Interview

Manuel Hagel: Politik ist nicht nur Show wie im Kinofilm

Baden-Württembergs CDU-Chef Manuel Hagel ist erst 36. Aber in Stuttgart ist es ein offenes Geheimnis, dass die CDU 2026 mit ihm als Frontmann in die Landtagswahl ziehen will

Von 
Karsten Kammholz und Walter Serif
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Manuel Hagel (CDU) hält viel von Ministerpräsident Winfried Kretschmann, obwohl der ein Grüner ist. © Christoph Blüthner

Herr Hagel, Sie tragen neuerdings eine Brille. In Stuttgart gab es Spekulationen, dass Sie gar keine brauchen. Stimmt das?

Manuel Hagel: Es ist wirklich ganz einfach. Ich brauche schlicht und ergreifend eine Brille, um besser zu sehen. Glauben Sie mir: Als Schwabe gebe ich doch kein Geld für Sachen aus, die ich gar nicht brauche.

Also kein Fensterglas?

Hagel: (lacht) Schauen Sie doch mal durch meine Brille durch.

Sie tragen die Brille also nicht, damit Sie älter und seriöser wirken?

Hagel: Der Wunsch von vielen Politikerinnen oder Politikern ist eher das Gegenteil, sie wollen lieber jünger als älter wirken. Aber ich halte von diesem ganzen Bohei nichts. Wer jetzt wann Krawatte trägt und all das Zeug – das ist mir wirklich völlig wurst. Beim VfB Stuttgart hat mal ein Trainer gesagt: Ich kenne keine alten oder jungen Spieler, ich kenne nur gute oder schlechte Spieler. Was für den VfB Stuttgart richtig war, kann für die Politik nicht falsch sein.

Es ist bekannt, dass Sie bei der Landtagswahl 2026 als Spitzenkandidat antreten wollen.

Hagel: Da ist Ihre Zeitung offensichtlich besser informiert als ich. Aber ich verrate Ihnen ein Geheimnis: Wir werden im Frühjahr sogar zwei Kandidatinnen oder Kandidaten nominieren, einmal für die Bundestagswahl 2025 und einmal für die Landtagswahl 2026. Bis dahin müssen sie sich leider gedulden.

Zur Person: Manuel Hagel

  • Manuel Hagel wurde am 1. Mai 1988 in Ehingen an der Donau geboren.
  • Hagel besuchte die Realschule in seiner Geburtsstadt, absolvierte eine Lehre als Bankkaufmann und bildete sich an der Sparkassenakademie Baden-Württemberg zum Bankbetriebswirt weiter. Von 2014 bis 2016 war er Filialleiter der Sparkasse in Ehingen.
  • Danach begann Hagels steile Karriere: 2016 wurde er für die CDU in den Landtag gewählt und wurde Generalsekretär. Seit 2021 ist Hagel Fraktionschef im Landtag, seit 2023 auch Landesvorsitzender. was

Warum warten Sie mit der Spitzenkandidatur so lange? Liegt das daran, dass Sie vorher ihren Bekanntheitsgrad erhöhen müssen?

Hagel: Das ist dann immer noch über ein Jahr vor der Landtagswahl. Das finden sie lange? Ganz ehrlich? Politik ist doch kein Schönheitswettbewerb: Bekanntheit kann für mich die Folge meiner Arbeit sein. Sie ist aber nie der Sinn meiner Arbeit. Olaf Scholz ist jetzt ja nun auch ziemlich bekannt. Frau Faeser in Hessen war es auch. Aber noch mal: Mir geht es nicht um Selbstverwirklichung, ich will etwas reißen fürs Land.

Manuel Hagel im Gespräch im "MM"-Redakteur Walter Serif (links). © Christoph Blüthner

Mag sein. Aber Sie wollen ja Ministerpräsident werden. Wenn aber zwei Drittel der Baden-Württemberger Sie gar nicht kennen, ist das gar nicht so einfach.

Hagel: Wieder eine Ihrer Interpretationen. Ich möchte vor allen Dingen, dass eine Christdemokratin oder ein Christdemokrat Ministerpräsident in Baden-Württemberg wird. Das ist für mich das Entscheidende. Ich glaube übrigens, dass die Leute diese ganzen Personaldiskussionen aktuell doch überhaupt nicht gebrauchen können. Die Erwartung ist: Macht Euren Job – und genau das tun wir.

Sie müssen nicht drumherum reden. Alle wissen, dass Sie es machen wollen.

Hagel: Manche wollen Ministerpräsident werden, ich möchte unserem Land dienen. Das können wir am besten mit einer bürgerlich geführten Landesregierung in Stuttgart, dafür arbeiten wir. Unser moderner Politikentwurf soll die Menschen so begeistern. Aus dieser Begeisterung wächst Vertrauen. Das spüren wir im Land seit vielen Monaten.

