Viernheim. Kurz rollt Lachen durch den Raum. Doch sofort verstummt die Handvoll Menschen wieder. Fast als würden sich alle erschrocken fragen: Ist Lachen hier überhaupt erlaubt? Die Gruppe macht gerade eine Führung durch die neue Sonderausstellung im Museum Viernheim. Das Thema: „Was ist Hospiz?“
Dabei geht es natürlich um den Tod. Aber noch viel mehr um das Leben. Ganz bewusst bringt Ines Steyrleuthner vom Leitungsteam des Viernheimer Hospizes Schwester Paterna bei ihrer Führung durch die Ausstellung am Eröffnungstag die Besucher immer wieder zum Lachen – mit Geschichten aus dem Alltag des Hospizes. „Ja, bei uns sterben Menschen. Aber wir tragen das gemeinsam“, sagt sie. „Es wird bei uns gelacht, gesungen und getanzt.“ Und genau das spiegelt sich auch in dem besonderen Einblick in die Hospizarbeit wider, der noch bis Ende Juni im Museum zu erleben ist.
Ein Jahr lang Augenblicke der Hospizarbeit festgehalten
Es sind vor allem die Fotos, die den Blick des Betrachters einfangen. Gemacht haben sie Mitarbeiter des Hospizes im ganz normalen Betrieb. „Das war eine Idee, die wir zu unserem fünfjährigen Bestehen letztes Jahr hatten“, erklärt Steyrleuthner. Über ein Jahr lang fingen die Mitarbeiter mit Zustimmung der Abgebildeten besondere Momente ein – angefangen von den zwei schwer kranken Frauen, die im Krankenbett auf der Hospizterrasse ein Sonnenbad nehmen, über den Herrn mit pinkem Cowboyhut. Neben dessen Bild steht: „Hospiz lässt mich der sein, der ich bin“. Steyrleuthners Lieblingsfoto schließlich zeigt ein Kind, das einen Sarg bunt bemalt.
„Die Bilder sind technisch vielleicht nicht alle perfekt“, räumt die Leiterin ein, „aber darum geht es uns auch nicht.“ Stattdessen sollen die Fotos alle Bereiche der Hospizarbeit zeigen und mit dem Vorurteil aufräumen, Hospize seien graue, düstere Orte. Denn das würden noch immer viel zu viele Menschen denken, so Steyrleuthner. Und das soll sich endlich ändern.
Deshalb wollte das Hospizteam am Ende des Jubiläumsjahres die selbst gestaltete Fotoausstellung, die zunächst in den eigenen Räumen und in der Sparkassenpassage hing, nicht einfach in die Schublade räumen. Auf der Suche nach einem Ort mitten in Viernheim, an dem die Fotos noch einmal zu Aha-Effekten führen könnten, klopfte Steyrleuthner beim Museum an – und traf auf eine offene Tür.
Fotos in eine Sonderausstellung integriert
Im Gespräch mit Museumsleiterin Elke Leinenweber wurde schnell klar: Wenn schon eine Ausstellung über das Hospiz, dann eine, die die beiden wichtigen Teile dieser Arbeit mit einschließt: das stationäre Hospiz Schwester Paterna genauso wie die Arbeit des Hospizvereins, der dank vieler ehrenamtlicher Helfer schon seit 1996 Menschen auf dem letzten Weg begleitet hat. Gemeinsam entwickelten Hospiz, Hospizverein und Museum eine Sonderausstellung, die nicht nur über das vorhandene Angebot an Hilfen informieren soll, sondern auch Denkanstöße geben will, um sich schon vor dem Ernstfall mit dem eigenen Tod zu befassen.
Hospizarbeit im Fokus
- Die Sonderausstellung „Was ist Hospiz“ ist bis 29. Juni im Museum Viernheim zu sehen. Geöffnet ist sonntags von 14 bis 17 Uhr . Der Eintritt ist frei.
- Am 3. Juni findet um 17 Uhr eine Führung durch die Ausstellung mit anschließender Gesprächsrunde zum Thema „Wünsche am Lebensende“ statt.
