Digitalisierung

So will die Stadt Schriesheim den Glasfaserkabel-Ausbau vorantreiben

Hunderte Bürger. Ein Infoabend. Viele Fragen. Jeder Haushalt soll in Schriesheim sein eigenes Glasfaserkabel bekommen. Was von der Umsetzung abhängt und welche Pläne es für die anderen Kommunen im Rhein-Neckar-Kreis gibt

Von 
Vanessa Schmidt
Lesedauer: 
Vor Beginn der Veranstaltung müssen weitere Stühle dazugestellt werden. Der Ausbau des Glasfaserkabel-Netzes interessiert in Schriesheim viele. © Vanessa Schmidt

Schriesheim. Deutschland könnte eines der besten Glasfaserkabel-Netze haben. In den frühen 80er Jahren habe die Regierung unter Helmut Schmidt geplant, ein modernes Netz zu etablieren. Mit Helmut Kohl seien diese Pläne verworfen worden. Weiterhin wurde auf das veraltete Kupferkabel gesetzt. Erst 2018, so berichtet damals die Deutsche Presseagentur, gibt es eine neue Förderstrategie. Künftig soll kein Kupfer mehr verlegt werden, sondern Glasfaserkabel. So wie in Schriesheim und anderen Kommunen im Rhein-Neckar-Kreis.

Dass die Menschen schnelles Internet fordern, zeigte sich bei einer Veranstaltung in der Mehrzweckhalle. Rund 350 Bürger und Bürgerinnen waren gekommen. Weitere Stuhlreihen mussten aufgestellt werden. Das Thema des Abends: Glasfaserausbau in Schriesheim und Altenbach. Hierzu hat die Stadt einen Kooperationsvertrag mit Netcom BW geschlossen, einer Tochterfirma der ENBW, die am Mittwochabend über den Ausbau informierte.

Zur Umsetzung muss eine bestimmte Quote erreicht werden

Bürgermeister Christoph Oeldorf freute sich über das rege Interesse. „Ich habe gehofft, dass viele Leute kommen“, verrät er am Rande der Veranstaltung. Das Glasfaser-Netz in der Stadt auszubauen sei für ihn mit eines der wichtigsten Themen. Dass es dafür eine Infoveranstaltung braucht, um den Ausbau umzusetzen, hat allerdings einen Hintergrund: Zur Realisierung müsse eine Quote erreicht werden. Was das bedeutet? 40 Prozent der Haushalte in Schriesheim und Altenbach müssen sich dazu entscheiden, dass Netcom BW Glasfaser bei ihnen verlegt, und einen Vertrag abschließen. In einem Mehrfamilienhaus reiche es laut Netcom BW, wenn sich eine Partei für den Ausbau entscheide - folglich werde das ganze Haus modernisiert. In Ursenbach ist der Ausbau indes abgeschlossen. Dort hat der 2015 gegründete Zweckverband der Stadt Schriesheim im Auftrag der Verwaltung das Netz ausgebaut - dieses wird von Netcom BW betrieben.

In umliegenden Kommunen sieht es dahingegen anders aus. Ende 2022 konnte die Netcom BW die Bestellquote in Hemsbach und Laudenbach nicht erreichen. „Wir haben Hemsbach und Laudenbach daher abgelegt, und die Kommunen sind auf andere Dienstleister zugegangen“, berichtet Giacomo Stifanelli von Netcom BW. Von den angesetzten 40 Prozent zur Realisierung für den Ausbau in Hemsbach habe man nur 20 Prozent erreicht, von den angesetzten 50 Prozent in Laudenbach rund 24 Prozent. Auch in diesen Orten gab es Informationsveranstaltungen, sogar mit Catering.

Auch in diesen Kommunen im Rhein-Neckar-Kreis gibt es Nachholbedarf

Nun treibt Netcom BW die Vermarktungsaktion nicht nur in Schriesheim voran, sondern auch in den Gemeinden Heddesheim und Hirschberg. „Der Rhein-Neckar-Kreis ist sehr unterversorgt, ich würde fast von mittelalterlichen Zuständen sprechen, was die Netzversorgung betrifft“, betont der Experte. Aber auch in ganz Deutschland sieht Stifanelli Nachholbedarf: „Wir liegen im EU-Ranking im unteren Drittel. Das sollte nicht unser Anspruch sein.“ Eine im Februar dieses Jahres veröffentlichte Grafik von Statista weist aus, dass Länder wie Südkorea, Japan und auch Spanien und Schweden beim Anteil von Glasfaseranschlüssen die Platzierung anführen.

Mehr zum Thema

Ausbau

Informationsveranstaltung zum Glasfaserhausanschluss in Schriesheim

Veröffentlicht
Von
red
Mehr erfahren
Digitalisierung

Schnelleres Netz für die Stadt

Veröffentlicht
Von
Stephen Wolf
Mehr erfahren

„Es ist heutzutage immens wichtig, gutes Internet zu haben. Früher haben die Menschen darauf geachtet, ob das Haus Südlage hat. Jetzt fragt man erstmal, wie gut das Internet am Wohnort ist“, so Stifanelli.

Er ist es auch, der am Abend durch die Infoveranstaltung führt - zum Ärgernis vieler anfangs ohne Mikrofon, so dass er schlecht zu verstehen ist. Um Unklarheiten zu beseitigen, gibt es am Ende des Vortags die Möglichkeit, Fragen zu stellen. „Kann ich die alte Verkabelung nutzen?“, wird Stifanelli häufig gefragt. Können alte Dosen nicht genutzt werden, müsse dies in Eigenregie nachgerüstet werden. Und das kann mitunter sehr viel Arbeit sein.

Zu hohe Kosten beim Nachrüsten für neue Kabel?

Wie beim Ehepaar Wagner aus Schriesheim, das zur Veranstaltung gekommen ist. Die Wagners wohnen auf 180 Quadratmetern, verteilt über drei Stockwerke in einem Haus. Für den Glasfaserkabel-Ausbau müssten sie viele Meter neue Kabel verlegen. „Das wird teuer. Hinzu kommt dann auch noch der Vertrag beim Dienstleister“, sagt Andreas Wagner. Angewiesen auf eine gute Internet-Verbindung sind sie, ein Ehepartner arbeitet im Home-Office. „Wenn wir uns für den Ausbau entscheiden, erwarten wir aber, dass es maximal einen Tag kein Internet gibt“, betont das Paar. Bei anderen Dienstleistern hätten sie schon über zwei Wochen hinweg kein Internet zuhause gehabt. Dass für die Verlegung der Glasfaser-Kabel Tiefbauarbeiten nötig sind, stört sie weniger. „Die Straße wird bei uns sowieso ständig aufgerissen zum Bauen.“

Volontariat

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen