Schriesheim. In den 1970er und 1980er Jahren ist er einer der bedeutendsten politischen Repräsentanten der Region, in den letzten Jahren jedoch lebt er zurückgezogen in Schriesheim. Nun ist Gerhart Scheuer, 1972 bis 1988 CDU-Landtagsabgeordneter im hiesigen Wahlkreis Weinheim, im Alter von 86 Jahren verstorben, wie die Pressestelle des Landtages mitteilt.
Seine Bedeutung für die Region ist umso bemerkenswerter, als er am 20. Juni 1935 fernab der Bergstraße, in Hamburg, geboren wird. Er absolviert ein Jura-Studium, promoviert 1960 über „Die Rechtslage im geteilten Deutschland“, arbeitet im Bonner Ministerium für Gesamtdeutsche Fragen, lehrt zuletzt an der Bundeswehr-Verwaltungsakademie in Mannheim. Die Titel seiner wissenschaftlichen Veröffentlichungen zeigen sein beständiges Bekenntnis zur Deutschen Einheit – von der „Anerkennung der SBZ? Eine völkerrechtliche Studie“ (1966) bis zu „Deutschland einig Vaterland. Der Einigungsvertrag“ (1990).
„Vater“ des Kurpfalz-Gymnasiums
1972 wird er erstmals in den Landtag gewählt – damals noch über die Zweitauszählung, denn Urgestein Wolfgang Daffinger (SPD) holt den Wahlkreis direkt. Bei den drei folgenden Wahlen liegt Scheuer dann aber vorne, 1976 sogar mit mehr als 51 Prozent – ein Ergebnis, von dem die CDU der Region heute nur noch träumen kann. Gleichwohl bleibt Scheuer sich stets in Demut bewusst: „Der Wahlkreis ist halbe, halbe. Es kommt immer auf die Persönlichkeit an.“ Doch die hat Scheuer.
Dabei ist er keiner, der nach kurzfristiger Popularität hascht. Die Frequenz auf Biergarnituren ist für ihn nie Gradmesser der Arbeit als Abgeordneter. Gleichwohl – oder gerade deswegen – kann er für die Region einiges erreichen, vor allem 1972 die Genehmigung für das Gymnasium in Schriesheim. Scheuer ist damit einer der Väter des „Kurpfalz“.
Zudem kann er sich zugute halten, 1973 die Eingemeindungen von Schriesheim, Dossenheim und Edingen nach Heidelberg sowie von Ilvesheim, Neckarhausen, Ladenburg und Heddesheim nach Mannheim mit verhindert zu haben. Doch Scheuer betreibt nie Kirchturmpolitik, besitzt im Gegenteil ein klares politisches Koordinatensystem: gegen linke Systemveränderer, für den wehrhaften Rechtsstaat. Doch die Zeiten ändern sich, auch in der CDU. 1987 unterliegt er bei der parteiinternen Nominierung zur Landtagswahl dem Dossenheimer Hans Lorenz. Es wird eine Wunde, die lange schwelt.
Doch Scheuer findet ein Leben jenseits der Politik. Zehn Jahre führt er die Schriesheimer Schützen; als er 1997 den Vorsitz abgibt und Ehren-Oberschützenmeister wird, da verbucht der Verein mit 387 Mitgliedern den bisherigen Höchststand seiner Geschichte. 2011 nochmals Schützenkönig, lebt Scheuer danach zurückgezogen. Auch die Beisetzung erfolgt im engsten Familienkreise.
Seine Memoiren unter dem Titel „Weichenstellungen“, 2005 erschienen im Mattes-Verlag Heidelberg, sind ein Stück Regionalgeschichte.
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