Viernheim. Seit nunmehr viereinhalb Jahren zieht sich die Sanierung der Rudolf-Harbig-Halle hin. Vereinssportler und Schulen warten sehnsüchtig darauf, dass die einst stark genutzte Viernheimer Sportstätte wieder öffnet. Der jüngste Termin für den Neustart verstrich im Januar. Damals stellten die Verantwortlichen der Stadt fest, dass der Sportboden durch die Arbeiten sowie schwere Lasten derart in Mitleidenschaft gezogen wurde, dass er ausgetauscht werden muss. Für die Kommune bedeutet dies Mehrkosten von 200 000 Euro bei dem dann 2,8 Millionen Euro teuren Projekt. Und für die Sportler weiteres Warten - nach Stand der Dinge bis zum Sommer.
Ziel muss sein, dass zukünftig im Bauwesen möglichst keine Pannen, Zufälle und kostspieligen Überraschungen mehr passieren.
Lange übte sich die Bürgerschaft in Geduld, in den vergangenen Wochen kam aber vermehrt Unmut auf. Auch in politischen Kreisen wird die Frage gestellt, ob die zuständigen Ämter ihrer Verantwortung gerecht werden und das Geschehen auf der Baustelle sowie den Zustand ihrer Liegenschaften insgesamt ausreichend im Blick haben. Von „Pleiten, Pech und Pannen“ gar sprechen drei Schreiber eines Leserbriefs: der frühere Bürgermeister-Kandidat Wolfram Theymann, der Ex-Vorstandsvorsitzende der Sparkasse Starkenburg, Hans Adler, und der langjährige CDU-Stadtverordnete Klaus Niebler. In einem offenen Brief haben sie sich auch an die Fraktionen gewandt und schlagen vor, ein parlamentarisches Kontrollgremium einzurichten. Dieses solle das Problem „fachlich versiert und anhand der Interna“ untersuchen sowie Lösungen erarbeiten. „Ziel muss sein, dass zukünftig im Bauwesen möglichst keine Pannen, Zufälle und kostspieligen Überraschungen mehr passieren.“ Denn die drei Initiatoren sehen „ein systemisches Problem“ der Stadtverwaltung rückblickend auch bei anderen Großprojekten. Beispielhaft nennen sie das „Desaster um den Tivolipark“ und den „über 20-jährigen Planungsprozess für ein neues Rathaus mit Gutachten, zahllosen Arbeitsstunden der internen Ressourcen“.
Bürgermeister reagiert ausgesprochen verärgert
Matthias Baaß reagiert ausgesprochen verärgert auf die Vorwürfe: „Ich sehe bei der Verwaltung keinen Fehler“, stellt er unmissverständlich fest. Der Bürgermeister war nach dem Tod des damaligen Ersten Stadtrats und Baudezernenten Bastian Kempf im Frühjahr 2021 auch für die Arbeiten in der Harbighalle verantwortlich. Der Rathauschef kritisiert, dass es immer wieder Menschen gebe, die - ohne Sachkenntnis ausgestattet - die Abläufe in den Ämtern von außen bewerteten und in der Öffentlichkeit dadurch ein völlig falsches Bild erzeugten.
Tatsächlich hätten mehrere unvorhersehbare Umstände das Gesamtprojekt beeinflusst. Zum Vorschein kam der ursprüngliche Schaden - die baufällige Decke - beim Handballturnier um den Helmut-Osada-Cup im Jahr 2019. Kurz darauf war die Sportstätte dicht, es folgte eine ausgedehnte politische Diskussion um die Zukunft der Halle, ein Neubau stand sogar im Raum. „Das allein dauerte ein halbes Jahr“, sagt Baaß. Außerdem habe das ausgewählte Ingenieurbüro nach kurzer Zeit die Arbeit niedergelegt, ein weiteres Ausschreibungsverfahren mit Beauftragung eines anderen Statikers folgte. „Dann waren Materialien nicht da“, erinnert sich der Verwaltungschef an Lieferschwierigkeiten in der Corona-Zeit. „Es kam Diverses zusammen, was dazu geführt hat, dass sich das Ganze erheblich verzögert hat.“
Erster Stadtrat Jörg Scheidel, mittlerweile für den Baubereich bei der Stadt zuständig, weist die Vorwürfe der Kritiker ebenso als „haltlos“ zurück. So sei das Dach eben nicht - wie von ihnen beschrieben - „plötzlich einsturzgefährdet“ gewesen. Das habe ein externes Gutachten ergeben. Stattdessen seien „viele kleinere Dinge zusammengekommen, so dass Teile brachen“. Verantwortlich dafür waren laut Scheidel etwa „schlechte Materialeigenschaften“ des ursprünglichen Flachdachs, das - wie die gesamte Halle - aus den frühen 1970er Jahren stammt. Zudem hätten der spätere Aufbau des Satteldachs und die dortige Entwässerung in dem Kontext eine Rolle gespielt. Die Darstellung, die Verwaltung übersehe solche Schäden und reagiere zu spät, „stimmt so nicht“, erklärt Scheidel.
