Viernheim. Wird die Hildegardkirche – in den 1960er Jahren erbaut und wegen eines defekten Dachs zurzeit stillgelegt – bald abgerissen? Treten an ihre Stelle, wie von der Stadt vorgeschlagen, Betreutes Wohnen oder eine Unterkunft für Demenzkranke? Diese Fragen treiben die Gläubigen der katholischen Kirche ab Oktober um. Die Gremien des Pastoralraums sprechen sich zu diesem Zeitpunkt dafür aus, das Gotteshaus aufgrund des riesigen Sanierungsbedarfs und der damit verbundenen finanziellen Belastung aufzugeben. Ob das Gebäude profanisiert wird, entscheidet der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf im kommenden Jahr.
Im Zuge des Pastoralen Wegs hat das Bistum Mainz die 46 Pastoralräume – und somit auch die katholischen Gemeinden Viernheims – dazu aufgefordert, ihren Gebäudebestand um 50 Prozent zu reduzieren. Eine zwölfköpfige Projektgruppe des Pastoralraums nimmt im Sommer eine Kategorisierung der einzelnen Immobilien vor. Bewertet wird die Höhe der Zuschüsse für Erhalt und Unterhalt der Einrichtungen. Bei den vier katholischen Kirchen Viernheims schneidet St. Hildegard besonders schlecht ab, St. Marien und St. Michael bekommen eine mittlere Note – und für St. Aposteln ergibt sich Kategorie eins. Gemäß dem „Votum“ des Pastoralraums steht die Hildegardkirche künftig nicht mehr für Gottesdienste zur Verfügung. Die drei verbleibenden Kirchen sollen auch weiterhin für Messen genutzt werden, wobei der Schwerpunkt auf St. Aposteln liegt. Für die Marienkirche wird ein alternatives Konzept gesucht. Das Gleiche gilt für St. Michael. Im Herbst ziehen dort bereits Jugendgruppen in frisch renovierte Räume des Anbaus.
Die Beschlüsse der Pastoralraumkonferenz betreffen auch die künftige Nutzung des Pfarrer-Volk-Hauses als Kita. Das Gremium folgt dem Angebot der Pfarrgruppe, das Gebäude durch die Stadt Viernheim zur Unterkunft für zwei Krippengruppen umbauen zu lassen. Einen entsprechenden Beschluss zur Erweiterung des Kindergartens von St. Michael fasst die Stadtverordnetenversammlung.
Im Anschluss an die Mitteilung der Pastoralraumkonferenz erklärt das Bischöfliche Ordinariat auf Anfrage dieser Redaktion, der Vorschlag aus Viernheim werde „in den kommenden Monaten – gut eingebunden in die Dynamik des Gesamtprozesses – geprüft“. Gemäß Zeitplan sollen die Lösungsvorschläge der Pfarreien bis spätestens 15. Juli 2023 abschließend bewertet werden. Da Viernheim aber bereits zu einem „sehr frühen Zeitpunkt“ einen Vorschlag gemacht habe, sei es „natürlich sehr unwahrscheinlich, dass dieser Zeitrahmen voll ausgeschöpft“ werde. Aufgrund des gerade erst beginnenden Prozesses sei es aktuell aber „noch nicht möglich, einen genauen Termin zu benennen“.
Den Entscheidungen der Pastoralraumkonferenz vorgeschaltet sind zwei Pfarrversammlungen: Die Verantwortlichen der katholischen Kirche Viernheim informieren im April und Juli über die Inhalte des Pastoralen Wegs und die Aufteilung des Dekanats Bergstraße-West in zwei Pfarreien, von denen sich eine aus dem Zusammenschluss der Viernheimer Gemeinden ergeben wird. Die Christen äußern bei den Infoveranstaltungen auch ihre Sorgen über die Zukunft der Gotteshäuser. Pfarrer Dr. Ronald Givens hält ihnen mit Blick auf die wirtschaftliche Situation der Pfarrgruppe unmissverständlich entgegen: „Wir werden Kirchen verkaufen oder verschenken müssen.“
Als erster Adressat solcher Aussagen sieht sich von Beginn an die Stadt Viernheim. Schon im Anschluss an die schadensbedingte Schließung von St. Hildegard im Januar schreiben Bürgermeister Matthias Baaß und Erster Stadtrat Jörg Scheidel an Bischof Peter Kohlgraf. In ihrem Brief äußern sie den Wunsch, bei der Suche nach neuen Nutzungsmöglichkeiten für die Immobilien und Grundstücke der Kirche mitwirken zu dürfen.
Brief an Bischof Kohlgraf
Es sei zu überlegen, „welche Stadtentwicklung an den Standorten möglich ist und welche soziale Infrastruktur in Viernheim auch in Zukunft benötigt“ werde, heißt es in dem Schreiben. Wohnraum für spezielle Zielgruppen, wie eine selbstverwaltete Wohngemeinschaft für an Demenz erkrankte Ältere, sei gefragt, auch eine Tagespflege für Pflegebedürftige wäre ein „sinnvolles Angebot“.
Ein dreiviertel Jahr später – nach dem Votum der Pastoralraumkonferenz – untermauert Baaß seine Vorstellung gegenüber dieser Redaktion. Der Rathauschef kann sich vorstellen, dass die Kommune den Standort in der Weststadt selbst entwickelt oder einen Investor mit ins Boot nimmt. Matthias Baaß geht davon aus, dass das Gebäude eher nicht zu retten ist, abgerissen werden muss – und auf dem Gelände ein neues Objekt entsteht.
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