Kunstverein

Ausstellung „Zeit-Spur“ in Viernheim provoziert

Im Viernheimer Kunsthaus ist die Ausstellung „Zeit-Spur“ eröffnet worden. Josefh Delleg zeigt darin Bilder und Installationen mit politischem Hintergrund.

Von 
Marion Gottlob
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Josefh Delleg stellt im Viernheimer Kunsthaus aus. © Bernhard Kreutzer

Viernheim. Wer das Viernheimer Kunsthaus betritt, wird dieses Mal mit dem Elend der Moderne konfrontiert. Mit seiner Ausstellung „Zeit-Spur“ reagiert der Künstler Josefh Delleg auf die Not unserer Zeit und wird zum drängenden Warner: „Jeder kann sich zum Zeitgeschehen mit Worten äußern. Ich tue es mit meinen Mitteln der Kunst und mit meinen Bildern.“

Da Fritz Stier, der erste Vorsitzende des Viernheimer Kunstvereins, kurzfristig erkrankt war, begrüßte der zweite Vorsitzende Claus Bunte die Gäste: „Wir zeigen selten einen Künstler zweimal. Doch Arbeiten von Josefh Delleg haben wir schon 2010 gezeigt.“

Damals beschäftigte sich Josefh Delleg mit den Mechanismen der Macht in der Kirche und in einem autoritären System wie der früheren DDR. Dieses Mal fällt der Blick gleich auf ein Foto von Donald Trump mit einem Baseball-Schläger in der Hand. Daneben ist ein Schläger montiert mit der ironisch-karikaturistischen Aufschrift: „God bless you“.

Kunst soll Verantwortung als Korrektiv übernehmen

Kunstwissenschaftler Dr. Harald Kimpel erläuterte in seiner Einführung: „Das Bild ist wie ein Kommentar zur Keule jenes neuen Despoten, der sich zum Weltenherrscher aufschwingt: mit dem Schlag- und Taktstock des Zeitgeistes, der unter dem Deckmantel des christlichen Fundamentalismus zur Knute wird. Es ist höchste Zeit für die Kunst, ihre Verantwortung als Korrektiv in Anspruch zu nehmen: Baseballschläger-Land ist überall.“

Delleg ist ursprünglich in Bruneck im italienischen Südtirol zu Hause. Er ist im Alltag mit drei Sprachen aufgewachsen: Deutsch, Italienisch und Retroromanisch, das nur in wenigen Regionen gesprochen wird. Der Vorname „Josef“ ist weltweit bekannt. Er steht für die Idee „Gott möge hinzufügen“. Der Name wird meist „Josef“ oder „Joseph“ geschrieben. Der Künstler hat die Schreibweise „Josefh“. Er sagt: „Ich weiß, mein Vorname wird meist falsch geschrieben.“ Claus Bunte nickte und zog ein aussortiertes Plakat hervor – mit der falschen Schreibweise des Namens, die dann korrigiert wurde.

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Christian Huther
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Delleg studierte an der Kunsthochschule-Universität Kassel und wurde mehrfach mit Stipendien gefördert. Seine Arbeiten waren unter anderem in Stuttgart, Kassel, Salzgitter, Braunschweig, Saarbrücken und Göttingen zu sehen.

Collage „Killing Fields“ im Mittelpunkt der Ausstellung

Im Zentrum der gegenwärtigen Ausstellung findet man eine Collage: Zu sehen ist ein „Haus“ aus hellen Neonröhren. Daraus strömen 100 gegossene Totenköpfe auf einen imaginären, orientalischen Teppich, auf dem fast 1000 leicht veränderten Herrschaftszeichen angeordnet sind. Der Titel der Arbeit „Killing Fields“ verweist zunächst auf die mehr als 300 Stätten in Kambodscha, auf denen mit staatlichen Massenmorden mehr 100 000 Menschen durch die maoistisch-nationalistischen Roten Khmer getötet wurden. Insgesamt wurden vermutlich bis zu 2,5 Millionen Menschen ermordet. Der Film „Killing Fields“ über eine wahre Freundschaft in dieser Zeit wurde mit drei Oscars ausgezeichnet.

Delleg bezieht sich mit seiner Installation jedoch gemäß dem Titel seiner Präsentation mit seiner „Zeit-Spur“ auf die Ermordung der 22-jährigen Jina Mahsa Amini im Jahr 2022. Die kurdische Iranerin war wegen eines angeblichen Verstoßes gegen das staatliche Hidschab-Gesetz von der iranischen Sittenpolizei festgenommen, geschlagen und vermutlich tödlich verletzt worden. Die Nachricht über ihren Tod löste weltweit Proteste gegen das Regime im Iran aus. „Killing Fields sind heutzutage überall“, sagte Kimpel.

Daneben sind Bilder mit Booten zu sehen. Die Titel sind Nummern. „Wer die Nummern ins Internet eingibt, findet einen Ort im Mittelmeer“, erklärte Delleg. Mit diesen imaginären „Grabinschriften“ gedenkt er der Menschen, die auf der Flucht nach Europa im Meer ertrunken sind.

Künstler nimmt Bezug auf Leni Riefenstahl

In der Nähe sind Bilder zu sehen, die sich auf Leni Riefenstahl beziehen. Die Filmemacherin wurde für ihre Tätigkeit für die Propaganda-Maschinerie unter die Diktatur der Nationalsozialisten kritisiert. Der Künstler warnt eindringlich vor einer Wiederholung der Geschichte. Kimpel erklärte: „Er zeigt die Reduzierung des Einzelnen auf ein anonymes Rädchen. Nicht fern an den Riefenstahl’schen Standards sind die gegenwärtig in den sogenannten sozialen Medien grassierenden Körper-Bilder, die ebenfalls die Puppen sämtlichen Geschlechts tanzen lassen, um ihre künstlichen Ideale zur Nachahmung zu empfehlen.“

Die Ausstellung

Die Ausstellung „Zeit-Spur“ von Josefh Delleg im Kunstverein Viernheim, Rathausstraße 36, ist bis 24. Mai zu sehen.

Die Öffnungszeiten sind donnerstags und freitags jeweils von 15 bis 18 Uhr sowie samstags von 10 bis 13 Uhr.

In einer weiteren Installation ist übergroß die Ultraschallaufnahme eines schlagenden Herzens zu sehen. Der Künstler bezieht sich auf Richard Wagners Oper Tristan und Isolde: „Luft! Luft! Mir erstickt das Herz!“ Zu hören sind die eigenen Atemzüge des Künstlers, die er aufgenommen hat. Kimpel erläuterte: „Das Herz kann versagen bei Schock oder Aufregung, bei freudigen Emotionen, aber auch Entsetzen und Schrecken. Dazu gehören die unübersehbaren Schrecken des Bösen in der akuten Weltordnung.“

Freie Autorin

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