Soziales

Was der Viernheimer Verein Focus in 30 Jahren geleistet hat

Leicht ist die Arbeit nicht: Der Viernheimer Verein Focus fördert seit 30 Jahren die Partnerschaft zu Satonévri in Burkina Faso. Und hat in Zukunft viel vor.

Von 
Kathrin Miedniak
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Bürgermeister Norbert Hofmann und Präfekt Ibraïma Traoré besiegeln die Partnerschaft zwischen Viernheim und Satonévri (Bild von 1994). © Schwetasch

Viernheim. So richtig in Feierstimmung sind sie noch nicht, die Vorstandsmitglieder des Vereins Focus. Zu viel ist noch zu tun. Einerseits für die Feier des 30-jährigen Bestehens der Städtepartnerschaft zwischen Viernheim und der Kommune Satonévri in Burkina Faso, die seit 2013 das ganze Departement Silly umfasst. Andererseits für die vielen Projekte, die derzeit laufen. Aber im Gespräch über den aktuellen Stand der Partnerschaft, 30 Jahre nach der Gründungsfeier 1995 in Afrika, hält das Team kurz inne. Und es wird klar: Es gibt zum Dreißigsten jede Menge Gründe zum Feiern.

Um es in Zahlen zu sagen: Sechs Schulen wurden bisher in Silly gebaut. 33 Gebäude für ein Berufsbildungszentrum wurden errichtet, in dem schon 117 Ausbildungen abgeschlossen wurden. 7500 Moskitonetze wurden verteilt, 35 Brunnen gebohrt, 10000 Obstbäume gepflanzt. Und das ist nur ein kleiner Auszug all dessen, was sich in der südlichsten Partnerkommune Viernheims in den vergangenen drei Jahrzehnten getan hat.

Meilensteine einer Partnerschaft

1993: Gründung des Vereins Focus e.V., Bau der ersten zwei Brunnen in den Dörfern Tonon und Névri

1994: Unterzeichnung der Städtepartnerschaft mit Satonévri in Viernheim

1995: Feier der Begründung der Städtepartnerschaft in Satonévri; Bau der ersten Grundschule

1998: Start der Schulpatenschaften

2003: Begründung der Dreieckspartnerschaft Rovigo, Satonévri, Viernheim

2012: Eröffnung des Berufsbildungszentrums für Landwirtschaft und Tierhaltung in Silly

2013: Erweiterung der Partnerschaft auf das ganze Departement Silly, das fast doppelt so groß ist wie der Kreis Bergstraße und heute 53.000 Einwohner hat

2017: Start des Klimaprojekts „Ein Kind, ein Baum“

2020: Anschaffung eines Krankenwagens

2024: Aufbau einer Produktionsstätte für angereichertes Mehl für unterernährte Kinder

Spendenkonto: IBAN DE18 5095 1469 0013 2365 62

Mehr unter www.focus-viernheim.de

Möglich gemacht haben das engagierte Menschen auf beiden Kontinenten. Die Bürger in Silly genauso wie die Viernheimer, die seit Beginn der Partnerschaft bis heute entweder großzügig spenden oder sich als Mitglieder im Verein engagieren. Focus hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Partnerschaft mit Leben zu füllen. Auch wenn das aktuell nicht immer leicht ist.

Terrorgefahr in Burkina Faso – seit 2019 war keine Viernheimer Delegation mehr dort

„Es läuft im Moment wieder etwas besser. Aber nicht so gut wie noch vor einigen Jahren“, sagt Vorstandsmitglied Gerrit Lohmann. Ein großes Problem sind die islamistischen Terrorgruppen, die Burkina Faso heimsuchen und eine Zeit lang auch in Silly eingedrungen waren. Jetzt sei es der Polizei und dem Militär gelungen, die Terroristen weitgehend aus dem Landkreis zu verdrängen und diesen mit bewaffneten Freiwilligen zu sichern, sodass viele vertriebene Bewohner wieder zurückkehren konnten. Auch der so dringend benötigte Krankenwagen, der dank Viernheimer Spender angeschafft werden konnte, kann jetzt endlich fahren.

Die Schülerinnen freuen sich über die neu gebaute Schule. © Focus

Davor musste er versteckt werden, aus Angst, die Terroristen würden den Wagen beschlagnahmen. Vieles liegt aber noch im Argen. „Durch die Militärputsche im Land sind mittlerweile alle Bürgermeister weg und wir können auf kommunaler Ebene kaum arbeiten. Das erschwert die Arbeit sehr“, sagt Lohmann. Seit 2019 war keine Viernheimer Delegation mehr in Burkina Faso, erst wegen Corona, dann wegen der Terrorgefahr. „Wir arbeiten weiter, aber aus der Ferne, über Internettelefonie und mit Emails“, sagt Vorstandsmitglied Judith Lipp. Es geht. Aber es ist nicht leicht.

