Schriesheim. Über die Frage, ob und wo in Schriesheim Windräder aufgestellt werden können, ist ein Bürgerentscheid „nicht ausgeschlossen. Er ist ein mögliches Mittel“, erklärte Bürgermeister Christoph Oeldorf am Dienstagabend. Anlass war eine Infoveranstaltung in der Mehrzweckhalle, die den Einstieg zur Bürgerbeteiligung für die Verwirklichung von Windenergie entlang der Bergstraße in Höhe Schriesheims darstellt.
Wie ist die Veranstaltung abgelaufen?
Zuerst gab jeder der Experten ein kurzes Statement ab, danach wurde in thematischen Arbeitsgruppen 70 Minuten diskutiert. Am Ende kam es zu einer - aus Zeitgründen aber viel zu kurzen - Diskussion im Plenum.
Waren auch Gegner der Windkraft da, und was sagten die?
Ja, Aktive der Initiative „Gegenwind“ waren anwesend und diskutierten in den Arbeitsgruppen mit, äußerten aber grundsätzliche Kritik am Prozedere des Abends: „Bei der Veranstaltung wurde nicht diskutiert, ob Windenergie überhaupt, sondern nur, wie man sie in Schriesheim umsetzen kann“, so etwa Frank Funke.
Was ist der rechtliche Hintergrund der Diskussion?
Windenergie ist keine Marotte irgendwelcher Leute, sondern gesetzlicher Auftrag, und zwar laut Erneuerbare-Energien-Gesetz. „Sein Ziel ist es, den Anteil erneuerbarer Energien bis 2030 am Brutto-Stromverbrauch auf 80 Prozent anzuheben“, erläutert Martin Müller, Geschäftsführer des Nachbarschaftsverbandes Heidelberg-Mannheim. Zu diesem Zweck sind in Baden-Württemberg 1,8 Prozent der Fläche für Windenergieanlagen auszuweisen. Dies soll bis zum Jahre 2025 erfolgen. In unserer Region dafür zuständig ist der Regionalverband Rhein-Neckar.
Und wenn der das nicht wollen würde oder es nicht schafft?
„Wenn er es nicht schafft, Vorranggebiete auszuweisen, gibt es keine Möglichkeit, Standorte zu regeln“, sagt Müller: „Dann kann Windenergie überall stattfinden.“
Wie kam Schriesheim überhaupt ins Spiel?
„Wir haben laut Regierungspräsidium und Rhein-Neckar-Kreis Windkraftpotenziale auf der Gemarkung Schriesheim und Dossenheim“, berichtet Oeldorf. „Hier liegen wenige rechtliche Restriktionen vor“, ergänzte Müller: „Das ist eine Fläche, die gut geeignet ist.“
Wie ist der aktuelle Planungsstand bezüglich Schriesheim?
Mit Beschluss der Verbandsversammlung des Regionalverbandes Rhein-Neckar vom 15. Dezember wurde die Fläche an der Gemarkungsgrenze Schriesheim/Dossenheim als Vorranggebiet festgesetzt.
Sind dort Windenergieanlagen rechtlich möglich?
„Grundsätzlich sind Windenergieanlagen überall zulässig“, erläutert Müller, „außer es stehen sonstige öffentliche Belange entgegen“. So müssen Abstände zur Wohnbebauung eingehalten werden. Auch Naturschutzgebiete sind tabu, Landschaftsschutzgebiete aber nicht.
Wie viel Fläche wird im Wald für ein Windrad benötigt?
Die Rotoren sind 175 Meter groß. Wenn sie nach oben stehen, ist die gesamte Anlage 250 Meter hoch und immens schwer. Sie benötigt daher ein massives Fundament. Die abzuholzende Fläche pro Anlage beträgt ein Hektar, jeweils zur Hälfte auf Dauer und für die Bauarbeiten. So braucht man ein schwerlastfähiges Fundament für den Kran sowie eine 160 Meter lange Kranauslegerfläche, auf der er platziert und von der er dann hochgezogen wird. Für die Lieferung der Anlagenteile in den Wald wird eine 4,50 Meter breite, ebenfalls schwerlastfähige Fahrbahn benötigt, in den Kurven noch breiter.
Wie viele Windräder werden entstehen?
Natürlich wird ein Investor den gesamten Aufwand nicht für ein einzelnes Windrad auf sich nehmen. Eine realistische Zahl liegt bei fünf.
Wer könnte diese Windkraft- anlagen bauen und betreiben?
Jeder, der darin investieren will, wenn ihr Output lukrativ erscheint. Also sowohl große Energiekonzerne wie RWE als auch von Bürgern getragene Energiegenossenschaften.
Gibt es für Letztere denn schon funktionierende Beispiele?
Ja, etwa die Energiegenossenschaft Starkenburg, für die Micha Jost berichtete. Getragen von 1200 Bürgern, unterhält sie drei Windanlagen und vier Beteiligungen an Windparks.
Welche Einflussmöglichkeiten hat die Stadt in dem Prozess?
Es gibt verschiedene Stellschrauben. Auch für ein Windrad ist eine Baugenehmigung nötig, die ja in der Kommune beraten wird. Als Waldbesitzerin kann die Stadt, also der Gemeinderat, entscheiden, ob die Flächen für Windkraft verpachtet oder verkauft werden - und an welchen der potenziellen Investoren.
Könnte es einen Bürgerentscheid zur Windenergie geben?
„Wir haben uns über das eigentliche Verfahren noch keine Gedanken gemacht“, sagt Bürgermeister Oeldorf: „Das heißt, er ist weder angedacht noch ist er ausgeschlossen.“ Er sei jedoch „ein mögliches Mittel“.
Wann wird sich das erste Windrad in Schriesheim drehen?
Martin Müller: „Wenn alles optimal läuft, dauert der Prozess fünf Jahre.“
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