Viernheim. Sind Wasserschildkröten am Waldsee von Viernheim ein Problem oder nicht? Das wird durchaus unterschiedlich gesehen. Eventuell richtet sich die eigene Meinung danach, wer zu welcher Uhrzeit und wie oft am Waldsee unterwegs ist. Manche Spaziergänger haben eine einzige Schildkröte gesehen, andere haben sechs oder sogar acht Tieren beobachtet. Peter Dresen vom BUND Viernheim und Andrea Herschel vom Naturschutzbund Heppenheim betrachteten im Gespräch mit dieser Zeitung das Phänomen differenziert: „Es ist ein Problem, aber noch keine Katastrophe. Doch man muss wachsam sein.“
In Deutschland heimisch ist die Europäische Sumpfschildkröte. Sie ist die einzige Schildkröte, die in Deutschland natürlich vorkommt. Ihr flacher Rückenpanzer erreicht einen Durchmesser von rund 20 Zentimetern, ihr Gewicht bewegt sich zwischen 400 und 700 Gramm. Inzwischen gilt sie als gefährdet. Eine der Ursachen sind die neuen Siedlungen des Menschen, die den Lebensraum der Sumpfschildkröte zerstören. „Im Waldsee ist derzeit eine Europäische Sumpfschildkröte vorhanden“, so Dresen.
Exotische Schildkröten erobern heimische Gewässer
Aber wer am Waldsee unterwegs ist, kann auch Schmuckschildkröten entdecken. Das ist der Sammelbegriff für exotische amerikanische Schildkröten, wie zum Beispiel die Rotwangen-Schmuckschildkröte. Die Rotwangenschildkröten sind ursprünglich in Nordamerika heimisch. Kopf und Hals sind mit gelben, roten bis orangen Flecken oder Streifen gezeichnet. Sie wird bis zu 30 Zentimeter lang, bis zu 1,5 Kilogramm schwer und kann bis zu 40 Jahre alt werden.
Die Rotwangen-Schmuckschildkröte war früher am häufigsten im Tierhandel erhältlich. Herschel erinnert sich: „Früher gab es diese winzigen Schildkröten für 5 Deutsche Mark (2,50 Euro).“ Inzwischen ist dieser Handel stark eingeschränkt, denn die Art zählt zu den „invasiven Arten“, die heimischen Arten gefährlich werden könnten. Vermutlich haben Unbekannte sie in den Waldsee ausgesetzt.
Herschel hat beim Hessischen Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie nachgefragt. Hessen hat ein Artenschutzprogramm für die heimische Sumpfschildkröte. Ziel ist es, so die Homepage, die Art zu schützen und ihre Population wieder zu erhöhen, auch durch gezielte Auswilderungsprogramme.
Die Probleme in Viernheim? Dresen erklärt: „Alle Wasserschildkröten sind Allesfresser. Sie fressen Algen, Pflanzen, aber auch Kröten- und Froschlaich und kleine Fische.“ Herschel ergänzt: „Falls ihre Zahl zunehmen sollte, könnten sie zu einer Gefahr zum Beispiel für den schon jetzt selten gewordenen Gras- und Springfrosch werden.“
Die nicht-heimischen Schildkröten haben keine natürlichen Feinde. Sie können aber für die heimischen Schildkröten zur Konkurrenz werden. „Es geht nicht nur um Nahrung, sondern auch um den Sonnenplatz“, erklärt Dresen. Die Wasserschildkröten sind Einzelgänger, aber an beliebten „Plätzen an der Sonne“ finden sie sich in Gruppen ein. So kann es in Viernheim durchaus sein, dass sich Schildkröten der unterschiedlichsten Arten einen beliebten Stamm im Wasser, geschützt vor Störungen, für das „Chillen“ teilen.
Ein Blick nach Karlsruhe: Im Jahr 2024 wurden dort Wasserschildkröten im See des Schlossgartens beobachtet. Die Stadt Karlsruhe warnt: „Die aus Nordamerika stammenden Tiere sind hier nicht heimisch und stellen eine Gefahr für die Erdkrötenpopulation dar. Im letzten Jahr konnten keine jungen Erdkröten beobachtet werden, obwohl dort zuvor eine stabile Population vorhanden war.“
Verantwortung und Pflege von Wasserschildkröten beachten
Herschel und Dresen betonen: „Wer sich Wasserschildkröten für ein Aquarium anschafft, sollte bedenken, dass die Tiere oft 30 bis 40 Jahre alt werden. Man sollte sich gut überlegen, ob man so lange für die Tiere sorgen kann. Sie sind kein Spielzeug und nicht als ‚Schmusetier‘ für Kinder geeignet.“ Junge Winzlinge werden manchmal so groß, dass sie im Aquarium nicht mehr genügend Raum finden. Wer exotische Schildkröten im Gartenteich hält, muss dafür sorgen, dass die Tiere nicht in die freie Natur gelangen können. Da Auffangstationen für die Tiere in der Regel voll belegt sind, ist es schwierig, bei Bedarf einen Abgabeplatz für die Tiere zu finden.
Für Deutschland gilt: Wasserschildkröten dürfen aus Gründen des Tierschutzes in der Natur nicht ausgesetzt werden. Denn es kann passieren, dass die wärmeliebenden Tiere in einem harten Winter qualvoll verenden. Auch wenn sie überleben, gefährden sie mit ihrem Appetit die heimische Natur.
Wer Wasserschildkröten aussetzt, macht sich strafbar. Das Tierschutzgesetz sieht für solche Fälle Strafen von bis zu 25.000 Euro vor. Auch wer Wasserschildkröten „mal eben“ einfängt und an einen anderen Ort versetzt, bewegt sich außerhalb der Gesetze. Denn in dem Moment, in dem man eine Wasserschildkröte einfängt, darf man sie nicht mehr erneut aussetzen, so die Auskünfte.
Nach Rücksprache mit dem Hessischen Landesamt für Naturschutz rät Herschel: „Wer eine Wasserschildkröte sieht, sollte sie nicht einfangen, mit der Ausnahme, dass sie sich in Gefahr befindet. Man kann sie fotografieren und die Bilder samt Standort an das Hessische Landesamt für Naturschutz einsenden. Dort bestimmen Experten die Art der Schildkröte.“
Mehr Infos unter https://www.hlnug.de oder arten@hlnug.hessen.de
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