Die Spendenbereitschaft in Viernheim ist riesig

Doch die Partnerschaft hat Bestand, in guten wie in schlechten Zeiten. Auch, weil Viernheim nach wie vor jedes Jahr einen Euro pro Einwohner der Brundtlandstadt in die Partnerschaft steckt. Und weil viele Viernheimer spenden und so zum Beispiel schon 1066 Schul- und 213 Berufsbildungs-Patenschaften übernommen haben. „Wir sind dankbar für diese Großzügigkeit“, sagt Vorstandsmitglied Susanne Grüb-Klotz. „Wobei das sicher auch daran liegt, dass bei uns kaum Spenden in Verwaltungsarbeit fließen.“

98 Prozent des Geldes geht direkt in die Projekte, das ist Focus wichtig. Und dass alle Projekte gemeinsam mit den Bewohnern Sillys entwickelt werden, abgestimmt auf die Bedürfnisse vor Ort. „Wir geben viel, aber wir nehmen auch viel mit“, betont Vorstandsmitglied Manfred Weidner an dieser Stelle. Die Partnerschaft sei auch bereichernd für Viernheim, etwa, wenn Schülerinnen und Schüler hier in regelmäßigen Vorträgen viel über das Leben in Burkina Faso erfahren.

Aber auch durch Begegnungen wie Delegationsbesuche aus Silly, wie jetzt zur Feier des Partnerschaftsjubiläums. Und immer wieder durch herzerwärmende Erfolgsmeldungen aus Silly wie der Geburt eines Babys einer stark unterernährten Mutter, die durch Focus Lebensmittel erhalten hatte. „Die Hebamme hat uns geschrieben: Dank Ihrer Unterstützung wurde dieses Kind gesund geboren“, erzählt Vorstandsmitglied Wolfgang Pachner. „Solche Momente spornen an.“

Auch der Klimawandel stellt die Region vor Herausforderungen

Und solche Momente der Motivation braucht es, denn die Arbeit wird nicht weniger. In Burkina Faso sorgt nicht nur der Terrorismus weiterhin für Probleme, indem er viele Binnenflüchtlinge nach Silly spült. Auch die Klimakrise verschärft die Armut. Auf Dürren folgen schwere Regenfälle, die die mühsam bearbeiteten Felder einfach wegspülen. Gemeinsam packen die verpartnerten Kommunen diese Probleme an, so gut es eben geht.

So wird aktuell eine weitere Schule gebaut, das Berufsbildungszentrum um Kurse in Fisch- und Bienenzucht sowie eine Weberei erweitert und Lebensmittel werden an hungernde Binnenvertriebene verteilt. Zu tun gäbe es eigentlich noch viel mehr, sagen die Vorstandsmitglieder. „Aber auch kleine Schritte bringen Fortschritt. Und ohne den wird es nie weitergehen“, sagt Lohmann.

Auszubildende des Berufsbildungszentrums von Silly beim Ernten von Tanarinden. © Focus

Damit die Partnerschaft immer weitergehen kann, hat der Verein allerdings auch eine Herausforderung in Viernheim zu bewältigen. Nämlich die Frage: „Woher kriegen wir junge Vereinsmitglieder, die die Arbeit weitertragen?“, sagt Lipp. Focus entschied sich, seine Vorstandsstruktur zu ändern. 13 Mitglieder bilden nun das Team, in dem die Aufgaben jetzt auf mehr Köpfe und nach Schwerpunkten wie Gesundheit oder Bildung verteilt sind.

„Das hat sich ausgezahlt“, sagt Weidner mit Blick auf neugewonnene Vereinsmitglieder. Für die Zukunft hat Focus viele Träume, etwa von einem kleinen Krankenhaus in Silly über ein sich endlich besser finanziell tragendes Bildungszentrum, dem derzeit notorisch Geld fehlt, bis hin zu gemeinsamen Klimaschutzprojekten. „Die nächsten zehn Jahre wird es die Partnerschaft sicher noch geben“, ist Lipp zuversichtlich. Vor allem, wenn bald hoffentlich wieder Reisen nach Burkina Faso möglich sind. Denn Lipp weiß: „Wer einmal dort war, den lässt das nie mehr los.“

Freie Autorin

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