Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommunalpolitik Schriesheims neuer Rathaus-Chef steht vor großer Aufgabe

Hermann Hesse hat uns hinterlassen: "Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne." Der Zauber beim Anfang der Amtszeit von Christoph Oeldorf als Schriesheimer Bürgermeister bleibt auf Grund der Rahmenbedingungen jedoch überschaubar. Aber das muss ja nicht von Dauer sein.

Die Voraussetzungen für bessere Zeiten sind nicht schlecht. Seine Wahl zum Amtsverweser zeigt einen breiten Konsens im Rat. Fadime Tuncer trug ihren Teil dazu bei. Die Rede der unterlegenen Konkurrentin blieb ohne jeden Seitenhieb. Das zeugt von Professionalität, ja Größe.

Schon jetzt ist auch deutlich, dass eine neue Zeit beginnt: der erste Rathaus-Chef, der nicht in Schriesheim wohnt und das auch so beibehalten möchte; der erste mit Baby, was ganz besondere Erlebniswelten mit sich bringt.

Doch die Aufgaben sind auch nicht von Pappe. Talstraßen-Sanierung, Innenstadt-Gestaltung und Neubaugebiet mögen wichtig sein. Das Schwierigste ist jedoch, den Zusammenhalt in der Stadt zu bewahren. In Schriesheim ist der Rechtspopulismus überdurchschnittlich stark: mit dem einzigen AfD-Stadtrat in einer Kommune dieser Größe, einem Schriesheimer AfDler als Kreisrat, einem rechten "Kulturverein", der seine kruden Thesen allwöchentlich im städtischen Mitteilungsblatt verbreiten darf, dazu eine aktive Querdenker-Szene, die bis in die "Bürgergemeinschaft" (BgS) hineinreicht.

Doch wo Schatten ist, da ist auch Licht. Die Zivilgesellschaft ist in Schriesheim ebenfalls aktiv, wie die vorbildliche Erinnerungskultur oder die machtvolle Menschenkette vom 17. Januar zeigen. Auf diese Kräfte kann sich Oeldorf verlassen, aber die muss er auch unterstützen. Die derzeit in Fahrt kommende Diskussion über die Umbenennung der nach dem Nazi-Komponisten und Judenhasser Hans Pfitzner benannten Straße wird dabei die erste Herausforderung werden.

Doch man sollte Oeldorf auch Zeit lassen. Nicht nur die sprichwörtlichen 100 Tage. Jeder Bürgermeister ist im Amt gewachsen. Und auch dafür gibt es ja einen Sinnspruch. Nicht von Hesse, aber vom Volksmund, abgewandelt: Es ist noch kein (Bürger-) Meister vom Himmel gefallen.