Jubiläum

THW Viernheim blickt auf 60 Jahre zurück

Im Jahr 1965 wurde die Viernheimer Ortsgruppe des THW gegründet. Seitdem haben die Mitglieder bei Einsätzen weltweit und hierzulande viel erlebt. Ein Rückblick.

Von 
Kathrin Miedniak
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Viernheim. Vor den Fenstern der Unterkunft des Technischen Hilfswerks (THW) Viernheim wird es dunkel. Aber drinnen bemerkt das niemand. Dort fliegen die Erinnerungen hin und her. „Wisst ihr noch, wie wir früher Baumstümpfe gesprengt haben?“, fragt Winfried Engel. Der Rest der Runde lacht. Alte Bilder werden herausgesucht, sich an lustige Jugendlager erinnert, aber auch an schwere Einsätze. Die 60 Jahre seit der Gründung der Viernheimer Ortsgruppe des THW waren ereignisreich – und die Arbeit der ehrenamtlichen Helfer in Blau ist bis heute spannend.

Chronik

1965: Gründung des Ortsverbands Viernheim als eigenständiger Ortsverband.

1975: Umzug in die Unterkunft in der Kettelerstraße 26.

2004: Einweihung der neuen Unterkunft in der Alfred-Nobel-Straße 1a.

2015: 50-jähriges Jubiläum mit der „Erlebnis-Woche“ im Rhein-Neckar-Zentrum.

2025: Sein Jubiläum feiert das THW Viernheim am 5. Juli auf dem Stadtplatz, wo es ab 10 Uhr den ganzen Tag Vorführungen aus der THW-Arbeit geben wird.

Interessierte sind eingeladen, freitags um 19.30 Uhr zur Übungsstunde in die Alfred-Nobel-Straße 1a zu kommen und sich unverbindlich zu informieren. mie

Im Jahr 1965 gründet eine Gruppe Pfadfinder, die eine neue Aufgabe sucht, einen Ortsverband des THW. Das erst 15 Jahre zuvor entstandene deutschlandweite Hilfswerk ist eine von Ehrenamtlichen getragene Einsatzorganisation des Bundes, das dem Innenministerium angehört. Die Aufgabe der Helfer, deren Fahrzeuge durch leuchtend blauen Lack auffallen, ist technische Hilfe im Katastrophen- und Zivilschutz. Anfangs schwingt dabei die Bedrohung durch den kalten Krieg mit. „In den ersten Jahren mussten unsere Übungen einen Bezug zum Verteidigungsfall haben“, erinnert sich Ortsbeauftragter Volker Patzwaldt.

Erste Treffen finden 1965 im Haus Schöning statt

Die ersten Treffen der Viernheimer Gruppe finden im Haus Schöning statt, dort, wo heute das Hallenbad steht. Die Ausrüstung ist übersichtlich: „Eine Schippe, eine Schubkarre und ein paar Leinen“, zählt Patzwaldt auf. 1975 zieht die Gruppe in die Kettelerstraße 26 um. Dort wird es aber bald zu eng. Nach langer Grundstückssuche erfolgt 2004 der Umzug in ein neues, extra für die Bedürfnisse der Helfer gebautes Gebäude in der Alfred-Nobel-Straße 1a.

Von Anfang an zieht die Gruppe viele Jugendliche an – und die bringen ihre Freunde mit. „Ein Kumpel von mir hatte immer freitags abends keine Zeit“, erinnert sich Winfried Engel. „Irgendwann meinte er: Komm doch mit, ich gehe da immer zum THW.“ Helfer Tobias Schweikart muss lachen: „Das ist auch heute noch so. Wenn ich neue Freunde kennenlerne, landen die ein Vierteljahr später auch beim THW.“

Vor allem die Arbeit mit Werkzeug und schwerem Gerät lockt viele. „Die Technik fasziniert“, sagt Patzwaldt. Bertram Bähr neben ihm nickt. Wie der Ortsbeauftragte ist auch er schon seit Ende der 70er Jahre aktiver Helfer und begeistert vom handwerklichen Teil der Arbeit: „Alles, was ich über den Umgang mit Holz und Metall weiß, habe ich beim THW gelernt.“ Mit leuchtenden Augen erinnern sich die langjährigen Helfer an Übungen, bei denen etwa Schwimmstege aus Holz und Leinen gebaut wurden. „Früher waren die Arbeit und unser Material einfacher“, sagt Bähr. „Heute ist alles hochtechnisch.“ Aber die Begeisterung ist die gleiche geblieben, auch bei der Jugend.