Politik ist ein bisschen wie ein Hürdenlauf. Wenn Sie immer nur nach links oder rechts schauen, was der andere macht, fliegen Sie schon mal hin.

Die CDU liegt in den Umfragen gegenwärtig meilenweit vor den Grünen. Haben Sie eigentlich Angst, dass sich das drehen könnte, wenn Cem Özdemir gegen Sie antritt?

Hagel: Also klar ist mal, dass wir vor nichts und niemandem Angst haben. Wir glauben an uns selber. Und wer glaubt, der wackelt nicht. Umfragen sind doch immer nur Momentaufnahmen. Das habe ich auch vor vier Jahren gesagt, als die Umfragen für die CDU weniger gut waren. Politik ist ein bisschen wie ein Hürdenlauf. Wenn Sie immer nur nach links oder rechts schauen, was der andere macht, fliegen Sie schon mal hin. Deshalb ist es für uns völlig irrelevant, was die Grünen oder andere machen. Dieser Dauerstreit zwischen den Parteien ist unsere Sache nicht. Wir schauen nur auf uns und machen unser eigenes Ding. Und glauben Sie mir, es wird gut werden.

Die Grünen sind Ihnen wirklich völlig egal?

Hagel: Unser Partner ist in einer Identitäts- und Sinnkrise. Das sagen übrigens die Grünen selbst über sich. Dazu kommen offene Personalfragen und Kritik am Ampelminister Özdemir aus den eigenen Reihen. Uns geht es um eine stabile und handlungsfähige Landesregierung. Darin sehen wir unsere Aufgabe. Wenn unser Partner zur Ruhe kommt, kann uns das deshalb nur recht sein.

Vielleicht stellen sich die eher konservativen Baden-Württemberger aber 2026 die Frage: Welcher Kandidat passt eher zu meinen Überzeugungen: Özdemir oder Hagel?

Hagel: Sie sind wirklich hartnäckig. Ich habe Politik nicht als One-Man-Show begriffen, sondern als Teamleistung. Mein Anspruch als Parteivorsitzender ist es, ein Team zu formen, das durch Kompetenz und Leistung überzeugt. Frauen, Männer, Jüngere und Ältere, Handwerker und Akademiker. Ein Team, zu dem man gerne gehören will. Da machen wir als moderne konservative Volkspartei ein Angebot, wir nennen das unsere Agenda der Zuversicht. Das passt zu 100 Prozent zu unserem Land. Deshalb sind wir Baden-Württemberg-Partei. Es geht uns zu allererst immer ums Land, weil wir Baden-Württemberg lieben.

Manuel Hagel mit "MM"-Chefredakteur Karsten Kammholz (links). © Christoph Blüthner

Es ist unbestritten, dass die Persönlichkeit des Spitzenkandidaten bei Landtagswahlen eine große Rolle spielt. Dass ein so populärer Politiker wie Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow eine Wahl verliert, ist sehr selten.

Hagel: Noch einmal: Die Landtagswahl ist erst 2026, und davor ist noch eine Bundestagswahl. Ich glaube, dass die Menschen schon ein Gespür dafür haben, wem es im Zweifelsfall permanent nur um den Machterhalt oder Parteitaktik geht oder wer wirklich das Leben der Menschen verbessern und wieder einfacher machen will. Wir gehören eindeutig ins zweite Team.

Kretschmann regiert schon seit 2011 als Ministerpräsident. Guido Wolf und Susanne Eisenmann waren offensichtlich die falschen Kandidaten. Was macht Sie sicher, dass ein Manuel Hagel es besser machen kann?

Hagel: Wir betreiben in der CDU keine rückwirkenden Schuldzuweisungen. Wir bauen vielmehr auf das auf, was wir in bald 70 Regierungsjahren für das Land erreicht haben. Wenn ich wählen dürfte, was mein Beitrag hierzu ist, so würde ich sagen: Manuel tickt wie der Späth, regiert mit dem Kretschmann und schafft wie der Teufel.

Interessant, dass Sie als CDU die Regierungsarbeit von Winfried Kretschmann so klar anerkennen.

Hagel: Ohne Zweifel, wir arbeiten in der Landesregierung seit zehn Jahren mit Winfried Kretschmann gut und vertrauensvoll zusammen. Winfried Kretschmann ist für mich in Teilen auch Orientierung, was seinen pragmatischen und vernünftigen Regierungsstil angeht. Da ist er im Übrigen ganz CDU. Aber es ist auch völlig klar, dass die Grünen und die CDU, abgesehen von persönlichen Sympathien, unterschiedliche Parteien sind, die auf die gleichen Fragen unterschiedliche Antworten geben. Aber wir unterscheiden uns sehr von der Ampel in Berlin. Deshalb gibt es bei uns keine unüberbrückbaren Gräben, sondern wir versuchen immer wieder, aus Unterschieden etwas Neues, Gemeinsames zu schaffen. Das gelang in der Vergangenheit meisten ganz passabel . . .

