Kommentar Jahresabschluss des Schriesheimer Gemeinderates: Zwei Welten

Konstantin Groß zum Jahresabschluss des Gemeinderates

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Konstantin Groß
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Für das Prozedere der Kommunalpolitik in Schriesheim, da gehört Corona nun endgültig der Vergangenheit an. Nachdem der Gemeinderat seit Sommer nicht mehr in der Mehrzweckhalle tagt, sondern erneut an seinem angestammten Sitz im Ratssaal, fand nun erstmals seit drei Jahren der gesellige Jahresabschluss wieder statt. Normalität ist eingekehrt.

Erstmals bildete die Weinscheuer Majer den Rahmen, und zwar einen derart eindrucksvollen wie zu diesem Anlass noch selten in den zurückliegenden 27 Jahren, die der Autor aus eigenem Erleben überblicken kann. Doch bei dieser Veranstaltung geht es primär nicht um gute Speisen, Weine oder Weihnachtslieder; hier treffen sich die Entscheidungsträger der Stadt. Alles, was gesagt oder nicht gesagt wird, ist Politik, hat eine Bedeutung.

In diesem Jahr ist es besonders spannend. Organisiert und geleitet wurde der Abend traditionsgemäß von der „Nr. 2“, diesmal Fadime Tuncer, die vor einem Jahr genau Wahlkampfgegnerin des neuen Rathaus-Chefs Christoph Oeldorf war. Ohne jeden Seitenhieb brachten die beiden das Prozedere hinter sich und standen doch mit ihren Auftritten für zwei völlig verschiedene Welten.

Da war Tuncer mit einer dezidiert politischen Rede, die Probleme der Welt thematisierend, sichtlich betroffen, beim Schicksal der Frauen im Iran den Tränen nahe, damit aber leider nicht alle im Publikum erreichend.

Und da war Oeldorf, persönlich sympathisch, erst recht dank des einjährigen Sohns, der mit dabei war, aber mit einer Rede ohne klare Botschaft – in den Augen seiner Kritiker gerade dadurch aber charakteristisch für sein erstes Amtsjahr. Vom „neuen Elan“, den seine Unterstützer versprochen hatten, war auch an diesem Abend wenig zu spüren.

Dabei sind die Baustellen unübersehbar: Stadtplanerisch Gärtner-Gelände, Festplatz und Neubaugebiet, gesellschaftlich die immer stärkere Entwicklung Schriesheims zum Hotspot des Rechtspopulismus in der Region, die zunehmend auch das Klima im Gemeinderat belastet.

So fehlte der Stadtrat der AfD wie zuletzt bei den Ratssitzungen auch beim Jahresabschluss; ja er beteiligte sich noch nicht einmal am traditionellen Weihnachtsgeschenk des Gremiums für den Bürgermeister. Die Botschaft, die er damit aussenden will, ist klar: Ich gehöre nicht zu denen. Damit hat er sogar Recht. Nur in einem ganz anderen Sinne, als er meint.

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