Gesundheitsversorgung

Kinderkliniken in Baden-Württemberg rufen um Hilfe - auch Mannheim am Limit

Kinderkliniken arbeiten am Limit: Krankheitsfälle beim Personal und viele kranke Kinder. Jetzt wenden sich Kliniken im Südwesten in Hilferuf an die Landesregierung. Unterzeichnet hat auch die Heidelberger Uni-Klinik

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dpa
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Blick auf eine Station in einer Stuttgarter Kinderklinik © Marijan Murat/dpa

Stuttgart/Mannheim. Mit dramatischen Worten haben viele Kinderkliniken in Baden-Württemberg angesichts von Überlastung und Personalnot einen Hilfsappell an die Landesregierung gerichtet. Das System werde seit Jahren kaputtgespart, dringende kinderchirurgische Eingriffe würden verschoben, Kinder müssten auf die benötigte Therapie warten, heißt es in einem Protestbrief von Fachärzten aus 23 der rund 30 Kinderkliniken im Land, der der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Unterzeichnet wurde der Brief auch von der Uni-Klinik Heidelberg.

«Für uns besteht konkret die Angst, dass wir in überfüllten Notaufnahmen und ohne Aufnahmekapazitäten auf den Stationen die falschen Kinder nach Hause schicken, mit unter Umständen fatalen Konsequenzen - dass eines dieser Kinder morgens nicht mehr aufwacht.» Der Brief wurde am Montag an die Landesregierung geschickt.

Grenzen des Gesundheitssystems überschritten

Die Lage in den Kliniken ist seit Wochen angespannt, unter anderem aufgrund einer deutlichen Zunahme von Atemwegserkrankungen durch RS-Viren. Die Atemwegserkrankung ist besonders für Frühgeborene, Säuglinge und Kleinkinder gefährlich. Diese könnten schwere Lungenentzündungen bekommen.

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Die große Zahl akut kranker Kinder sowie die vielen chronisch kranken Patienten führten zu einem hohen Bedarf an pflegerischen und ärztlichen Maßnahmen, heißt es in dem Brief. «Dieser Bedarf geht über die Grenze dessen hinaus, was unser aktuelles System der stationären Kinder- und Jugendmedizin zu leisten im Stande ist.»

Im System «erlös- und gewinnorientierter Fallpauschalen» lasse sich mit der Pädiatrie kein Geld verdienen, also würden Ausgaben gekürzt, wo es nur gehe, kritisieren die Mediziner. Sie schreiben, sie könnten ihrer Verantwortung für die Versorgung der Patienten nicht mehr gerecht werden.

Appell: Kinderkliniken nicht an Gewinn ausrichten

Der Bettenabbau in Kinder- und Jugendkliniken müsse ein Ende haben, schreiben die Fachärzte. Die Kinder- und Jugendmedizin sei stark abhängig von saisonalen Faktoren und Notfalleinweisungen. Wer eine durchschnittliche Auslastung von über 75 Prozent fordere, müsse der Bevölkerung auch sagen, dass dann in akuten Notlagen Kinder auf der Strecke bleiben würden.

«Wie die Feuerwehr auch nicht für ihren Einsatz bezahlt wird, so müssen gerade in der Kinder-und Jugendmedizin Vorhaltekosten ohne Kostendeckung oder Gewinnorientierung finanziert werden.»

Die Fachärzte fordern zudem, die Lage der Pflegekräfte in der Kinder- und Jugendmedizin zu verbessern - durch die Entlastung von administrativen Aufgaben, eine bessere Vergütung, einen besseren Personalschlüssel und mehr Entwicklungs- und Aufstiegschancen.

Außerdem müsse das Vergütungssystem reformiert werden. «Wir werden weiter unter vollem Einsatz für unsere kleinen und großen Patient*innen kämpfen», schreiben die Ärzte. «Dazu gehört es jetzt, gegen die chronische Unterfinanzierung und Benachteiligung der Kinder- und Jugendmedizin aufzustehen.»

Bundesweit Kliniken extrem stark belastet

Bereits vergangene Woche hatten bundesweit Kliniken gewarnt: «Wir erleben gerade, dass alle Bereiche der Gesundheitsversorgung an ihre Grenzen stoßen», sagte der Vorstandschef der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), Gerald Gaß, der «Augsburger Allgemeinen». Die Situation in den Kinderkliniken in Deutschland beschrieb Gaß als «dramatisch».

Die drohende Überbelastung greife auf das gesamte Gesundheitssystem über, warnte Gaß demnach. Niedergelassene Ärzte hätten ihre Kapazitäten ausgeschöpft und seien durch Krankheitsfälle zusätzlich beeinträchtigt, sagte er. Dasselbe gelte für die Krankenhäuser, deren Betten knapp würden und die die Überlastung des niedergelassenen Bereichs kaum noch ausgleichen könnten.

Dramatische Lage auch in und um Mannheim

Anfang des Montags hatte auch die Universitätsmedizin Mannheim (UMM) mittgeteilt, dass im dortigen Kinderzentrum kein Bett mehr frei sei. Damit ist das Kinderzentrum genau so von der aktuellen Häufung von Atemwegserkrankungen betroffen wie viele anderen Kinderkliniken in Deutschland. "Das Kinderzentrum der Universitätsmedizin Mannheim ist nach wie vor stark von der aktuellen Welle an Atemwegserkrankungen bei Kindern und Jugendlichen betroffen", teilte das UMM auf Nachfrage mit. "Wie auch in den anderen Kinderkliniken der Region sind alle Betten komplett belegt; neue Patientinnen und Patienten werden aufgenommen, sobald ein Bett frei wird. "

Auch in der Kinder- und Jugendmedizin des Klinikums in Worms wurden Anfang Dezember die Kapazitätsgrenzen erreicht. Hauptsächlich sind es RSV-Infektionen, die bei Erwachsenen harmlos verliefen, für Kinder als Auslöser von Entzündungen an Bronchien und Lunge mitunter jedoch lebensgefährlich sein können, sagt vor 14 Tagen Chefarzt Markus Knuf.

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