Das Wichtigste in Kürze
- Die Hornissenbekämpfer bereiten sich auf die neue Saison in Südhessen vor.
- Michael Falkenstein und Nicole König entfernen Nester der asiatischen Hornisse.
- Die invasive Art bedroht die Insektenvielfalt in der Region.
Viernheim. „Jetzt fängt es wieder an“, sagt Nicole König. Gerade mal zwei Monate, im Januar und Februar, hatte die Hornissenexpertin aus Bürstadt Ruhe. In dieser Zeit gab es für sie keine Nester der eingewanderten asiatischen Hornisse „Vespa Velutina“ zu entfernen. „Letztes Jahr stand auch um diese Zeit noch kein Einsatz an“, sagt sie. „Aber jetzt bereiten wir uns schon auf die erste Entfernung eines Nests in Bürstadt in der Siegfriedstraße vor, genau am Schulweg.“ Die asiatische Hornisse ist auf dem Vormarsch. Besonders in Südhessen. Vor König und den wenigen anderen Menschen im Ried, die die Nester des invasiven Insekts entfernen, liegt ein arbeitsreiches Jahr.
Auch der Viernheimer Imker Michael Falkenstein legt seine Ausrüstung bereit. Ein Ganzkörperanzug mit Kopfschutz, dicke Handschuhe, Sicherheitsschuhe – „ich gehe an ein Nest nur in Komplettausrüstung ran“, sagt er. Seine Bürstädter Kollegin nickt. Sie hat sich extra einen stichsicheren Anzug aus Spanien bestellt. „Ohne Anzug ist es definitiv gefährlich, sich einem Nest der Vespa Velutina zu nähern“, weiß sie.
Der Hornissenexperte ist schon gestochen worden
Denn König wurde schon gestochen. Und das nicht im Einsatz, sondern in ihrem Garten. „Der Stich hat sich angefühlt wie ein riesiger heißer Nagel, 24 Stunden lang“, beschreibt sie die Folgen und zeigt auf eine runde Narbe an ihrem Arm. Davon, sich ungeschützt einem Nest zu nähern, kann sie nur eindringlich abraten. Denn das Volk verteidige seine Brut wehrhaft. „Ich habe schon erlebt, dass ein Nest nahe an der Straße war und die asiatischen Hornissen jedes vorbeifahrende Auto attackiert haben“, erinnert sie sich. Auch Falkenstein bestätigt das: „Man muss nur in die Einflugschneise einer Vespa Velutina geraten, um angegriffen zu werden.“
Nest entdeckt?
Kontakt aufnehmen zum Viernheimer Imker Michael Falkenstein unter Telefon 06204/670 81 27 und per Mail: info@imker-viernheim.de oder zur Bürstädter Hornissenexpertin Nicole König unter 0173/601 40 24 und www.luma-koenig.de.
Oder ein Foto und die Koordinaten des Nests über das offizielle Meldeportal an das Hessische Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie schicken: www.hlnug.de/?id=18688. mie
Wenn sie sich einem Nest nähere, um es zu entfernen, koste sie das auch in Schutzmontur etwas Überwindung, erzählt König. „Beim ersten Mal habe ich unwillkürlich geschrien, als die asiatischen Hornissen auf mich losgeflogen sind“, sagt sie. Dabei gehen Experten wie sie mit größter Vorsicht und einem genauen Plan vor. König und Falkenstein versiegeln zuerst das Einflugloch und saugen weitere heranfliegende Insekten ab, bevor sie das Nest in einen Sack hüllen und es dann entfernen.
Das Töten der beeindruckenden Insekten fällt Nicole König nicht ganz leicht. Eigentlich hatte sie sich als Imkerin selbstständig machen wollen, weil sie die gesamte Insektenwelt liebt. Doch das zunehmende Eindringen der asiatischen Hornisse machte sie stattdessen zur Fachfrau für die Entfernung von deren Nestern – um die restliche Insektenvielfalt zu bewahren.
