Schriesheim. Erstaunlich, wie unspektakulär das Ende abläuft. Dabei handelt es sich um einen Markstein in der Geschichte Schriesheims: Mit Beginn des neuen Schuljahres sind die Sanierungsarbeiten im Kurpfalz-Bildungszentrum abgeschlossen - mit mehr als 25 Millionen Euro das aktuell teuerste kommunale Projekt in der Region. Trotzdem: keine große Einweihungs-Party. Stattdessen ein Rundgang, bei dem Gemeinderäten und Presse das Erreichte präsentiert wird.
Über Jahre hinweg dramatische Misstände
Damit endet eine jahrzehntelange Dauerbaustelle Schriesheims, und dies im wahrsten Sinne des Wortes. Das Bildungszentrum, bestehend aus Gymnasium, Grund- und Realschule sowie Hauptschule, als es eine solche noch gibt, darüber hinaus Musikschule und Stadtbibliothek, stammt aus dem Jahre 1981. Das merkt man mit der Zeit.
„Es gibt Zimmer, in denen stehen Eimer, weil es reinregnet“, berichtet der damalige Elternbeiratsvorsitzende Patrick Schmidt-Kühnle, heute Stadtrat. Manche Fenster lassen sich nicht schließen, andere wiederum nicht öffnen. Und dann das Dauerärgernis Heizung: „Im Winter ist sie kalt, im Frühjahr heiß.“ „Sie lief auch im Sommer bei 40 Grad – aus Angst, dass sie nicht wieder angeht“, ergänzt damals Elternbeirätin Christiane Haase, heute ebenfalls im Gemeinderat.
Neubau bald vom Tisch, dafür Sanierung mit Bundesmitteln
Mit Stückwerk kommt man den Problemen nicht mehr bei. Sogar ein Neubau wird daher diskutiert, mit Standort Neubaugebiet Südwest, finanziert durch den Verkauf des bisherigen Schulgeländes als Baugrundstücke. Doch bekanntlich fällt das Neubaugebiet flach und nicht nur deshalb auch der Neubau der Schule. Angesichts von 70 Millionen Euro Gesamtkosten ist er trotz Zuschüssen von 30 Millionen bald vom Tisch.
Plötzliche Dynamik in die Sache kommt 2018 aus Berlin. Die neue Große Koalition zaubert einen Fördertopf für Schulbauten aus dem Hut; bis zu 20 Prozent der Kosten können gefördert werden. Der Haken: Die Anträge müssen zeitnah eingereicht sein. Das setzt Schriesheim unter Zeitdruck.
Bürgermeister Höfer organisiert erfolgreich Mehrheit für Projekt
Für die Gemeinderatssitzung am 21. März 2018 legt die Verwaltung ein Konzept zur Generalsanierung des Gymnasiums für 30 Millionen Euro vor. Die kommunalpolitischen Fronten sind klar: CDU, SPD und FDP dafür, Freie Wähler und Grüne dagegen. Mit „Telefonmassage“ bearbeitet Bürgermeister Hansjörg Höfer im Vorfeld vor Abstimmung allem seine eigene Fraktion, die Grüne Liste; am Ende stimmt deren Stadträtin Barbara Schenk-Zitsch ebenso für den Grundsatzbeschluss wie der Freie Wähler Matthias Meffert; die beiden verschaffen der Schulsanierung damit die denkbar knappe Mehrheit von 14 zu 12 Stimmen. Eine taktische Meisterleistung des Bürgermeisters.
Es folgen dramatische Wochen – nicht nur innerhalb der Grünen Liste, sondern auch zwischen Verwaltung und Fraktionen sowie zwischen Stadt und Landratsamt. Zwei Mal lehnt die Aufsichtsbehörde das Finanzierungskonzept der Stadt ab, erst im dritten Anlauf geht es durch, nachdem Stadtkämmerer Volker Arras Grundstückserlöse aus einem möglichen Neubaugebiet Süd einplant. Vor allem legt die Verwaltung eine finanziell abgespeckte Variante vor – für nurmehr 21 statt 32 Millionen.
Am 25. Juli geht sie damit in den Gemeinderat. Die Grünen bleiben bei ihrer Ablehnung und beantragen eine kleine Lösung, also lediglich die gröbsten Missstände zu beheben. Grünen-Stadträtin Barbara Schenk-Zitsch verweigert auch diesem Antrag ihrer Fraktion die Zustimmung; es kommt zum Patt von 13:13 Stimmen, womit der Antrag keine Mehrheit hat und abgelehnt ist. Bei der anschließenden Abstimmung über die Vorlage der Verwaltung zur Ausschreibung der Generalplanung geht sogar die Hälfte der Grünen-Fraktion von der Fahne: 18 zu neun Stimmen – erneuter Erfolg für Höfer.
Zurückgestutzt: Aula-Ausbau fliegt aus dem Maßnahmepaket
Am 25. September der dritte und letzte Schritt: die Genehmigung für die Planung des Architekturbüros Dierks, Blume, Nasedy aus Darmstadt. Schwerpunkt der Maßnahme ist die energetische Sanierung der Fassade sowie die umfassende Erneuerung der Heizung, der Raumlufttechnik und der Elektroinstallation.
