Viernheim. Die Viernheimer SPD geht in die Offensive. Sie will sich mehr der Bevölkerung öffnen. Die Ortspartei will ausgetretene Pfade verlassen und überkommene Rituale erneuern. Anlass ist der Mitgliederschwund, aber auch das sinkende Interesse der Menschen an kommunalpolitischen Vorgängen. Was die Partei zu unternehmen gedenkt, erklären Co-Vorsitzender Peter Lichtenthäler und Beisitzer Christian Inturri im Gespräch mit dieser Redaktion. Dabei wird es auch um Politik im Allgemeinen gehen.
Die SPD hat nach eigenen Angaben die Hälfte ihrer Mitglieder verloren. Blickt man weiter zurück, sieht es noch drastischer aus: In den 1970er Jahren zählte der Ortsverein etwa 300 Mitglieder, heute sind es um die 80. Diese Betrachtung sei der eigentliche Weckruf gewesen, sagt Lichtenthäler. Es folgte eine Klausurtagung von Vorstand und Fraktion im November.
Zuletzt doch einige neue Leute dazu gekommen
„Alle Parteien in Viernheim werden große Schwierigkeiten haben, 45 Namen auf die Liste zur Kommunalwahl im nächsten Jahr zu bekommen“, so der Co-Vorsitzende. Die Stadtverordnetenversammlung umfasst 45 Sitze. Denn bei den Anderen sähe es auch nicht besser aus, was die Mitgliederentwicklung betreffe. Die gute Nachricht: Zuletzt seien doch einige neue Leute dazugekommen, auch junge Frauen.
Ergebnis der Klausur ist ein Zehnpunkteplan. Zunächst vier davon stellen Inturri und Lichtenthäler im Gespräch vor. Nummer eins: die Mitgliederversammlung. Bislang tagte sie einmal im Jahr. Das soll sich ändern. Man wolle die Mitglieder öfter und anlassbezogen einladen. „Bisher fallen die Entscheidungen im Hinterzimmer, und die Mitglieder dürfen einmal im Jahr bei den Vorstandswahlen nicken. Das reicht nicht“, so Lichtenthäler.
„Der Begriff Öffnung steht über allem“
Häufigere Versammlungen bedeuteten indes nicht, tatsächlich alle Entscheidungen von Grund auf zu diskutieren. Der Vorstand müsse schon Vorschläge anbieten. „Aber uns ist der Austausch wichtig. Die Expertise ist uns wichtig, etwa wenn wir über die Zukunft des Standorts altes Rathaus sprechen“, erklärt der Co-Vorsitzende. Der jetzige Turnus der Versammlungen könne dazu führen, dass sich potenziell engagierte Leute abgehalten fühlen. Für den 14. Mai ist bereits eine Versammlung zu einem aktuellen bundespolitischen Thema geplant. „Der Begriff Öffnung steht über allem“, fasst Christian Inturri zusammen.
Zweitens: Die Partei will ihre Formate überarbeiten und Neues ausprobieren. Eine verstärkte Projektarbeit soll Interessierten ermöglichen, sich zu bestimmten Themen gezielt einbringen zu können. Hier zitieren Lichtenthähler und Inturri Bürgermeister Matthias Baaß aus seiner Rede beim Frühjahrsempfang der SPD Bergstraße: „Ziel muss sein, die Dinge so zu diskutieren, wie die Menschen sie sehen. Das ist die beste Brandmauer, die es gibt.“
Ideenbörse auf viernheim-gemeinsam.de
Drittens: Die Viernheimer SPD startet die Ideenbörse viernheim-gemeinsam.de mit dem Ziel, neue Impulse aus der Stadtgesellschaft für die Stadt zu bekommen. Auch hier geht es um Austausch: Alle (seriösen) Beiträge werden veröffentlicht, man kann digital ins Gespräch kommen. Und die Betreiber der Plattform können etwa an den Likes sehen, welche Themen und Vorschläge ziehen.
Viertens: Der Ortsverein will nach langer Zeit wieder regelmäßige Stammtische anbieten - auch für Nicht-Mitglieder. Da Kommunalpolitik, anders als Landes- und Bundespolitik, sehr stark auf persönlichen Kontakten beruhe, bedürfe es einer stärkeren Verankerung des Ortsvereins in der Bevölkerung. Auch hier steht der Austausch im Mittelpunkt. Der erste Stammtisch findet am Dienstag, 29. April, ab 19 Uhr im Lokal Galicia im Bürgerhaus statt. Thema: „Sport (-Vereine) in Viernheim“. Anmeldung unter info@spd-viernheim.de.
Große Bedeutung für die Demokratie
Der Co-Vorsitzende, seit 25 Jahren bei der SPD, macht keinen Hehl daraus, dass die Partei in der Vergangenheit gesellschaftliche Veränderungen und neue Strömungen nicht ausreichend wahrgenommen und darauf reagiert habe. Lichtenthäler: „Das ist ein Versäumnis.“ Gleichzeitig betonen er und sein Kollege Inturri die große Bedeutung der Parteien auch im Lokalen für eine funktionierende Demokratie.
Inturri unterrichtet am Gymnasium Politik und Wirtschaft (PoWi). Er habe zuletzt mit einer Klasse die Bedeutung von Parteien sehr detailliert erörtert. „Ergebnis: Ohne Parteien funktioniert die Demokratie nicht“, sagt er. Und Lichtenthäler: „Ich engagiere mich nicht politisch, weil ich die SPD so super finde. Ich hadere da mit so Manchem. Ich bin in der SPD, weil ich die Demokratie so super finde.“
Ein Sprung nach Berlin. Was halten beide vom Koalitionsvertrag, etwa von der Aufrüstung? Die ist für sie alternativlos. Bei der Migration hätte sich Lichtenthäler eine stärkere Betonung der Notwendigkeit einer kontrollierten Zuwanderung gewünscht. Inturri ist begeistert darüber, dass sich zwei Parteien der Mitte zusammengetan haben, um es endlich anzupacken. Das ist für ihn ausschlaggebend.
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