„Das war eventuell nicht die richtige Vorgehensweise“
Auch dafür, dass sich die Wärmedämmung von der Fassade löste und nun erneuert werden musste, machen die Kritiker die Verwaltung verantwortlich. „Sie war nur geklebt und nicht verdübelt“, heißt es in ihrem Schreiben an die Stadtverordneten. Scheidel entgegnet ihnen, um die Jahrtausendwende - als die Dämmung aufgetragen wurde - sei diese Vorgehensweise üblich gewesen. Einen vergleichbaren Schaden habe es schon vor Jahren auch am Rathaus gegeben. Grundsätzlich gilt laut Scheidel: „Die Stadt nimmt alle Gewerke ab und kontrolliert ihre Liegenschaften.“
Sanierung der Rudolf-Harbig-Halle – eine Chronologie
Im August 2019 lösen sich kleinere Porenbetonteile von der Decke der Rudolf-Harbig-Halle und fallen in den Zuschauerraum. Nach ersten Untersuchungen wird die Halle am 31. Oktober wegen Schäden in der Konstruktion geschlossen.
Im Jahr 2020 laufen zunächst Untersuchungen zu Baufestigkeit und Brandschutz. Statt einer schnellen Entscheidung für eine Dachsanierung wird die Möglichkeit von Abriss und Neubau geprüft.
Im September 2020 fällt in der Stadtverordnetenversammlung die Entscheidung für den Rückbau der vorhandenen Dachkonstruktion und den Aufbau eines neuen Dachs. Zudem spricht sich das Parlament dafür aus, das Wärmedämmverbundsystem zu erneuern. Die Kosten werden mit rund 1,9 Millionen Euro veranschlagt, die Planungsarbeiten ausgeschrieben.
Das zuständige Ingenieurbüro gibt seinen Planungsauftrag im Februar 2021 zurück. Nach erneuter Ausschreibung übernimmt ein anderes Viernheimer Ingenieurbüro diese Aufgabe. Im Sommer 2021 wird die Baumaßnahme geändert. Es gibt keinen Neuaufbau des Hallendachs, sondern den Einbau einer neuen Deckenkonstruktion. Damit verbunden sind Kosteneinsparungen von rund 350 000 Euro.
Der Rückbau der Hallentechnik beginnt im Dezember 2021. Im Februar 2022 wird die Sanierung der Decke ausgeschrieben. Kurz danach erreicht die Stadt Viernheim die Mitteilung, dass die benötigten Holzplatten nicht lieferbar sind.
Bis Mai 2022 muss aufgrund dieser Materialengpässe umgeplant werden, was auch statische Neuberechnungen erfordert. Dies hat eine Preissteigerung von rund 400 000 Euro zur Folge. Die Maßnahme wird durch die Stadtverordnetenversammlung im Juli 2022 bestätigt.
Im Herbst 2022 sind die Handwerker innen und außen aktiv. Die Fassade erhält eine neue Wärmedämmung. Die Bauteile werden nicht mehr – wie früher üblich – geklebt, sondern mit Dübeln befestigt. Sichtbar ist schon die neue, breitere Eingangstür, eine Vorgabe des Brandschutzes. Im Inneren der Halle werden die Stahlstützen für die Holzplatten montiert.
Im ersten Halbjahr 2023 stehen die Stahl- und Holzarbeiten an der neuen Decke im Mittelpunkt. Parallel dazu beginnen die Elektroarbeiten. Im Sommer 2023 kommt es zu einer weiteren Verzögerung. Grund ist die TÜV-Prüfung für die sicherheitstechnischen Anlagen.
Nach der Freigabe durch den TÜV erfolgt der Wiedereinbau der Hallentechnik mit Heizung, Lüftung, Beleuchtung. Vor Weihnachten 2023 werden die neuen, höhenverstellbaren Basketballkörbe sowie neue Trennvorhänge installiert.
Im Januar 2024 wird der doppelte Schutzboden ausgebaut. Dabei kommen Schäden in der Bodenkonstruktion zum Vorschein. Eine Reparatur ist punktuell möglich, steht aber in keinem Verhältnis zu Aufwand und Kosten für einen Komplettaustausch.
Das Zusatzprojekt wird im Februar ausgeschrieben, im März 2024 wird eine Fachfirma mit dem Einbau eines neuen Sportbodens beauftragt. Die Kosten belaufen sich auf rund 200 000 Euro. Nach Ostern sollen die Arbeiten beginnen und voraussichtlich zwölf Wochen dauern. su
Deshalb war ihr wohl auch bewusst, dass der in die Jahre gekommene Sportboden in der Rudolf-Harbig-Halle schon zu Beginn der jüngsten Arbeiten nicht mehr im besten Zustand war. An dieser Stelle räumt Scheidel dann doch eine Fehleinschätzung der Beteiligten ein: „Wir hätten von vornherein sagen müssen, der Boden kommt raus.“ Es sei Absicht gewesen, die Kosten niedrig zu halten. „Das war eventuell nicht die richtige Vorgehensweise.“
Erster Stadtrat sieht keine Chance auf Schadensersatz
Nun ist der Boden samt der offensichtlich nicht sehr stabilen Unterkonstruktion kaputt und muss ausgetauscht werden. Eine frühere Handwerksfirma wegen eines möglichen Fehlverhaltens zu belangen, hält der Erste Stadtrat für aussichtslos. „Die Beweisführung ist unmöglich“, meint er. Immerhin fallen die Zusatzkosten für die Stadt etwas geringer aus, als die zunächst angenommene Summe von 300 000 Euro. Finanziert wird der neue Schwingboden nicht - wie die Leserbrief-Schreiber mutmaßen - über einen Nachtragshaushalt, sondern über eine Rücklage aus dem städtischen Etat 2023. Das betonen Baaß und Scheidel unisono. Nach Ostern sollen die Arbeiten beginnen und etwa drei Monate dauern. „Sobald die Halle bespielbar ist, werden wir aufmachen“, verspricht der Erste Stadtrat den Viernheimer Sportlern.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Sanierung der Rudolf-Harbig-Halle: Theymann gegen Scheidel