Kommentar Der AfD fällt ihr Erfolg in den Schoß

Die AfD schneidet in den Umfragen der Mannheimer Forschungsgruppe Wahlen immer besser ab. Bei den Landtagswahlen 2024 im Osten Deutschland könnte sie auf Sieg statt Platz spielen, warnt Walter Serif

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Walter Serif
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Vertrauen ist in der Demokratie ein kostbares Gut. Wer es hat, kommt an die Regierung – und wer es nicht hat, muss in die Opposition. Die Regeln in diesem Wechselspiel sind also einfach. Und doch ist die politische Großwetterlage gegenwärtig ziemlich kompliziert. Immerhin 18 Prozent würden – so das aktuelle Politbarometer – ihre Stimme der AfD geben, wenn am Sonntag schon wieder Bundestagswahl wäre. Nicht, weil die AfD-Führungsriege um Björn Höcke jetzt ihre rechtsradikale und völkische Gesinnung den Deutschen eingeimpft hat. Nein, es sind vor allem Protestwähler, die das Vertrauen in Regierung und Opposition gleichermaßen verloren haben und deshalb dafür sorgen, dass die AfD bei ihrem Höhenflug eine Rekordmarke gesetzt hat.

Die AfD ist dadurch umfragemäßig in der Mitte der Gesellschaft angekommen und konkurriert mit den Regierungsparteien SPD und den Grünen auf Augenhöhe, die FDP hat sie schon längst abgehängt. Die Zahl der „Denkzettel“ ist gewachsen, weil die Ampel ihren Job schlecht erledigt und die große Mehrheit der Wählerinnen und Wähler es der Union nicht zutraut, dass sie es in der Regierung besser machen würde.

Habeck und Lindner - "Ziemlich beste Feinde"

Natürlich können die Aktien der AfD wieder fallen, Umfragen sind ja keine Wahlergebnisse und bis zum Ende der Legislaturperiode sind es ja noch regulär zweieinhalb Jahre. Will die Ampel bis dahin nicht nur durchhalten, sondern ihr Bündnis erneuern, muss sie endlich zur Vernunft kommen und das verlorene Vertrauen zurückgewinnen. Dann würde die AfD gewiss wieder Stimmen verlieren.

Der Blick zurück zeigt ja erst, wie groß der Vertrauensvorschuss war, den die Ampel wieder verspielt hat. Mit ihr an der Regierung ist Deutschland gut durch den ersten Winter gekommen. Und die verunsicherten Menschen konnten sich auf sie in der Regel verlassen. Krisenzeiten sind zwar immer Regierungszeiten. Aber natürlich kann auch eine starke Regierung ins Schlingern geraten, wenn sich alles zu einer Polykrise auswächst. Ukraine-Krieg, Energie-Krise, Klimaschutz, Inflation, Rezession, Angst um die eigene wirtschaftliche Zukunft – da ist wirklich viel zusammengekommen.

Doch es wäre zu einfach, den Meinungsumschwung der Deutschen, der den Höhenflug der AfD auslöste, auf diese Polykrise zurückzuführen. Verantwortlich dafür ist vor allem der politische Klimawandel in der Koalition. Vor allem die Alpha-Herren Robert Habeck und Christian Lindner tun so, als hätten sie Verträge für die Hauptrollen im Regierungsfilm „Ziemlich beste Feinde“.

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Das ist nicht nur unverantwortlich, sondern auch dumm gewesen. Das Heizungsgesetz – über das sich auch notorische AfD-Gegner ärgern müssen – war nur der Auslöser, aber nicht die Ursache der Krise. Unter Freunden hätten sich die Koalitionäre viel schneller einigen und mehr auf die Inhalte konzentrieren können. Aber jeder macht lieber sein eigenes Ding und ist jetzt nur noch im Misserfolg vereint. Und das alles auf dem Rücken einer Gesellschaft, in der die Sorgen der Menschen seit Corona stark gewachsen sind.

Aber auch die Union muss sich endlich selbstkritisch überprüfen und darf nicht der Ampel die alleinige Schuld für das Erstarken der AfD geben. Das gilt vor allem für CDU-Chef Friedrich Merz, der ja einst den Stimmenanteil der AfD halbieren wollte und zur Schwächung der einst so großen Volkspartei mit beigetragen hat. Ein Politiker, der allen Ernstes behauptet, dass „mit jeder gegenderten Nachrichtensendung ein paar hundert Stimmen mehr zur AfD gehen“, schenkt der Rechtspartei kostenlose Werbung. Merz sollte lieber mithelfen, dass seine Partei 2024 bei den Landtagswahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen nicht völlig untergeht. Dort spielt die AfD schon auf Sieg.

Redaktion Reporter für Politik und Wirtschaft