- Am 29. Juni gibt es um 15 Uhr die Möglichkeit, an der Führung mit dem Thema „DAS ist Hospiz! Geschichten aus dem Hospiz“ teilzunehmen, auch hier schließt sich eine Gesprächsrunde an.
- Um Anmeldung zu den Führungen unter Telefon 06204/988173 oder per E-Mail an museum@viernheim wird gebeten. Es ist aber auch möglich, spontan teilzunehmen.
- Alle Fragen zur Hospizarbeit können außerdem an jedem ersten und dritten Dienstag im Monat von 16 bis 18 Uhr bei der offenen Sprechstunde im Hospiz, Seegartenstraße 1-3, gestellt werden. Die Mitarbeiter geben dann auch gern einen Einblick in das Hospiz. Eine Anmeldung ist nicht erforderlich.
„Über das Sterben zu sprechen, hat noch niemanden umgebracht“, steht als Motto über der Aktion, fast ein wenig trotzig. Denn wie groß die Scheu der meisten Menschen ist, sich mit dem Sterben zu beschäftigen, erfahren nicht nur die haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiter im Hospiz und Hospizverein immer wieder. Auch Museumsleiterin Leinenweber wurde direkt damit konfrontiert: „Ich hörte: Ach Gott, das ist ja mutig, dass du diese Ausstellung machst, da traust du dich ja was“, erzählt sie. Und war danach motivierter denn je, das Thema anzupacken.
Als Startschuss für die neue Sonderausstellung wählten die Organisatoren den internationalen Museumstag – und zogen im extra herausgeputzten Museumsgarten bei bestem Wetter alle Register. Auf die Besucher warteten nicht nur Infostände zur Arbeit von Hospiz und Hospizverein, sondern auch ein von der Buchhandlung Schwarz auf Weiß zusammengestellter Tisch mit einer Bücherauswahl rund um das Thema Sterben.
Es gab Vorträge rund um Vorsorgemöglichkeiten und das Trauern und eine Bastelecke, wo Trauerfänger hergestellt werden konnten. Die Gäste konnten mit der Fahrradrikscha E-Rika eine Runde drehen. Außerdem wurden Kaffee, Kuchen und der spezielle Schwester-Paterna-Secco, der zugunsten des Hospizes verkauft wurde, angeboten.
Den Koffer für die letzte Reise packen
Hauptanziehungspunkt war aber das Erdgeschoss des Museums, in dem die Ausstellung noch bis 29. Juni zu sehen ist. Wer durch die Räume wandert, wird auch gefangen genommen von den Botschaften längst Verstorbener, deren Worte auf dem Boden den Betrachter leiten und die Frage aufwerfen: Wie will ich selbst einmal sterben? Was will ich vorher noch tun? Wer möchte, kann seine Antworten aufschreiben und der Ausstellung hinzufügen oder sich in einer ruhigen Ecke seinen ganz eigenen „Koffer für die letzte Reise“ packen.
„Sollte man dieses wichtige Ereignis nicht planen, wie man auch eine Geburt plant?“, fragte Museumsleiterin Elke Leinenweber am Eröffnungstag in die Runde und machte deutlich, dass die Viernheimer Hospizhelfer auch dabei mit Rat und Tat zur Seite stehen. Denn: „Es geht bei der Hospizarbeit darum, Menschen zu begleiten. Nicht erst am letzten Tag ihres Lebens, sondern in der ganzen letzten Zeit“, sagte Dr. Jutta Behrendt, die Vorsitzende des Hospizvereins.
Und so bleibt beim Verlassen der Ausstellung weniger das Gefühl, dem Tod begegnet zu sein, als eher die Frage, die Ines Steyrleuthner den Besuchern ihrer Führung mitgab: „Was war mir selbst wichtig, als ich es zum ersten Mal erlebt habe? Und was davon ist mir weiterhin so wichtig im Leben, dass ich es wieder erleben möchte? Wir wissen ja nie, wann es das letzte Mal sein wird.“
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