Viernheim. Die vier jungen Männer am Tisch der Townhall in Viernheim verfolgen ein hehres Ziel. Es ist kein geringeres, als die Demokratie in ihrer Heimatstadt zu stärken – und zwar im Bewusstsein ihrer Generation. Junge Leute, sagen sie, interessierten sich viel zu wenig für die Vorgänge in der Kommunalpolitik. Dem wollen sie entgegenwirken, indem sie einen Jugendbeirat gründen. Parteiübergreifend. Obwohl die Vier bei den Viernheimer Jungliberalen sind, den Julis, der Nachwuchsorganisation der FDP.
Felix Embach, 17 Jahre alt und Azubi, hat diese Redaktion per Mail gefragt, ob sie sich für das Vorhaben interessiere. Na, und wie. Embach ist stellvertretender Vorsitzender der Julis. Mit am Tisch sitzen Amar Besic, 21 und Jurastudent, Tobias Schmitt, 22 und Lkw-Meister sowie Niklas Rösch, 26, er studiert neben dem Beruf. Rösch ist Juli-Vorsitzender und sitzt für die FDP in der Stadtverordnetenversammlung.
Also, wer fängt an? Drei Finger zeigen auf den Jüngsten, Embach. Der Jugendbeirat ist sein Baby. Er sieht das Interesse für und das Engagement in der Lokalpolitik schwinden. Seine Mitstreiter nicken. „Schwindende politische Beteiligung bedeutet einen Verlust für die Demokratie.“ Embach macht den Effekt deutlich: „Wenn die große Mehrheit schweigt, stärkt sie radikale Gruppen.“ Sich zu beteiligen heiße auch, die Freiheit wertzuschätzen, in der wir leben. In der Realschule hatte er Politik und Wirtschaft (PoWi) als Fach. „Drei Leute haben mitgemacht, der Lehrer und zwei Schüler. Den Rest hat das null interessiert.“
Individualisierung
Der Gruppe geht es ausschließlich um die politischen Vorgänge vor Ort. Amar Besic hatte auch PoWi im Gymnasium. „Da ging es allein um den Staatsaufbau, kein Wort über die politischen Strukturen im lokalen Bereich.“ Besic findet das nicht gut. Die Demokratie beginne schließlich in den Städten und Gemeinden.
Die jungen Männer gehen allerdings nicht von einem grundsätzlichen Desinteresse ihrer Altersgruppe an der Kommunalpolitik aus. Aber von einer gehörigen Distanz. Und sie sehen eine Scheu, sich einzumischen. „Viele trauen sich einfach nicht“, sagt Embach.„Deshalb wollen wir Brücken bauen, den Leuten den Einstieg erleichtern“, sagt Niklas Rösch.
Er meint auch, dass Kommunalpolitik für viele einfach nicht sexy genug sei. „Sich einzubringen, ist halt auch mit einem gewissen Aufwand verbunden, so wie ein Ehrenamt im Sportverein. Dort spürt man ja auch die wachsende Zurückhaltung. Die Individualisierung der Gesellschaft führt zum Desinteresse an Gemeinschaftsprojekten“, sagt Rösch.
Das Parteiübergreifende ist ihnen besonders wichtig. Mit den Jugendorganisationen der anderen Parteien in Viernheim zusammenzuarbeiten, müsse möglich sein. Denn es gehe nicht um politsche Positionen, sondern einzig um die inhaltliche Beteiligung und den Austausch darüber. Über Ergebnisse der Diskussionen im Jugendbeirat wollen sie an die Stadtverordnetenversammlung berichten. Dazu gehören auch die Dinge, die ihnen in Viernheim nicht gefallen.
Die Kollegen der anderen Parteien hat Embach schon angeschrieben. Die Resonanz sei grundsätzlich positiv. Zu einem ersten Treffen ist es aber noch nicht gekommen. Überhaupt steht das Vorhaben noch ganz am Anfang. So ist die Form und die Terminierung, der Ort künftiger Treffen noch völlig offen. Auch in welcher Form die Stadtverordneten informiert werden, steht noch nicht fest. Womöglich könnten sie dazu die Redezeit nutzen, bevor die Stadtverordneten in ihre Tagesordnung einsteigen, sagen sie. Aber ein fester Sitz im Kommunalparlament schwebe ihnen nicht vor, auch wenn das in Nachbarkommunen so praktiziert werde.
Rösch betont, der Jugendbeirat werde kein Juli-Gremium sein, sondern über Parteigrenzen hinweg agieren. Und: „Der Beirat soll kein verstecktes Vehikel sein, um neue Mitglieder zu bekommen. Darum geht es überhaupt nicht.“
Stadtverordnetenvorsteher Norbert Schübeler (CDU) findet das Vorhaben der Julis „sehr, sehr gut“. Die Initiative sei „hoch willkommen“. Er biete den Austausch mit den Initiatoren an, werde bei einem Jugendbeirat auch gerne über Kommunalpolitik referieren. Eine Redemöglichkeit für Bürger bei Stadtverordnetenversammlungen gebe es in Viernheim noch nicht. „Aber ich denke, das müssen wir ändern. Ich will das mit den Fraktionen besprechen“, so Schübeler.
Bürgermeister Matthias Baaß (SPD) will noch keine Position beziehen, weil noch zu vieles im Unklaren sei. Er könne den jungen Leuten allerdings mit seinen Erfahrungen dienen. Vor rund 20 Jahren habe Viernheim eine Jugendstadtverordnetenversammlung, genannt JUSTAV, gehabt, die von Jugendlichen gewählt wurde. Baaß erinnert sich an einen enormen Aufwand, um Kandidaten zu motivieren.
Beteiligung an Projekten
Es seien dann Mitstreiten gefunden worden. Aber für viele habe sich die Amtszeit von zwei Jahren als zu lang erwiesen. „In diesem Alter ergeben sich oft ganz neue Interessen, die dann dafür sorgen, dass die Präsenz beim damaligen JUSTAV ständig nachließ.“ Deshalb sei entschieden worden , keinen weiteren JUSTAV zu wählen.
„Als weitaus besser, weil jugendgemäßer, hat sich die konkrete Beteiligung bei Projekten erwiesen. Als aktuelles Beispiel par excellence kann hier das Projekt Pump-Track dienen. Hier wurde Beteiligung durchbuchstabiert von A bis Z, aber in einer Form, wie sie jungen Menschen gerecht wird“, so Baaß.
Info: Kontakt für Interessierte: embachfelix5@gmail.com
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Nachwuchspolitiker engagieren sich in Viernheim