso wenig Boden gutmachen wie die FDP, die bei sechs Prozent liegt. Zusammen sind das gerade mal 41 Prozent.
Viel schlimmer für die Ampel ist es aber, dass die Unzufriedenheit der Wählerschaft mit der Bundesregierung die kritische Größe längst überschritten hat. Mit minus 0,6 erzielt die Koalition auf der Skala von plus fünf bis minus fünf einen Negativ-Rekord. Einen solchen katastrophalen Image-Wert hatte zuletzt die schwarz-gelbe Regierung im Jahr 2011. 54 Prozent der Befragten - so viele waren es noch nie seit dem Amtsantritt der Ampel - sehen auch die Gesamtbilanz der Koalition aus SPD, Grünen und FDP kritisch und bescheinigen der Bundesregierung eine eher schlechte Arbeit.
„Das wäre nicht ganz so dramatisch, wenn sich bei den Unionsparteien ein besseres Bild ergeben würde“, sagt Jung. Denn anders als die AfD profitiert die Union überhaupt nicht davon, dass es der Bundesregierung nicht gelingt, wichtige Vorhaben wie das Heizungsgesetz handwerklich sauber und ohne Dauerstreit auf den Weg zu bringen. Sie stagniert in der Umfrage bei 28 Prozent, das ist im Vergleich zur Merkel-Ära desaströs. Das liegt daran, dass nur 26 Prozent glauben, dass es CDU und CSU in Regierungsverantwortung besser machen würden als die Ampel.
CDU-Chef Friedrich Merz, der einst 40 Prozent als Zielmarke ausgegeben hat, leidet unter extrem schlechten Image-Werten. In der Rangliste der zehn beliebtesten Politikerinnen und Politikern belegt er regelmäßig die hinteren Plätze. Er ist nicht nur unpopulär, sondern verströmt in der Union eher die Aura eines aus der Zeit gefallenen Akteurs, der anders als die Landesfürsten Henning Wüst (NRW), Boris Rhein (Hessen) und Daniel Günther (Schleswig-Holstein) eher polarisiert und kein Menschenfischer ist.
FDP müsste bei Koalition mitmischen
„Sollte der Aufstieg der AfD bis zur Bundestagswahl anhalten, wären die Volksparteien für die traditionellen Zweierbündnisse Schwarz-Gelb und Rot-Grün nicht mehr groß genug“, sagt Jung. Dann bliebe womöglich nur noch die große Koalition - die keiner so richtig will, oder wieder eine Dreierkoalition angeführt von der Union oder der SPD. In beiden Konstellationen würde dann die FDP wieder mitmischen. Also die Partei, die 2017 Jamaika nicht wollte und jetzt in der Ampel so agiert als wäre sie in der falschen Regierung. „Die FDP trägt jedenfalls wesentlich zum Dauerstreit in der Koalition bei“, sagt Jung.
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/politik_artikel,-politik-die-afd-fliegt-im-politbarometer-auf-rekordhoehe-_arid,2095652.html
Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Der AfD fällt ihr Erfolg in den Schoß