Demonstration

Viernheimer setzen Zeichen gegen Hass und Ausgrenzung

Rund 350 Menschen haben auf dem Viernheimer Apostelplatz für die Verteidigung der Demokratie demonstriert. Gleichzeitig setzten sie ein Zeichen gegen Rechtsextremismus und Ausgrenzung

Von 
Othmar Pietsch
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Zahlreiche Viernheimer folgen dem Aufruf der Aktionsgruppe Viernheimer Appell und zeigen auf dem Apostelplatz Flagge für Freiheit und Menschenrechte. © Othmar Pietsch

Viernheim. Am Ende der Demonstration auf dem Apostelplatz war Hauptorganisator Norbert Hofmann von der Aktionsgruppe Viernheimer Appell sichtlich zufrieden mit der Veranstaltung. „Es sind mehr Leute gekommen, als ich mir das gewünscht hatte, und die Reden waren kurz, prägnant und bildeten die ganze Breite der Viernheimer Bevölkerung ab“, sagte der Ex-Bürgermeister und ehemalige Bergsträßer Landrat. Nach Polizeiangaben waren rund 350 Menschen in die Innenstadt gekommen, um mit Plakaten, Bannern und Fahnen für Demokratie und Vielfalt, aber auch gegen Hass und Ausgrenzung einzustehen.

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Martin Schulte
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Die Wortbeiträge von jungen und älteren Bürgern, von eingefleischten Viernheimern sowie Zugezogenen, bildeten die aktuelle Lage eindrucksvoll ab. Da war von Rechtsruck, Extremismus, Ausgrenzung und Gewalt bis hin zu kriegerischen Konflikten die Rede, und das weltweit. Die Demokratie sei auch hierzulande bedroht. Deshalb auch das Motto der Organisatoren: „Nie wieder ist jetzt.“ Die Redner machten deutlich, dass es nicht genüge, auf die Straße zu gehen, zu demonstrieren und die Missstände anzuprangern, jeder Einzelne müsse auch im Alltag Flagge zeigen.

Auch Bürgermeister Matthias Baaß (2.v.l.) und Stadtverordnetenvorsteher Norbert Schübeler (2.v.r.) nehmen an der Kundgebung teil. © Othmar Pietsch

„Es ist wirklich beeindruckend, dass so viele Menschen auf den Apostelplatz gekommen sind. Dafür möchte ich mich herzlich bedanken. Das ist eine klare Botschaft, dass für Hass kein Platz ist. Rechtsextremismus hat in Deutschland nichts zu suchen“, erklärte der 19-jährige Abiturient Henok Keleta, der sich eine gerechte und pluralistische Gesellschaft wünscht.

"Das Fundament der Demokratie steht auf dem Spiel"

Lewand Hasan lebt seit acht Jahren in Deutschland, studiert politische Wissenschaften, ist Co-Vorsitzender der Integrationskommission und Vertreter der Initiative Helping Hands. Er fordert einen „Wendepunkt in der Geschichte. Es gibt einen Rechtsruck wie schon lange nicht mehr. Das Fundament der Demokratie steht auf dem Spiel, weil Angst geschürt und Bürger gespaltet werden. Das darf nicht sein.“

Auch Alaa Kamali hat einen Migrationshintergrund. In ihrem Heimatland Syrien studierte sie Jura. Nach der Flucht nach Deutschland hat sie beim Verein Lernmobil eine Ausbildung zur Integrationslotsin absolviert und ist mittlerweile als Asylverfahrensberaterin tätig. „Ich bin stolz, heute hier stehen zu können und danke allen Menschen, die mir auf dem Weg ohne Vorbehalte geholfen haben. Vielfalt ist eine Chance, aber kein Selbstläufer“, forderte sie die Menschen dazu auf, für freiheitliche Werte einzustehen.

