Viernheim. „Ich habe eine Hiobsbotschaft für Sie“, eröffnet Jeanette Pitkevica ihrem Publikum am Sonntagnachmittag und verzieht bedauernd das Gesicht. Doch als sie ankündigt, dass Harfenistin Jelena Engelhardt krankheitsbedingt ausfällt und die Zuhörer nun ein anderes Konzertprogramm erwartet, bleiben ihre Gäste gelassen.
„Wir wissen: Sie bringen uns immer Musik auf hohem Niveau“, sagt Rúnar Emilsson, der Leiter der städtischen Musikschule. Denn dafür sorgt Pitkevica mit ihrer Konzertreihe in Viernheim schon seit 16 Jahren. „So lange – das ist nicht selbstverständlich“, betont Emilsson in seiner Begrüßung und fügt an: „Das braucht Geduld und Kraft.“ Und manchmal kostet es Pitkevica auch ganz schön viele Nerven. „Ich habe um 13 Uhr erfahren, dass unsere Harfenistin ausfällt“, erzählt die Violinistin. „Da hatte ich erstmal hohen Puls.“ Das Problem: Ohne Harfe funktioniert das Abschluss-Programm ihrer aktuellen Konzertreihe nicht mehr.
In drei Stunden einstudiert
Spontan druckt sie andere Noten aus und beginnt mit ihren Musikerkollegen des Solasta Streichquartetts zu proben. Nur drei Stunden später nehmen neben Pitkevica Sung-Yun Wang an der Violine, Alberto Peláez Romero an der Bratsche und Jerar Yuzengidzhyan am Violoncello auf der Bühne Platz. Und sie beginnen das Konzert mit dem neu ins Programm eingebauten Divertimento F-Dur von Mozart so harmonisch, dass niemand ahnen würde, wie kurz ihre Probezeit war.
Eigentlich sollte das Konzert unter der Überschrift „Kontraste“ stehen. „Jetzt ist es eher eine österreichische Sonate geworden“, scherzt Pitkevica. Gleich zweimal in der ersten Hälfte erklingt Mozart, nur unterbrochen von Schuberts Quartettsatz c-moll für zwei Violinen, Viola und Violoncello mit einigen dramatischeren Passagen. Ein echter Kontrast wartet dann aber doch noch mit dem zeitgenössischen Stück „Elegy für Violine Solo“ des Japaners Toshio Hosokawa auf die Zuhörer.
Pitkevica schickt sicherheitshalber eine Erklärung voraus: „Hier geht es nicht um Rhythmen, sondern um Klangfarben.“ Weil viele Zuhörer ihrer Bitte nachkommen, ihrem Spiel mit geschlossenen Augen zu folgen und gebannt dem An- und Abschwellen der Klänge lauschen, herrscht nach dem letzten, leise verklingenden Ton erstmal Stille – bis alle die Augen öffnen und bemerken, dass Pitkevica die Geige hat sinken lassen.
Zeitgenössisches Stück
„Oha! Super!“, entfährt es einem Zuhörer, bevor so kräftiger Applaus einsetzt, dass Pitkevica vielleicht überlegen könnte, solche modernen Klänge auch in die 17. Konzertreihe in Viernheim einzubauen, die im November in der Kulturscheune starten wird. Die aktuelle Reihe ihrer Auftritte endet aber erstmal beschwingt und heiter mit einem weiteren Mozart-Werk, dessen Klänge noch im großen Saal zu schweben scheinen, als längst der letzte Besucher lächelnd gegangen ist.
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