. . . .jetzt reicht’s langsam mit dem vielen Eigenlob. . .

Hagel: . . . Ich antworte auf Ihre Fragen. Letzter Satz: Sie sehen es doch in Berlin. Wir spüren es doch alle. Wenn die CDU am Kabinettstisch fehlt, dann fehlen eben auch der Pragmatismus, die Vernunft und der gesunde Menschenverstand. Übrigens: Genau das haben die Grünen lange an uns eher langweilig gefunden.

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Die Gretchenfrage ist doch, wie Sie mit den Grünen umgehen. Kanzlerkandidat Friedrich Merz schließt eine Koalition mit den Grünen aus, solange die keine 180-Grad-Wende hinlegen. Sie dagegen singen eine große Lobeshymne auf Grün-Schwarz in Stuttgart. Wie passt denn das alles zusammen?

Hagel: Ich beschreibe unsere Arbeit schlicht, wie sie ist. Da sind jetzt keine besonderen Emotionen im Spiel. Sie finden doch tatsächlich keinen schärferen Kritiker der Ampel als Winfried Kretschmann selbst. Vermutlich hat er auch deshalb nach der vergangenen Landtagswahl verhindert, dass sein grüner Landesverband sich durchsetzt und eine Ampel bildet. Kretschmann ist einfach ein kluger Mann.

Aber Winfried Kretschmann hört ja auf. Wollen Sie das Bündnis mit den Grünen auch nach der Landtagswahl 2026 fortsetzen?

Hagel: Ich halte nichts von so frühen Koalitionsspekulationen. Warten wir doch mal ab bis zur Wahl. Die Parteien sind gut beraten, wenn sie das Wählervotum dann mit Demut annehmen. Wenn wir aber auf die Grünen in Berlin schauen, dann sind sie bei den Themen, die bei uns Vorrang haben, eher Teil des Problems als der Lösung. Ich meine da vor allem die Wirtschafts- und Ordnungspolitik und auch die Themen Migration und Sicherheit. Gegner sind die Grünen für mich deshalb aber nicht.

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Friedrich Merz ist zwar anders als Sie sehr bekannt, viele mögen ihn aber nicht besonders, das gilt vor allem für Frauen. Ist das nicht ein großes Handicap für einen Kanzlerkandidaten?

Hagel: In den meisten Kompetenzfeldern führt er deutlich. Das finde ich wichtig. Politik ist nicht nur Show wie in einem Kinofilm. Es geht ja nicht darum, in welcher Talkshow sich ein Politiker besonders wohlfühlt. Die Frage ist doch: Hat er die Kompetenz, Deutschland so gut zu regieren, dass wir wieder eine internationale Führungsrolle einnehmen und nicht mehr auf der Weltbühne belächelt werden? Außerdem wollen wir nicht nur die Frage beantworten, wie wir den Wohlstand verteilen, sondern, wo er in Zukunft herkommen soll. Friedrich Merz ist gerade dort besonders stark, wo Deutschland nach den Ampeljahren schwach ist. Deshalb ist er der richtige Mann zur richtigen Zeit.

Unterstellen wir mal, dass Bundeskanzler Olaf Scholz eher über ein zu großes Maß an Impulskontrolle verfügt, dann ist bei Merz doch das Gegenteil der Fall: Er hat Probleme mit seiner Impulskontrolle. Haben Sie nicht Angst, dass er im Wahlkampf wie eine Loose Cannon auftritt und dann Dinge sagt, die er später wieder bereut?

Hagel: Das ist Quatsch. Ich habe schon lange genug von solchen Politikrobotern. Politik braucht den Diskurs und die Debatte, und natürlich darf ein Politiker auch mal die Dinge zuspitzen, und das macht Friedrich Merz . . .

. . . ja, und dann gibt Merz dem ZDF ein Sommerinterview zur Brandmauer gegen die AfD und dementiert einen Tag später wieder alles . . .

Hagel: . . . ich finde es gut, dass Friedrich Merz Klartext spricht und nicht redet wie der Verfasser einer politisch-philosophischen Abhandlung. Wir brauchen keine Brandmauer zur AfD, weil wir die Brandmauer sind. Gerade das haben doch die Wahlen in Ostdeutschland gezeigt. Im Kampf gegen die AfD können die Menschen allein auf die CDU setzen.

Ehemalige Mitarbeit ehem. Chefredakteur

Redaktion Reporter für Politik und Wirtschaft

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