Das erste Mal den Motortrennschleifer in der Hand

„Als ich das erste Mal den Motortrennschleifer in die Hand nehmen durfte – das war so toll“, schwärmt Junghelfer Michael Stimpel. „Die ganze Woche sitze ich in der Schule. Aber beim THW kann ich anpacken!“ Und das dort Gelernte ist auch im Alltag nützlich. „Jeder THWler, der ein Geschenk einpackt, macht den THW-Knoten!“, sagt Patzwaldt – und alle am Tisch lachen. „Ja, klar, der hält eben“, ruft Winfried Engel, der schon fast seit der Gründung zur Ortsgruppe gehört. Aber er findet noch etwas anderes wichtig: „Es geht bei uns nicht nur um eine sinnvolle Freizeitbeschäftigung, sondern auch um Kameradschaft. Wir Helfer sind alle aus demselben Holz geschnitzt, das verbindet.“

Patzwaldt bringt noch einen Grund ins Spiel, der das THW anziehend macht. „Mich motiviert der Gedanke, zu helfen, der Gesellschaft etwas zurückzugeben“, sagt er. Seit dem ersten Einsatz der Ortsgruppe beim großen Viernheimer Waldbrand in den 70er Jahren hat es dazu viele Gelegenheiten gegeben.

Schier endlos kann die Runde der Helfer am Tisch Einsätze aufzählen und damit gleichzeitig aufzeigen, was das THW im Ernstfall alles tut. Das reicht vom Abstützen eines einsturzgefährdeten Hauses nach einer Gasexplosion in Viernheim in den 80er Jahren über Sprengungen alter Fabrikkamine oder Baumstümpfe in der ganzen Region bis hin zum Anpacken mit Sandsäcken und Pumpen bei Flutkatastrophen an der Elbe, im Ahrtal oder bei den Starkregenereignissen in Viernheim. In Erinnerung geblieben sind den Helfern auch Sturm Lothar im Elsass, wo sie mit Aggregaten für Strom sorgten, der Einsatz beim Amoklauf im Viernheimer Kino oder die Mithilfe in New Orleans nach dem verheerenden Hurrikan Katrina.

Viernheimer sind auf Ortung spezialisiert

Spezialisiert sind die Viernheimer auf Ortung – und das nicht erst, seit sie im Rahmen der Neuorganisation des deutschlandweiten THW in den 90er Jahren dafür eine Fachgruppe bilden. Dass diese stets besonders gut ausgerüstet sei, liege auch daran, dass Helfer des örtlichen Verbands seit der Gründung der Schnell-Einsatz-Einheit Bergung Ausland in den 80ern bei so ziemlich jedem Einsatz dabei waren.

„Ich erinnere mich noch gut an den ersten Auslandseinsatz in Armenien nach einem schweren Erdbeben“, sagt Bertram Bähr. „Als wir dort ankamen, war alles zerstört, es war kalt, die Menschen kauerten auf den Trümmern ihrer Häuser vor Lagerfeuern.“ Er schüttelt den Kopf: „Damals dachte ich, das mache ich nicht mehr.“ Doch er und weitere Viernheimer sind auch bei folgenden Einsätzen etwa in Kolumbien, El Salvador, Pakistan oder Fukushima dabei – mit Ortungsgerät und oft mit ihrer Rettungshundestaffel wie zuletzt bei dem schweren Erdbeben in der Türkei. Am stärksten in Erinnerung geblieben ist Bähr dabei der Tsunami an Weihnachten 2004 vor der thailändischen Küste: „Die Eindrücke von dort habe ich bis heute im Kopf.“

Ehrenamtlich anpacken, um Menschen in Not zu helfen: Das tun derzeit 160 Mitglieder der Ortsgruppe, dazu kommen rund 30 Junghelfer. „Für eine Stadt in der Größe von Viernheim sind wir ein großer Verband“, sagt Patzwaldt. „Da können wir schon stolz sein“ - vor allem auf einige Viernheimer Besonderheiten. Denn nicht nur hat sich die THW-Jugend im vergangenen Jahr als beste in Hessen hervorgetan. Die Viernheimer sind auch die einzige Ortsgruppe, die eine Bigband hat, seit die frühere MSC-Bigband 2018 auf der Suche nach einem Proberaum dem THW beigetreten ist.

Nachwuchs ist da, aber die Aufgaben des THW wachsen auch mit neuen Bedrohungsszenarien, die einen Schutz der Bevölkerung erfordern - etwa durch Naturkatastrophen, die das Stromnetz lahmlegen können oder den Aufbau einer Notunterkunft erfordern. „Wir haben immer Bedarf an Helfern“, sagt Patzwaldt und ermutigt Interessierte: „Einfach vorbeikommen, auch wer nicht technisch versiert ist. Beim THW ist für jeden was dabei.“

Freie Autorin

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