Mannheim. In der Affäre um ein altes antisemitisches Flugblatt und nach weiteren Vorwürfen zu seiner Schulzeit hat sich Bayerns Vize-Regierungschef Hubert Aiwanger öffentlich zur Wehr gesetzt.
Flugblatt-Affäre: Hubert Aiwanger wehrt sich
„Es ist auf alle Fälle so, dass vielleicht in der Jugendzeit das eine oder andere so oder so interpretiert werden kann, was als 15-Jähriger hier mir vorgeworfen wird“, sagte der Freie-Wähler-Chef am Mittwoch am Rande eines Termins in Donauwörth dem Sender Welt TV im Beisein auch anderer Journalisten.
„Aber auf alle Fälle, ich sag’ seit dem Erwachsenenalter, die letzten Jahrzehnte: kein Antisemit, kein Extremist, sondern ein Menschenfreund“, betonte der 52-Jährige. Er könne „für die letzten Jahrzehnte alle Hände ins Feuer legen“. Was aus Jugendzeiten nun diskutiert werde, wundere ihn etwas.
Hitlergruß gezeigt?
Die neuen Vorwürfe stammen von einem ehemaligen Mitschüler Aiwangers: Aiwanger soll in den 1980er Jahren beim Betreten des schon besetzten Klassenzimmers ab und zu „einen Hitlergruß gezeigt“ haben, wie der Mann dem ARD-Magazin „Report München“ sagte, demnach ein Mitschüler von der 7. bis 9. Klasse.
Zudem habe Aiwanger „sehr oft diese Hitler-Ansprachen nachgemacht in diesem Hitler-Slang“. Auch judenfeindliche Witze seien „definitiv gefallen“. Welche „starke Gesinnung“ dahinter gesteckt habe, dazu sagte er: „Keine Ahnung.“ Der „Bild“ sagte Aiwanger zum Vorwurf, den Hitlergruß gezeigt zu haben: „Mir ist nicht im Entferntesten erinnerlich, dass ich so etwas gemacht haben soll.“
Freie Wähler Baden-Württemberg stehen hinter Aiwanger
Die Freien Wähler Baden-Württemberg haben Aiwanger den Rücken gestärkt. „Ich stehe nach wie vor hinter unserem Bundesvorsitzenden“, sagte die Landesvorsitzende Sylvia Rolke dieser Redaktion. Aiwanger hat sich nach den Worten der Mannheimerin in einer Bundesvorstandssitzung und einer Sitzung vor allen Landesvorständen „vollumfänglich erklärt“ und den Verfasser „dieses widerwärtigen und menschenverachtenden Flugblattes“ genannt.
Dabei handelt es sich angeblich um Aiwangers Bruder, der sich als Urheber des Flugblatts bekannt hat. Zweifel an diesen Erklärungen hat Rolke keine. „Ich sehe keine Veranlassung, daran nicht zu glauben“, sagte sie.
Sylvia Rolke betroffen über Entwicklung
Rolke betonte, dass in ihrer Partei „absolut kein Platz“ für Antisemitismus sei. „Das entschiedene Einschreiten gegen alle Erscheinungsformen des Antisemitismus gehört nach unser Auffassung zum Grundkonsens unserer Gesellschaft und wird von uns auf allen Ebenen vertreten.“ Dennoch zeigte sich Rolke betroffen über die Entwicklung rund um das Flugblatt und sprach davon, dass es Versuche gebe, die Freien Wähler zu diskreditieren. Rolke hofft, dass es jetzt zu einer „längst überfälligen und vollständigen Aufklärung kommt“.
Rolkes Reaktion fiel damit wesentlich schwächer aus als die ihres Kollegen aus Rheinland-Pfalz. Landeschef Stephan Wefelscheid will von Aiwanger wissen, wieso sich damals ein antisemitisches Flugblatt in seiner Schultasche befunden habe. Sollte Aiwanger an der Erstellung oder Verbreitung des Flugblatts mitgewirkt haben, kann er nach Ansicht Wefelscheids weder Spitzenkandidat der Freien Wähler für die Landtagswahl im Oktober in Bayern noch stellvertretender Ministerpräsident des Freistaats bleiben. (mit dpa)
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