Alaa Kamali wirbt dafür, Vielfalt als Chance zu sehen. © Othmar Pietsch

Bianca Klotzbach, Lehrerin der Friedrich-Fröbel-Schule, rief zusammen mit ihrem Schüler Noah Dosch dazu auf, Netzwerke zu knüpfen und in Vereinen, Organisationen, Schulen und Kindergärten zu informieren. „Wir sind mehr als die. Jeder hat von Geburt an Menschenrechte. Die kann niemand, keine Regierung und auch kein Despot wegnehmen.“ Der evangelische Pfarrer Markus Eichler zeigte sich ebenfalls erfreut über die große Resonanz. „Es gilt, ein kostbares Gut zu verteidigen, nämlich die Demokratie und die Freiheit. Gegner entlarven sich bei ihren Argumenten mit Sätzen wie ,ich bin ja kein Rassist, aber...‘ oder ,man wird ja wohl noch was sagen dürfen‘. Wir müssen aus unserer Geschichte lernen.“

Sprache wird zunehmend schärfer

Auch Angela Eckert, Gemeindereferentin der katholischen Kirche, beklagte die Wortwahl im Alltag. „Da fallen Ausdrücke, die vor Jahren noch unvorstellbar waren. Leute wie Orbán, Le Pen und Höcke wollen unser Europa zerstören. Dagegen müssen wir uns auflehnen.“ Den Feinden der Demokratie eine Absage erteilen, möchte Nils Burkhoff vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB). „Man hat hierzulande schon einmal nur zugesehen, als eine Arbeiterpartei die Macht an sich gerissen und einen Krieg mit Millionen Toten angezettelt hat.“

Für Hass dürfe in Deutschland kein Platz sein, sagt Henok Keleta. © Othmar Pietsch

Seine Auslandserfahrungen schilderte Michael Spieß, international agierender Unternehmer, der ebenfalls an die Nazi-Vergangenheit Deutschlands erinnerte. „Bei meinen Geschäftsreisen habe ich festgestellt, dass Deutschland immer noch hohes Ansehen genießt. Allerdings schlug mir auch Hass entgegen, aber selten. Wir müssen erkennen, was wir an der Demokratie haben und sie schätzen und schützen.“

Instrumentalisten und der FFS-Grundschulchor treten auf

Annalena Vazquez Pawelak, 19-jährige Abiturientin der Alexander-von-Humboldt-Schule (AvH), sagte, es mache ihr Angst, in einer Zeit groß zu werden, in der es mehr Gegeneinander als Miteinander gibt. „Es ist falsch, mit dem Finger auf andere zu zeigen, man muss reden, diskutieren und aufklären. Man regt sich über Kleinigkeiten wie Baustellen, Staus oder Bahnstreiks auf, dabei gibt es viel größere Dinge im Land, für die man einstehen und das Wort erheben sollte. Die Demokratie verdient es, dass dafür gekämpft wird.“

Für den musikalischen Rahmen der Veranstaltung sorgten die Violinistin Helena Wachter und Helmut Neumann (Gitarre und Gesang). Sie hatten sich Lieder von Django Reinhardt, Bob Dylan und Stücke aus Argentinien für ihren Auftritt ausgesucht. Mit viel Beifall bedacht wurde auch die Darbietung des Grundschulchors der Friedrich-Fröbel-Schule (FFS) unter der Leitung von Christoph Wunderle. Der Chor präsentierte den Titel „Kommt, wir ziehen in den Frieden“ aus der Feder von Udo Lindenberg.

Die Aktionsgruppe Viernheimer Appell plant weitere Aktionen. Vorbereitet werden sollen sie bei einem Arbeitstreffen am Mittwoch, 27. März, ab 19 Uhr in der Cafeteria des neuen Rathauses am Alten Weinheimer Weg 1. Nach Angaben der Organisatoren geht es vor allem darum, die Planung für das „Fest der Demokratie und Vielfalt“ am 8. Mai voranzutreiben. Es soll an die Verabschiedung des Grundgesetzes im Jahr 1949 erinnern.

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