Mit breiter Mehrheit wird so beschlossen, nur die Grünen votieren erneut dagegen. Einstimmig dagegen erfolgt der Beschluss, den naturwissenschaftlichen Trakt und die Räume der Stadtbibliothek in die Sanierung mit einzubeziehen, zur Einhaltung des Kostenrahmens jedoch auf den ursprünglich angedachten Ausbau der Aula zu einer Veranstaltungsstätte für ganz Schriesheim zu verzichten.
Fehlstart: Bestellte Container kommen nicht
Im November 2019 geht es mit den Vorarbeiten los: Die Baugrube für die 139 Container wird ausgehoben, in denen die 815 Schüler des Gymnasiums während der Bauphase unterrichtet werden sollen. Mit deren Aufstellung ist die Firma ERW beauftragt. Am 27. November soll sie erfolgen. Doch die Firma kommt nicht. Keine Container, kein Umzug, kein Beginn der Arbeiten. „Der Zeitpunkt wankt, doch das Projekt ist nicht gefährdet“, titelt der „MM“ am 3. Dezember 2019.
Denn die Stadt beauftragt im Januar 2020 eine neue Firma. Im März liefert diese denn auch die ersehnten Container, in den Osterferien ziehen die Schüler um. Alle Einrichtungsgegenstände und Lernmittel müssen mit oder, was in den Containern keinen Platz findet, zwischengelagert werden. Denn für die Arbeiten muss das Gebäude absolut leer sein.
Bauarbeiten gehen trotz Corona und Krieg planmäßig weiter
Nach den Osterferien 2020 beginnt der erste Bauabschnit. Das Gymnasium wird entkernt, die Heizung komplett erneuert, eine energieeffiziente Gastherme sowie ein Blockheizkraftwerk eingebaut, außerdem ein Glasfasernetz und ein modernes internes EDV-Netz installiert.
Doch wieder funken übergeordnete Ereignisse dazwischen: ab März 2020 die Corona-Pandemie, ab Februar 2022 der Ukraine-Krieg. Die Lieferung von Baustoffen verzögert sich und wird, wenn sie denn endlich erfolgt, teurer als angesetzt, mithin dauern die Arbeiten länger.
Angesichts dessen ist es erstaunlich, wie weitgehend problemlos das Projekt weiterläuft. Bereits 2023 können Musikschule und Stadtbibliothek in ihre angestammten Räume zurückkehren. Zwischen April 2023 und 2025 werden die naturwissenschaftlichen Räume, zum Teil bei laufendem Betrieb, saniert, in den Fluren neuer Estrich mit Vakuumdämmung gelegt.
Zu Beginn des neuen Schuljahres 2025/26 können alle Schüler aus der Containeranlage wieder in das Schulzentrum umziehen. In den Herbstferien stehen nur noch Abbau und Abtransport der Container an. Danach werden deren Fundamente abgebrochen und Parkplatz und Schulhof wieder hergerichtet.
Kosten bleiben ungeachtet aller Probleme weitgehend im Rahmen
Und wie sieht es mit den Kosten aus? Laut Gemeinderatsbeschluss von 2019 beträgt die Kosten-Obergrenze 21,5 Millionen Euro. Die Grünen warnen von Anfang an und immer wieder, dass dieser Rahmen nicht einzuhalten sei, ja die finanzielle Handlungsfähigkeit Schriesheims langfristig behindere.
Die offizielle Bilanz: Die Stadt gibt die Höhe der aktuellen Kosten mit 19,76 Millionen Euro an. Hinzu kommen allerdings die Aufwendungen für die Container. Ursprünglich sind sie auf 1,6 Millionen angesetzt. Durch die längere Nutzung auf Grund der um zwei Jahre längeren Bauzeit wegen Pandemie und Krieg haben sie sich auf 5,6 Millionen Euro mehr als verdreifacht. Der städtische Haushalt ist durch das Projekt nachhaltig belastet. Seine Genehmigung für 2025 durch das Landratsamt erfolgt zu Beginn dieses Jahres nur unter Auflagen.
Bilanz in der Kommunalpolitik fällt unterschiedlich aus
Die Grüne Liste beklagt, der Kostenrahmen von 21,5 Millionen sei nicht eingehalten worden. Eine gegenteilige Bilanz ergebe sich nur, indem die Miete für die Container fälschlicherweise nicht den Investitionen zugerechnet, sondern als laufende Kosten verbucht werde. Wie von ihnen vorhergesagt, stelle das Projekt langfristig eine schwere Belastung des Haushalts dar.
Alle anderen politischen Kräfte und die Verwaltung entgegnen, der Zeit- und Kostenrahmen sei weitgehend eingehalten, und das trotz Pandemie und Krieg, und Erhöhungen, wo sie zu verzeichnen seien, aus diesen beiden Gründen unvermeidlich und nicht vorhersehbar. Die Schulsanierung sei eine Erfolgsgeschichte.
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