Frankfurt. Erst am Montag widersetzten sich katholische Gemeinden in Deutschland dem Segnungsverbot des Vatikans für homosexuelle Paare – nun könnte die nächste Provokation bevorstehen. Beim Ökumenischen Kirchentag sind noch bis Sonntag in Frankfurt Gottesdienste mit gemeinsamem Abendmahl geplant. Und das sieht man in Rom gar nicht gern.
Katholiken und Protestanten haben ein unterschiedliches Verständnis vom letzten Abendmahl vor der Gefangennahme und Kreuzigung von Jesus. Katholiken sprechen dabei von Eucharistie, Protestanten vom Abendmahl. Um eine Annäherung zu erreichen, hat der renommierte „Ökumenische Arbeitskreis evangelischer und katholischer Theologen“ vor einiger Zeit ein Konzept für gemeinsame Gottesdienste entwickelt.
Dabei sollen sich Katholiken und Protestanten gegenseitig zu Eucharistie- beziehungsweise Abendmahlsfeiern einladen können. Die Feier wird jeweils nach dem Verständnis einer der beiden Seiten zelebriert, aber alle nehmen teil. Der Vatikan verbot jedoch einen solchen „Alleingang“ deutscher Gläubiger.
„Der Ökumenische Kirchentag und sein Präsidium haben aber ganz klar gesagt: Jesus lädt ein“, macht eine Sprecherin des Kirchentags deutlich. Zwar findet der Kirchentag wegen der Corona-Pandemie weitgehend digital statt, einige Präsenzveranstaltungen gibt es aber doch. So werden am Samstagabend trotz des Vatikanpapiers konfessionelle Gottesdienste mit Abendmahl beziehungsweise Eucharistie in vier Frankfurter Gemeinden abgehalten. „Jeder entscheidet selbst, ob er dieser Einladung folgt oder nicht“, sagt die Sprecherin. Dabei gehe es um eine persönliche Gewissensentscheidung des einzelnen Gläubigen.
Annäherung beider Konfessionen
Im Grunde passiert das, was am Samstagabend in Frankfurt geschehen soll, jeden Sonntag tausendfach in deutschen Kirchen: Ein Ehepaar, bei dem zum Beispiel er Katholik und sie Protestantin ist, besucht die katholische Messe und geht dort gemeinsam zur Kommunion. Das ist aber quasi stillschweigend – wohingegen es beim Kirchentag nun im offiziellen Rahmen vollzogen wird. „Rom betrachtet diese geplanten Gottesdienste sehr kritisch und wird sicher im Nachgang das klare Gespräch mit den deutschen Bischöfen über diesen aus Sicht Roms untragbaren Rekurs auf das Gewissen zur Legitimation einer widerrechtlichen Praxis führen“, erwartet der Münsteraner Kirchenrechtler Thomas Schüller.
Die Ökumene bezweckt eine Annäherung der beiden Konfessionen. Für den Vatikan bestehe Ökumene aber offenbar darin, dass die Protestanten zurück in den Schoß der katholischen Kirche finden sollten, kritisiert Norbert Bauer, Leiter der katholischen Karl-Rahner-Akademie in Köln. Dies sei umso widersinniger, weil der derzeit laufende Reformprozess in der katholischen Kirche in Deutschland in vielen Punkten auf eine Annäherung an die evangelische Kirche zulaufe. Dies gelte etwa für die Position der Frauen und für das priesterliche Amtsverständnis.
Auch Martin Bock, Leiter der protestantischen Melanchthon-Akademie in Köln, empfindet das Nein des Vatikans vom vergangenen Jahr als „Schuss vor den Bug“. Allerdings gebe es auch bei den Protestanten Stimmen, die vor einer zu starken Annäherung warnten, weil dies ihrer Auffassung nach der Sichtbarkeit und dem Profil der evangelischen Kirche schade.
Kein Ohr für Zwischentöne
An der Basis dagegen hätten sich die Profile vielfach bereits abgeschliffen, sagt Bock. Das geschehe schon durch die vielen konfessionsübergreifenden Ehen und Familien. „Wenn man dann zu einer Eucharistiefeier in eine katholische Kirche eingeladen wird, nimmt man das als gastfreundliche Geste der geistlichen Verbundenheit wahr und eher nicht als theologisches Statement. Diese Zwischentöne werden in Rom leider nicht wahrgenommen.“ Dabei sei das Eucharistie-Verständnis auch bei Katholiken schon lange nicht mehr einheitlich, sagt Bauer: „Wenn man sonntags in der Kirche eine Umfrage machen würde: Was glauben Sie, wenn Sie den „Leib Christi“ in die Hand bekommen?“, bekäme man von 100 Leuten 70 verschiedene Antworten.“ Daneben gebe es aber auch eine Ökumene des jeweils rechten Spektrums beider Kirchen. „Wenn es um Fragen geht wie Abtreibung, Gender-Sternchen, besteht da ein erstaunlicher Konsens“, sagt Bauer. „Der „Marsch für das Leben“ in Berlin zum Beispiel, der ursprünglich katholisch war, ist jetzt ganz stark ökumenisch geprägt ohne klare Abgrenzung zur AfD. lhe
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