Stuttgart. Eine CDU-Ministerin mit Migrationshintergrund? Nicole Razavi lacht. „Ja, ich habe einen Migrationshintergrund. Und ich bin stolz darauf“, sagt die neue baden-württembergische Ministerin für Landesentwicklung und Wohnungsbau. Dabei ist an dem Lebenslauf von Nivole Razavi neben dem Nachnamen – vom Vater mit persischen Wurzeln – nur der Geburtsort unschwäbisch: Hongkong. Dem Berufsleben ihres Vaters verdankte die heute 56-Jährige schon in Kindheit und Jugend Einblicke in viele Kulturen. „Die Vielfalt, die ich erlebt habe, prägt. Ich habe viele großartige internationale Eindrücke mitbekommen“, sagt sie heute.
Mit Anfang 20 in die CDU
Das Elternhaus – die Mutter stammte aus Danzig – war unpolitisch, aber international ausgerichtet. Nicole Razavi absolvierte Gymnasium und Abitur in Ebersbach (Landkreis Göppingen), danach ein Lehramtsstudium – Anglistik, Politik, Sport – in Tübingen. Der Eintritt bei der CDU folgte mit Anfang 20, sie war Studienrätin an einem Stuttgarter Wirtschaftsgymnasium, dann, nach einer Abstellung zur der Landes-Nahverkehrsgesellschaft, erfolgte der Einstieg in die Politik.
Razavi ist katholisch, und neben den christlichen Werten treiben sie auch die gesellschaftlichen Werte zu den Christdemokraten. „Ich bin überzeugt, dass die CDU die modernste Partei Deutschlands ist. Sie hechelt dem Zeitgeist nicht hinterher, aber ist zu Veränderungen bereit, die die Zeit erfordert“, sagt Razavi. Die CDU ist sei ein lernendes System, und dass die Partei sich zuletzt auch im Land deutlich bewegt hat, kommt Razavi entgegen: „Für mich ist die CDU eine aufgeschlossene, liberale, tolerante Partei mit klarem Wertekanon.“
Seit 2006 ist Razavi, einst Büroleiterin von Stefan Mappus, Landtagsabgeordnete für den Landkreis Geislingen. In der Fraktion stieg sie zur stellvertretenden Vorsitzenden und Parlamentarischen Geschäftsführerin auf. Legendär sind die erbitterten Auseinandersetzungen der Verkehrsexpertin im Parlament mit Winfried Hermann, als grüner Verkehrsminister früher personifiziertes Feindbild der alten CDU.
Seit Mai sitzen Razavi und Hermann als Kollegen im Kabinett Kretschmann direkt nebeneinander, sind inzwischen per Du. „Politisch haben wir bisweilen unterschiedliche Sichtweisen, aber persönlich habe ich mit Winfried Hermann überhaupt kein Problem. 15 Jahre im Parlament haben mich gelehrt, zu differenzieren zwischen Personen und Sachinhalten“, sagt Razavi.
Weil sie Dinge beim Namen nennt und klar und sachlich argumentiert, haftet Nicole Razavi das von Männern oft abwertend verwendete Etikett „burschikos“ an. „Ich kann hart in der Sache sein“, sagt sie dazu. „Aber mir geht es immer um gute menschliche Kontakte, auch über Parteigrenzen hinweg.“ Wer mit ihr zu tun habe, sagt Razavi, wisse, woran er mit ihr sei. „Ich tue mich schwer, mich zu verstellen. Taktische Spielchen und Winkelzüge, das ist nicht so meins.“ Und sowieso ist sie der Überzeugung: „Zu wissen, was man tut und was nicht, ist keine Sache der Parteipolitik, sondern hat etwas mit Anstand zu tun.“
Auf das neue Ministerium, das sie jetzt erst einmal aufbauen muss, freut sie sich riesig. „Ich habe lange Verkehrspolitik gemacht und freue mich, dass ich mir jetzt einmal ein anderes Feld erarbeiten kann“, sagt sie zu dem neuen Job. „Und was sehr schön ist: Ich kann mir zum ersten Mal eine richtige Mannschaft zusammenstellen, um die Aufgaben umzusetzen. Wichtig mir dabei, dass das Team gut zusammenpasst. Und dass man im Team lachen kann.“
„Ein Amt muss zu einem passen“
Überhaupt Teamgeist – der sitzt neben Sportsgeist und Naturverbundenheit tief in Razavi. Sie ist geprüfte Skilehrerin, liebt Skitouren mit Freunden, war früher im Kajak auf Wildwasser unterwegs. „Beim Skifahren geht es um Gemeinschaft und Gesellschaft, aber auch um Verantwortung und Verlässlichkeit. Und ich bin ein Teamplayer.“ Das Wildwasser hat sie längst an den Nagel gehängt, stattdessen steht jetzt eine Rudermaschine zu Hause.
Glückwünsche zu ihrer neuen Aufgabe als Ministerin seien von allen Seiten gekommen, auch vom politischen Gegner. „Es haben mir viele gesagt, dass sie sich persönlich für mich freuen. Aber ein Amt muss auch zu einem passen. Und Ministerin für Land und Leute zu sein, für gebaute Heimat – das ist schön“, sagt Razavi.
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