Ein Volk der Vespa Velutina frisst im Laufe eines Zyklus elf Kilogramm Insektenfleisch
„Ein Volk der Vespa Velutina frisst im Laufe eines Zyklus elf Kilogramm Insektenfleisch“, erklärt der Viernheimer Imker Michael Falkenstein. Auf der Speisekarte der eingewanderten Hornisse stünden nicht nur Bienen wie er selbst sie hält. Wobei es die sehr hart treffe. „Ein Imkerkollege aus Viernheim hat im vergangenen Jahr drei seiner vier Völker verloren“, erzählt Falkenstein. Seine eigenen Bienen schützt er mit engmaschigen Gittern vor dem Eingang zum Bienenstock, damit keine asiatische Hornisse eindringen und den Stock leer fressen kann. Und er versucht, alle Nester des Einwanderers in der Nähe seiner Bienenstöcke ausfindig zu machen und zu entfernen.
Aber neben Bienen frisst die invasive Art auch so ziemlich alles andere, was die Insektenwelt zu bieten hat. „Asiatische Hornissen sind leider sehr flexibel. Sie holen sich auch Wespen oder Schmetterlinge und plündern ganze Hummelnester aus, um ihre riesigen Völker zu ernähren“, sagt König. Das sei eine große Gefahr für die Artenvielfalt und das ganze Ökosystem. „Letztes Jahr musste ich zusehen, wie 20 asiatische Hornissen in meinem Garten andere Insekten gejagt und gefressen haben. Mir taten die Opfer so leid!“ Daran denke sie jetzt immer, wenn sie ein Nest der Vespa Velutina entferne: „Ich mache es, um die anderen Tiere zu schützen.“
Asiatische Hornisse in Südhessen: Vertreiben lässt sich die eingewanderte Art nicht
Vertreiben lässt sich die eingewanderte Art nicht mehr. „Wir können nur die Ausbreitung eindämmen“, sagt König. In den vergangenen beiden Jahren verdreifachte sich die Zahl der Nestfunde in Deutschland. Besonders betroffen ist der Südwesten, wo 2014 auch das erste Nest in Deutschland entdeckt wurde. In Viernheim stieg die Zahl der Völker, die Imker Falkenstein entfernte, im vergangenen Jahr von 17 auf 20. König, die hauptberuflich gegen die Hornisse kämpft und dabei weit über das Ried hinaus tätig ist, entfernte mit 200 Nestern fast doppelt so viel wie die 120 im Jahr zuvor.
Dieses Jahr rechnet sie mit rund 800 Nestern in Hessen. „Aber es gibt viel zu wenige Menschen, die auf das Entfernen der Nester spezialisiert sind“, erklärt die Bürstädterin. Erschwert wird die Lage dadurch, dass derzeit unklar ist, wer diese Einsätze künftig bezahlt. Bisher hatte die Obere Naturschutzbehörde die Kosten von im Schnitt 280 Euro pro Nestentfernung erstattet. Doch jetzt soll die Zuständigkeit in eine andere Behörde wechseln. Welche, ist noch nicht geklärt. Das sei ein Problem, sagt König, vor allem bei Einsätzen, für die sie einen Hubsteiger mieten muss, um ein sehr hoch gelegenes Nest zu erreichen.
Wichtig ist ihr aber, dass die Menschen im Ried trotzdem melden, wenn sie ein Nest entdecken. „Wir finden schon eine Lösung“, sagt König, die vermutet, dass viele Menschen ein Nest nicht melden aus Angst, die Kosten der Entfernung tragen zu müssen. Aber ohne die Mithilfe der Menschen im Ried sind die Hornissenbekämpfer machtlos. „Wenn wir fliegende Exemplare verfolgen, stehen wir immer irgendwann vor einem Gartenzaun“, erklärt Hornissenexperte Hans Bugert aus Viernheim, der wie Falkenstein und König gegen die invasive Art kämpft.
Wer etwas entdeckt, soll uns einfach Bescheid sagen. Auch wenn er sich nicht sicher ist, was er vor sich hat.
Er sieht auch noch einen anderen Grund für die Zurückhaltung beim Melden. Als langjähriger Experte für die heimische Hornisse „Vespa Crabro“, die anders als die asiatische Hornisse unter Naturschutz steht, weiß er: „Die meisten Menschen können keine Biene von einer Wespe unterscheiden und erst recht keine asiatische von der heimischen Hornisse.“ Deshalb bittet er gemeinsam mit Falkenstein und König: „Wer etwas entdeckt, soll uns einfach Bescheid sagen. Auch wenn er sich nicht sicher ist, was er vor sich hat. Wir werden lieber einmal zu viel gerufen.“ Denn das Entfernen eines Nests sollte unbedingt den Experten überlassen werden – weil die wissen, was sie vor sich haben und vor allem: weil sie sich zu schützen wissen.
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