Italien - Streit im Kabinett über Umgang mit EU-Hilfsgeldern

Conte steht zunehmend in der Kritik

Von 
Julius Müller-Meiningen
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Rom. Trotz der Fortschritte in den Verhandlungen machte Giuseppe Conte am Donnerstag einen gehetzten Eindruck beim EU-Gipfel in Brüssel. Dort versuchten die EU-Mitglieder, die Blockade des EU-Haushaltpakets durch Polen und Ungarn zu lösen. Der italienische Premierminister hatte aber genügend andere Gründe, unentspannt zu sein – und die liegen in Rom.

Dort hatten zwar beide Parlamentskammern am Mittwoch für die Regierung und ihre Vorschläge einer Reform des Europäischen Stabilitätspaktes ESM gestimmt. Doch in der Koalition aus Fünf-Sterne-Bewegung, Sozialdemokraten und Italia Viva knirscht es. Beobachter spekulieren über das baldige Ende der Regierung Conte, der 2018 von der Protestbewegung 5 Sterne nominiert worden war. „Italien wird sich an der Erneuerung der europäischen Institutionen beteiligen und dem europäischen Traum zu neuer Verve verhelfen“, versprach er in Brüssel.

Premier kontert Angriffe

Am Vorabend hatte er sich jedoch gezwungen gesehen, die Korrespondenten der großen italienischen Zeitungen von Pressechef Rocco Casalino anrufen zu lassen, um die Angriffe aus den eigenen Reihen zu kontern. Die Mehrheit sei sicher, die Regierung stabil, die Stimmung trotz allem gut, ließ Conte wissen.

Davon konnte Stunden zuvor kaum die Rede sein, als Ex-Premier Matteo Renzi im Senat sprach. Der Chef der Splitterpartei Italia Viva äußerte anlässlich der Aussprache über die Verwendung der EU-Fördergelder nur Kritik am Premier. Seine für den Erhalt der Regierung notwendige Partei werde das Haushaltsgesetz nicht mitwählen. Renzi kritisierte insbesondere das Vorgehen Contes in der Vorbereitung der Verteilung der EU-Hilfsgelder aus dem 750 Milliarden Euro umfassenden Next-Generation-Fonds, aus dem Italien mit 209 Milliarden Euro den größten Anteil bekommen soll. Er beschuldigte Conte, an Parlament und Kabinett vorbei Entscheidungen zu treffen.

Der Sturz der Regierung Conte ist nicht auszuschließen, Neuwahlen scheinen während der Pandemie aber unwahrscheinlich. Zudem, so heißt es, würden damit viele Parlamentarier der Fünf-Sterne-Bewegung und von Forza Italia ihre eigene politische Karriere beenden. Wegen schlechter Umfragewerte ihrer Parteien hätten sie bei einer Neuwahl keine Chance auf Wiedereinzug.

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