Frankfurt. Das Tauziehen zwischen dem umstrittenen Frankfurter Oberbürgermeister Peter Feldmann (SPD) und der Stadtverordnetenversammlung in Hessens größter Kommune wird immer bizarrer. Unmittelbar nachdem sowohl die vier Koalitionsparteien als auch die größte Oppositionskraft eine gemeinsame Kampagne für die Abwahl Feldmanns gestartet hatten, zog der OB am Montagabend nun auch offiziell sein Angebot zurück, im Januar kommenden Jahres von sich aus abzutreten.
Mit dem Bürgerentscheid am 6. November hätten die Frankfurter Bürger nun selbst das Sagen. Entweder sie bestätigten seine Abwahl und er scheide aus dem Amt, oder aber das dafür nötige Quorum werde nicht erreicht und er werde bis zum Ende seiner regulären Amtszeit 2024 „seine Pflichten erfüllen“ und sich „weiter für ein soziales Frankfurt engagieren“, schrieb Feldmann auf der offiziellen Homepage der Stadt.
Das Stadtparlament im Frankfurter Römer hatte Feldmann im Juli mit Zwei-Drittel-Mehrheit abgewählt. Hauptgrund ist der am 18. Oktober beginnende Prozess gegen den Oberbürgermeister wegen des Verdachts der Vorteilsnahme. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, im Gegenzug für ein ungewöhnlich hohes Gehalt seiner damaligen Lebensgefährtin und späteren Ehefrau als Kindergartenleiterin der Arbeiterwohlfahrt (AWO) eine wohlwollende Behandlung der Anliegen dieser Organisation in der Kommune zugesagt zu haben.
Feldmann bestreitet diesen Vorwurf und nahm die Abwahl nicht an. Daher müssen nun die Einwohner der Stadt in einem Bürgerentscheid darüber befinden. Für seine endgültige Abwahl ist aber nicht nur eine Mehrheit der abgegebenen Stimmen erforderlich, es müssen zugleich 30 Prozent der Wahlberechtigten in Frankfurt sein.
Vorgeschriebenes Quorum
Dieses gesetzlich vorgeschriebene Quorum gilt aber als schwer zu erfüllen, da bei Feldmanns Wiederwahl im Stichentscheid 2018 insgesamt nur 30,2 Prozent ihre Stimme abgegeben hatten. Daher fand sich jetzt die ungewöhnliche breite Allianz aus den Frankfurter Regierungsparteien Grüne, SPD, FDP und Volt sowie der CDU als größter Oppositionskraft zusammen, um für die Abwahl Feldmanns zu mobilisieren. Just am ersten Tag der Briefwahl für den Bürgerentscheid kündigte sie 12 000 Plakate, 250 000 Flyer und eine Kampagne in den sozialen Netzwerken an, um für die Abwahl Feldmanns und damit einen „Neuanfang“ in der Stadt zu werben.
Appell für fairen Umgang
Der Frankfurter SPD-Chef Mike Josef sagte auf der gemeinsamen Pressekonferenz der fünf Parteien: „Angeklagter in einem Strafprozess vor Gericht und Oberbürgermeister dieser Stadt zu sein, ist unvereinbar.“ Deshalb bedauere er, dass Feldmann nicht der Aufforderung der eigenen Partei gefolgt sei, sein Amt spätestens nach Zulassung der Anklage niederzulegen. Josef, der selbst als möglicher Nachfolgekandidat bei der nächsten OB-Wahl gilt, räumte ein, die nächsten Wochen würden für seine Partei nicht leicht, und warb für einen fairen Umgang miteinander. Der Frankfurter CDU-Vorsitzende Uwe Becker nahm indes kein Blatt vor den Mund und nannte Feldmann „Scham und Schande für die Stadt zugleich“.
Auch Becker gilt als wahrscheinlicher OB-Kandidat seiner Partei, doch betonten alle fünf Teilnehmer der ungewöhnlichen Allianz, dass derartige Personalfragen erst anstünden, wenn das Ergebnis des Bürgerentscheids vom 6. November feststeht. Die Frage, was geschehe, wenn das nötige Quorum dabei doch verfehlt werde, wollten weder Josef noch Becker beantworten. Sie betonten nur, die für die Abwahl erforderliche Stimmenzahl müsse und werde erreicht werden. Auf einem der beiden Plakatmotive steht: „Abwahl von OB Feldmann – Neustart für Frankfurt“ in den Parteifarben Lila (Volt), Grün (Grüne), Gelb (FDP) und Schwarz (CDU). Auf dem anderen steht dagegen in Anspielung auf das ungewöhnliche Bündnis uni: „Für ein Kreuz vergessen wir mal alle Farben“.
Ein Machtmittel bleibt dem OB
Kommt die Mehrheit für die Abwahl zustande, wird wohl bald wieder jede Partei im Wahlkampf für sich selbst kämpfen. Scheitert sie, stehen Frankfurt turbulente Zeiten bevor mit dem 63-jährigen Feldmann als OB, den fast alle Parteien ablehnen. Die Gemeindeordnung gibt dem direkt gewählten Oberbürgermeister allerdings auch ein Machtmittel – das Recht, die Dezernate im Magistrat zu verteilen.
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