Viernheim. Es reicht schon eine einfache Tonfolge, das Rauschen von Blättern im Wind oder das Tröpfeln von Regentropfen. Für den Computer sind das einfach nur Daten, die so lange beliebig verwandelt werden können – bis ein Klangbild oder vielleicht ein Song entsteht. Wie das funktioniert? Das zeigt der Musiker Timo Jäger mit seinem Angebot „Musik und neue Medien“ an der Viernheimer Musikschule. Teilnehmen können Jugendliche ab zwölf Jahren, aber auch Erwachsene können den Unterricht buchen. Jäger sagt: „Noch ist es ein Geheimtipp“.
Wie kam der Referent auf die Idee? „Ich biete das an, was ich mir als Jugendlicher dringend gewünscht hätte. Ich habe mir damals erst einmal alles selbst zusammengesucht und beigebracht.“ Für die moderne Gestaltung oder Komposition von Musik braucht es zwar „nur“ einen Laptop, ein gutes Keyboard und eine Digital Audio Workstation mit Musikproduktions-Software. „Aber die Technik alleine reicht nicht, man muss lernen, damit umzugehen“, so Jäger. „Je mehr man weiß, desto vielfältiger sind die Möglichkeiten der Gestaltung.“
In einer sehr musikalischen Familie groß geworden
Jäger ist in Birkenau aufgewachsen. Er erzählt: „Meine Familie ist sehr musikalisch. Mein Vater Oliver spielt als Gitarrist in einer Band, meine Brüder spielen Klavier und Gitarre.“ Mit fünf Jahren nutzte Timo die Gelegenheit und probierte die Trommel im Proberaum des Vaters aus. „Cool.“ Sofort erhielt das Kleinkind Unterricht und übte mit „Trommeln“, die aus Stapeln von Zeitungen bestanden. Jäger lächelt: „Das reicht schon, um die Geschicklichkeit mit den Stöcken zu erlernen.“
Als sein Bruder Christoph wegen Krankheit nicht zum Klavierunterricht gehen konnte, sprang Timo ein. „Es hat mir so gut gefallen, dass ich weiter lernen durfte.“ Außerdem erlernte er das Spiel der Gitarre. Als Jugendlicher legte er beim Instrumentalunterricht eine Pause ein. „Ich spielte nicht gerne Noten vom Blatt, sondern schuf lieber eigenes.“
Mit seinem Bruder Marc gründete er seine erste eigene Band, später folgte die nächste Band mit dem Bruder und Freunden. Die Gruppe nannte sich „BB6“ wie „Band by 6“. Sie traten mit Songs von den Beatles, Rolling Stones und weiteren Songs der 1960er und 1970er als Vorband der Band des Vaters auf. Jäger sagt: „Ich habe oft das Schlagzeug gespielt und gesungen. Dann suchten einige Zuhörer den Sänger, denn sie waren nicht daran gewöhnt, dass der Sänger am Schlagzeug sitzt.“
Es folgte die Gründung der nächsten Band „Big Session“, die Wettbewerbe bei der Sparkasse Starkenburg gewann. Jäger erinnert sich: „Eine coole Zeit. Es gab damals viele Bands, die sich unterstützten.“ Auf YouTube veröffentlichte er Aufnahmen von Cover- und Eigenkompositionen. 2011 und 2012 gewann er den deutschen Rock- und Pop-Preis. An der Martin-Luther-Schule in Rimbach wählte er die Leistungskurse Musik und Biologie. Im Abitur hatte er die beste Biologie-Note seines Kurses.
Ein Biologie-Studium brach er jedoch ab. „Das fanden meine Eltern gar nicht gut.“ Nachdem er mit einer Bewerbung an der Popakademie in Mannheim keinen Erfolg hatte, versuchte er es ein zweites Mal. Nun klappte es. Für den Musiker begann eine ungewöhnliche Zeit: „Man duzt sich mit den Dozenten, die später Kollegen sein würden.“ 2018 schloss er das Studium mit dem Bachelor ab.
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Popakademie im zweiten Anlauf statt Biologiestudium
Während des Gesprächs mit dieser Redaktion ging Jäger an den Computer und spielte einige Töne des melancholischen Lieds „Time“ von Hans Zimmer aus dem Film „Inception“ ein. In den Tönen „schwang“ der ganze Raum – ein Gefühl von überwältigender Romantik. Dann drückte Jäger nur einige Tasten und nahm der Stimme die „Größe“. Plötzlich erklang das gleiche Lied mit einer anderen Klangfarbe: Es war, als würde ein Kind ein Volkslied singen. Jäger sagt: „Diese Möglichkeiten wollen junge Menschen heute erforschen.“
Jäger ist selbst von der Vielfalt fasziniert. Über Internet-Foren und Facebook nahm er Kontakt zu Gleichgesinnten auf. Durch Zufall lernte er so den Japaner Yusuke Hatano kennen, der Unterstützung bei der Gestaltung der Filmmusik zu „Line Walker 2“ suchte. Jäger nahm die Herausforderung an. Er sagte: „Unsere Kommunikation lief nur über das Internet. Erst später habe ich Yusuke Hatano persönlich in Hongkong getroffen.“
Für den deutschen Musiker öffnete sich eine neue Welt. So gestaltete er schon Musik für Film-Trailer, die weltweit im Internet verbreitet wurden. Er arbeitet zum Beispiel für den Trailer-Komponisten Michael Maas. Auch hier kam der Kontakt über das Internet zustande, bevor Jäger entdeckte, dass Maas in Deutschland lebt.
Woher nimmt Timo Jäger seine Ideen? „Ich staune selbst. Aber je mehr ich arbeite und Musik gestalte, desto mehr Ideen habe ich.“ In seinem Kurs vermittelt er Musikproduktions-Kenntnisse für Anfänger, aber auch Fortgeschrittene. Doch vor allem richtet er sich nach den Wünschen der Teilnehmer. Sie dürfen sich ausprobieren. Der Dozent begleitet und gibt individuelle Tipps. So warnt er vor einer Überfrachtung mit Effekten oder gibt die Anregung, das Tempo zu variieren. „Das Gestalten von Musik ist ein individueller Vorgang. Ich lasse gerne Raum für die eigene Kreativität.“
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