Stuttgart. Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) erwägt eine befristete Rückkehr zum Fernunterricht auch für die Klassen 1 bis 6 nach den Osterferien. „Eine Woche als Puffer könnte angesichts steigender Ansteckungszahlen sinnvoll sein, um Erfahrungen mit den Selbsttests zu machen“, sagte eine Regierungssprecherin auf Anfrage. Das werde in den nächsten Tagen entschieden.
Wir erklären, was das Land nach den Osterferien plant:
Wie hat sich die Zahl der Infektionen in den Schulen entwickelt?
Seit vorletztem Montag sind die Corona-Infektionen bei Schülern und Lehrern in Baden-Württemberg stark gestiegen. Die Zahl der teilweise geschlossenen Schulen hat sich in den acht Tagen von 119 auf 258 mehr als verdoppelt. Vollständig geschlossen sind acht der insgesamt 4400 Schulen. An diesem Dienstag wurden 116 Lehrkräfte positiv getestet, auch dies mehr als doppelt so viele wie am 22. März. Steil gewachsen ist auch die Zahl der positiv getesteten Schüler von 618 auf 1109. Das entspricht allerdings nur einem prozentualen Anteil von 0,08 Prozent. Zusätzlich sind deutlich mehr Schüler und Lehrer in Quarantäne.
Warum sind Schulen und Kitas jetzt so stark betroffen?
Den massiven Anstieg der Ansteckungen in den Schulen und Kitas führen die Experten auf die schnelle Verbreitung der britischen Mutante zurück, die im Südwesten inzwischen für vier von fünf Infektionen verantwortlich ist. Das Robert Koch-Institut hat schon vor einigen Tagen 121 Infektionen je 100 000 Grundschülern registriert, bei den Elf- bis 14-Jährigen gab es binnen einer Woche einen Sprung von 75 auf 109. Diese Virusform verbreitet sich deutlich schneller unter Kindern und Jugendlichen.
Welche Konsequenzen zieht die grün-schwarze Regierung?
Innerhalb weniger Tag hat der Anstieg der Infektionen bei Kretschmann zu einem Umdenken geführt. Vor einer Woche stellte er noch in einer Regierungserklärung eine weitere Öffnung der Schulen ab Klasse 7 nach den Osterferien in Aussicht. Diese Hoffnung kassierte der Regierungschef bei einer Anhörung von Vertretern der Eltern, Schüler und Lehrer wieder ein. Man müsse angesichts der steigenden Zahlen auf Sicht fahren. Am Dienstag bestätigte dann die Sprecherin erstmals die Überlegungen, in der ersten Woche nach den Ferien auch die Klassen 1 bis 6 wieder in den Fernunterricht zu schicken. Ob das noch vor Ostern entschieden wird, blieb offen.
Corona in der Region
Welche Rolle spielt Noch-Kultusministerin Susanne Eisenmann?
Bei Kretschmanns Verbandsanhörung war neben Sozialminister Manfred Lucha auch Eisenmann zugeschaltet. Nach der Landtagswahl hatte die CDU-Spitzenkandidatin die Verantwortung für die Schlappe übernommen und ihren Rückzug aus der Politik angekündigt. Das Amt als Ministerin will sie aber bis zur Bildung der nächsten Regierung ausüben. Teilnehmer der Anhörung zollten Eisenmann ihren Respekt: „Sie hat sich professionell und konsequent gezeigt.“ Erst nach einer Aufforderung Kretschmanns habe sie einen Kommentar abgegeben. Die Weichen stelle Kretschmann.
Welche Bedingungen für Präsenzunterricht gibt es?
Regulären Unterricht soll es nach Ansicht der Lehrerverbände nur bei weniger als 50 Neuinfektionen je 100 000 Schüler geben. Bei Inzidenzen zwischen 50 und 100 fordern sie in seltener Geschlossenheit Wechselunterricht und darüber die Schließung der Schulen mit dem Wechsel zum Fernunterricht.
Angesichts der weiter steigen-den Werte würde das nach Ansicht der Regierungsvertreter bedeuten, dass viele Schüler bis zum Sommer keinen Präsenzunterricht mehr hätten. Das will die Regierung mit zwei wöchentlichen Tests für alle Schü-ler verhindern. Das Konzept soll diese Woche noch verabschiedet werden.
Werden die Tests verpflichtend vorgeschrieben?
Derzeit ist geplant, dass zwei Corona-Tests mit negativem Ergebnis als Voraussetzung für die Teilnahme am Unterricht vorgeschrieben werden. „Dafür ist eine Rechtsgrundlage in der Corona-Verordnung notwendig“, erläuterte eine Sprecherin. Wer die Teilnahme ablehnt, müsse dann zu Hause bleiben. Lehrer könnten als Beamte zur Teilnahme an den Tests verpflichtet werden. Allerdings seien in vielen Schulen schon zwischen 60 und 80 Prozent der Lehrkräfte geimpft.
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